Winter-Journal Teil 3Frostschutz – Richtige Mischung

Johannes Erdmann

 · 24.10.2022

Winter-Journal Teil 3: Frostschutz – Richtige MischungFoto: Johannes Erdmann

Bei der Auswahl von Frostschutzmitteln ist Vorsicht geboten. Wir zeigen, welche Fehler man unbedingt vermeiden sollte

Weitere Teile der Winter-Serie:

Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich aus. Eine Binsenweisheit. Genauer nimmt Wasser beim Gefrieren im Volumen um bis zu zehn Prozent zu. Befindet es sich dabei in einem geschlossenen Raum wie einem Behälter oder einem Tank, entwickelt es einen gehörigen Druck auf die Außenwände.

„Du musst in alle Leitungen Frostschutz hineinmachen, damit sie nicht platzen“, bekommt der Novize schon mal als guten Rat beim ersten Einwintern des Schiffs zu hören, „Der Alkohol darin ist es ja, was frostfrei hält.“ Schließlich sticht der schärflich süße Geruch des Alkohols auch in die Nase, wenn man im Auto die Scheibenwischanlage betätigt.

Doch könnte ich beispielsweise auch Scheibenputzflüssigkeit nutzen, um meinen Trinkwassertank einzuwintern? Viele Bootseigner stehen deshalb jeden Herbst im Baumarkt und stellen sich selbst die Frage nach den Unterschieden der bunt gefärbten Flüssigkeiten. Ist es nicht egal, was ich zum Frostschutz nehme, solange genug Alkohol enthalten ist?

Mitnichten. Denn Frostschutzmittel ist längst nicht nur dafür gedacht, vor Frost zu schützen, und die unterschiedlichen Mittel haben deutliche Unterschiede in ihren Eigenschaften. Bei falschem Einsatz kann das Schiff schweren Schaden nehmen und im schlimmsten Fall sogar sinken.

Glykol statt Alkohol

Der Grund, weshalb eine Mischung aus Ethanol (umgangssprachlich: Alkohol) und Wasser erst bei sehr niedrigen Temperaturen gefriert, liegt in der Unterschiedlichkeit der Moleküle von Ethanol und Wasser. Sie sind derart verschieden, dass es dem Wasser kaum möglich ist, ein gemeinsames Eiskristallgitter aufzubauen, weil es durch darin gemischte Ethanolmoleküle permanent daran gestört wird. Deshalb bleibt das Gemisch auch im Winter flüssig. Zumindest bis an sehr extreme Temperaturen heran. Bei den meisten Frostschutzmitteln bis minus 50 Grad. Das Ethanol senkt also den Gefrierpunkt von Wasser.

Grundsätzlich eignet sich Ethanol mit seinem spezifischen Gefrierpunkt von minus 114 Grad Celsius sehr gut zum Schutz vor Frost. Deshalb wird es auch in entfrostenden Produkten, beispielsweise im Türschlossenteiser, eingesetzt. Doch ein Frostschutzmittel hat noch weitere Aufgaben. Beim Einsatz im Motor ist es in erster Linie eine Kühlflüssigkeit. Für diesen Einsatz eignet sich Ethanol mit einer Siedetemperatur von 78 Grad aber überhaupt nicht, denn die Kühlflüssigkeit würde noch früher als Wasser beginnen zu kochen. Boots- und Automotoren arbeiten gewöhnlich bei 90 Grad.

Das ist der Grund, weshalb in Kühlflüssigkeit statt einwertigen Alkohols der zweiwertige Alkohol Ethylenglykol oder umgangssprachlich „Glykol“ Verwendung findet. Der Schmelzpunkt liegt bei reinem Glykol zwar nur bei minus 15 Grad, in Verbindung mit Wasser liegt die Erstarrungstemperatur aber noch tiefer. Ein Glykol-Wasser-Gemisch im Verhältnis 1 : 1 gefriert erst bei minus 40 Grad.

Obwohl sich Glykol von Ethanol ableitet, ist es eine vollkommen andere Flüssigkeit. Die Viskosität beispielsweise ist sehr viel höher, und die Flüssigkeit fühlt sich geradezu ölig an. Ein Vorteil, denn dadurch werden bewegliche Teile wie die Kühlwasserpumpe und Thermostat zugleich geschmiert.

Wärmekapazität

Anders als beim Automotor, bei dem die Abwärme über den Kühlkreislauf in den sehr großen Kühlergrill geleitet und dann durch Fahrtwind oder im Stand durch den Ventilator abgeführt wird, ist es beim Schiffsmotor umso wichtiger, dass die Wärmekapazität der Kühlflüsskeit hoch genug ist. Denn im Vergleich zum Automotor sitzen Schiffsmotoren meist tief im Keller des Bootes. Frischer Sauerstoff gelangt häufig nur durch einen Ventilator dorthin, aber Wärme häufig nicht weg. Der Schiffsmotor wird seine Wärme einzig durch den Wärmetauscher los, der im Vergleich zu einem Autokühler winzig klein erscheint.

