Torsten Moench
· 24.10.2022
Mit GSM-Kameras bleibt das eigene Boot auch im Winter nicht ohne Aufsicht
Wer sein Boot auch im Winter nicht aus den Augen lassen möchte, ist mit einer internetgestützten Überwachungskamera, kurz IP-Kamera, gut bedient. Doch was, wenn im Hafen kein WLAN zur Verfügung steht? Oder wenn der Hafenmeister es schlichtweg nicht gestattet, eine private IP-Kamera in seinem Netzwerk zu betreiben?
Auch für diesen Fall gibt es eine Lösung. Die Rede ist von sogenannten GSM-Kameras. Wir haben es ausprobiert. Im Wesentlichen arbeiten diese Geräte genauso wie eine IP-Kamera. Der Unterschied liegt lediglich im verwendeten Funknetz und den möglichen Zusatzfunktionen. Während reine IP-Kameras auf ein WLAN mit der nötigen Infrastruktur (Router) angewiesen sind, nutzen GSM-Kameras neben dem WLAN auch das ganz normale Handynetz.
Vorteil: Durch die Unabhängigkeit von externer digitaler Infrastruktur arbeiten GSM-Kameras auch außerhalb der WLAN-Reichweite. Damit funktionieren sie theoretisch überall dort, wo ein Handynetz verfügbar ist – auch im Ausland oder in der Winterlagerhalle. Hinzu kommt, dass man niemanden um Erlaubnis bitten muss, solange die Kamera nur das eigene Boot und keine öffentlichen Bereiche wie beispielsweise den Steg oder das Nachbarboot überwacht.
Nachteil: Die GSM-Kamera benötigt neben der obligatorischen Stromversorgung eine eigene SIM-Karte. Außerdem sind die laufenden Kosten, je nach Netzbetreiber, höher als bei WLAN-Kameras.
Soweit die Theorie. Um das Ganze in der Praxis auszuprobieren, besorgten wir uns die GSM-Überwachungskamera IPC 600 von Visortech im Elektronikhandel. Diese testeten wir während der Wintermonate auf einem im Wasser liegenden Boot.
Für den Anschaffungspreis von rund 130 Euro bekommt man mit der IPC 600 gleich ein ganzes Bündel an nützlichen Funktionen:
Was im Lieferumfang fehlt, ist ein Netzteil für den 230-Volt-Betrieb. Hier diente uns ein ausrangiertes Handy-Ladegerät mit Micro-USB-Anschluss als Ersatz.
Glaubt man den Herstellerangaben, kommt die Visortech-GSM-Kamera „konfigurationsfrei“ aus dem Karton. Als Laie würde man das wohl so interpretieren: Stromversorgung anstöpseln, Kamera einschalten, Bilder auf dem Handy sehen.
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Damit Kamera und Handy sich verstehen, bedarf es zunächst einmal der zugehörigen App. „Clever Dog“ kann aus dem App Store (iPhone) oder dem Google-Play-Store (Android-Handys) heruntergeladen werden. Ist diese erfolgreich getan und auf dem Handy installiert, folgt ein vergleichsweise einfacher Anmeldeprozess. Hierzu muss man seine E-Mail-Adresse angeben und ein Passwort festlegen. Nun, und das ist wichtig, setzt man eine Micro-SD-Speicherkarte in die Kamera ein. Ohne Speichermedium funktioniert die erste Inbetriebnahme nicht.
Anschließend verbindet man sein Handy unter „Einstellungen“ mit dem WLAN der Kamera. Anleitungsgemäß müssen einige Grundeinstellungen ausgeführt werden. Im nächsten Schritt nutzt man die App, um die Kamera mit dem WLAN des Hafens zu koppeln. Also: Hafen-WLAN unter „Wifi-Einstellungen“ in der App auswählen, Passwort eingeben, fertig. Hat alles geklappt, kann man nun durch Öffnen der App im Handy das derzeitige Kamerabild sehen.
Dabei hat man die Auswahl zwischen „Livebildern“, also einer Live-Videoübertragung, oder bereits abgespeicherten Fotos. Diese nimmt die Kamera automatisch auf, sowie sie eine Bewegung im „Sichtfeld“ wahrnimmt.
Und damit sind wir beim ersten Knackpunkt einer bewegungserkennenden Überwachungskamera an Bord von Booten. Überwacht man sein Boot von außen, beispielsweise vom Nachbarschiff, reicht das übliche Schwoien am Liegeplatz, um einen stillen Alarm, also die Bildaufzeichnung, zu starten. Ist die entsprechende Funktion in der Clever-Dog-App aktiviert, was standardmäßig der Fall ist, kann man sich vor Warnnachrichten auf dem Handy kaum retten. Eine Lösung dieses Problems bietet die Einstellung der Empfindlichkeit des Bewegungssensors. Diese lässt sich zwischen „Hoch