Einsatz im Motor

Die heute bei Bootsmotoren übliche Zweikreiskühlung besteht aus einem inneren und einem äußeren Kreislauf. Beide sind verbunden durch den Wärmetauscher, in dem (wie der Name schon sagt) die Wärme des inneren Kreislaufs an die des äußeren abgegeben wird. Der innere Kreislauf ist mit Froschschutzmittel gefüllt, das von einer Umwälzpumpe durch die Kühlkanäle im Motorblock gepumpt wird, dort die Wärme aufnimmt und im Wärmetauscher an den äußeren Kreislauf abgibt. Der äußere Kreislauf wird durch frisches Seewasser gespeist, das von der Kühlwasserpumpe angesaugt und durch den Wärmetauscher in die Abgasanlage eingespritzt wird, um diese zu kühlen. Die Abgase werden dann im Wassersammler mit dem See-Kühlwasser gemischt und in schwallartigen Schwüngen über den Auspuff nach außen geleitet.

Neben Glykol sind dem Motor-Frostschutzmittel noch bestimmte Additive beigemischt, die verschiedene Aufgaben haben. Die Mittel und Wirkstoffe unterscheiden sich je nach Spezifikation des Frostschutzmittels. Die Aufgaben der Additive sind jedoch in jedem

Frostschutzmittel gleich: Korrosionsschutz für Motor, Wasserpumpe und Kühlkanäle, denn die Wasserbeimengung wirkt natürlich auf das Metall korrosiv. Vermeidung von mineralischen Ablagerungen (z. B. Kalk) und der Schutz vor Kavitation.

Technologien

Früher enthielten alle Frostschutzmittel Silikate, die den Vorteil haben, dass sie durch den Aufbau einer Al-Silikat-Schutzschicht auf den Aluminiumteilen das Material schützen. Der Nachteil besteht darin, dass dieser Schutz nur einige Jahre anhält und das Frostschutzmittel häufig erneuert werden muss. Um den Nutzungszeitraum auszudehnen, kam man darauf, statt des Silikats organische Verbindungen für den Korrosionsschutz einzusetzen. Doch nun waren zwei verschiedene Sorten auf dem Markt, die Einfärbungen der Flüssigkeiten nicht genormt, und ständig kam es durch Verwechslung zu Problemen. Denn: Werden die beiden Systeme gemischt, kann es zu Verklumpungen kommen, und die Kanäle können sich zusetzen. Außerdem entstehen bei der Mischung aggressive Säuren. Deshalb entwickelte man das Hybridsystem, das die Vorteile aus beiden Systemen (Verträglichkeit mit Aluminium und längere Lebensdauer) vereint und zudem noch mit den früheren Systemen gemischt werden kann. Darüber hinaus besitzt es bes­sere Wärmeableitung, besseren Korrosionsschutz und mit 135 Grad einen deutlich höheren Siedepunkt.

Frostschutz für den Motor:

Motor-Frostschutz Yachticon, unverdünnt bis -59 °C einsetzbar, ca. 20 Euro/2 Liter
Foto: Hersteller
 Frostschutzmittel für den Motor
  • Weitere Produkte für den Motor: Talamex Antifreeze, für alle Kühlsysteme geeignet, ca. 20 Euro/5 Liter

Doch auch Hybridsysteme sind nicht das Nonplusultra und für alle Maschinen gleichermaßen geeignet. Die Auswahl für den eigenen Motor sollte immer nach den Hersteller-Spezifikationen erfolgen. Die Farbe allein sagt nichts aus.

Weiterhin dürfen immer nur gleichwertige Kühlflüssigkeiten verwendet werden, weil sich ansonsten enthaltene Additive möglicherweise gegenseitig behindern.

Auf dem Markt gibt es viele Frostschutzkonzentrate und Fertigmischungen. Wer denkt, „Viel hilft viel“, und sicherheitshalber das Konzentrat unverdünnt in den Motor gießt, macht einen Fehler. Denn auch wenn die Gefriertemperatur durch Verwendung von übermäßigen Mengen Glykol herab- und der Siedepunkt hochgesetzt wird, ist der Nachteil von reinem Glykol, dass es eine weit niedrigere Wärmekapazität (2,4 kJ/(kg·K)) besitzt. Im Gemisch 50/50 mit Wasser steigert sich die Wärmekapazität auf 3,5 kJ/(kg·K). Deshalb ist beim Einsatz von reinem Glykol ein größerer Volumenstrom erforderlich, um die gleiche Wärmemenge zu transportieren. Die Schläuche müssten einen weit größeren Querschnitt haben. Ein weiterer Nachteil von Glykol: Bei Verwendung von luftdurchlässigen Kunststoffrohren kann Sauerstoff an die Flüssigkeit gelangen und das Glykol zu Carbonsäuren oxidieren, die die metallischen Bauteile des Systems angreifen können. Die sicherste Variante bleibt deshalb ein Fertigmix. Beim

Selbstmischen sollte mindestens 30 Prozent Glykol ver­wendet werden, damit ausreichender Schutz gewährleistet ist. Nie jedoch über 60 Prozent, sonst besteht die Gefahr der Überhitzung.

Einwintern Bord-WC

Bevor das Bord-WC eingewintert werden kann, muss der Tank (falls vorhanden) möglichst leer sein. Dann wird das vorgesehene Frostschutzmittel in das WC gegossen und von dort eine Zeit lang abgepumpt, um die Zerhackerpumpe frostsicher zu machen. Noch sicherer ist es, das Seeventil zu schließen, den Schlauch vom Kugelhahn abzuziehen und das Frostschutzmittel direkt dort anzusaugen, um auch den Ansaugtrakt mit Frostschutz zu füllen. Wird die Spülung des Bord-WCs aus dem Süßwassertank versorgt, ist es auch nötig, den Schlauch vom Tank zum WC frostsicher zu füllen. Der Fäkalientank lässt sich meist nicht vollständig entleeren, doch das vom WC in den Tank gepumpte Frostschutzmittel wird sich mit dem Restwasser vermischen.

Frostschutz für Toiletten:

Yachticon Toiletten Frostschutz, ca. 20 Euro/5 Liter
Foto: Hersteller
Frostschutzmittel für Toiletten

Ein üblicher Fehler ist es, das Bord-WC mit einfachstem und billigstem Frostschutz aus dem Baumarkt einzu­wintern, „fürs Klo wird es reichen“. Häufig handelt es sich dabei jedoch um silikathaltigen Frostschutz, der die Gummis und Dichtungen angreift. Auch wenn Leckagen durch Frostschutz selten vorkommen, so wird das Mittel die Schlauchgummis insofern schädigen, als Gerüche schneller durch die Gummis diffundieren. Ratsam ist es auch hier, spezielle, für die Sanitäranlage zugelassene Frostschutz­mittel zu verwenden.

Wassertank einwintern

Auch der Wassertank muss frostsicher sein. Früher war es üblich, die Trinkwasserpumpe mit ein bis zwei Flaschen Korn einzuwintern. Korn ist billig, frostfrei und auch nicht schädlich, falls Restmengen im Zahnputzbecher landen. Den Schlauch vom Tank abziehen, rein in die Flasche, dreimal pumpen, fertig. Doch diese Art des Einwinterns ist leider nicht wirklich frostsicher, denn der Alkohol verdunstet über den Winter – und zurück bleibt lediglich Wasser. Darüber hinaus kann der Alkohol Dichtungen und Gummiteile angreifen. Von dieser „Billiglösung“ ist also dringend abzuraten.

Frostschutz für den Wassertank:

Frostschutzmittel für Trinkwasser- und Toilettensysteme von Yachticon. Vorverdünnt, Gefrierschutz bis -45 °C. Für alle Materialien geeignet. ca. 20 Euro/5 Liter
Foto: Hersteller
Frostschutzmittel für Trinkwasser
  • Weitere Produkte für den Wassertank: Konzentrat „Aqua Frozt“ Yachticon, unverdünnt bis -59 °C einsetzbar, ca. 23 Euro/2 Liter; FrostEx 5.000 MultiNox, ca. 37 Euro/5 Liter; Talamex Antifreeze, für alle Kühlsysteme sowie für Toiletten- und Trinkwassersysteme geeignet, ca. 20 Euro/5 Liter

Besser ist es, nach dem Leeren des Frischwassertanks und des Boilers ihn von oben mit einer dem Verwendungszweck entsprechenden Frostschutzmischung zu füllen und sie über die Druckwasserpumpen zu allen Entnahmestellen anzusaugen, bis gefärbtes Wasser aus dem Hahn kommt. In besonders kalten Wintern ist es sonst möglich, dass sich eingeschlossenes Wasser in den Wascharmaturen ausdehnt und diese Schäden nehmen. Deshalb sollte der Hahn über Winter zusätzlich offen gelassen werden. Auch die Außendusche nicht vergessen. Und den Duschsumpf mit der Schwimmerpumpe, in der häufig Wasser übrig bleibt.


Lesen Sie auch die weiteren Teile des Winter-Journals: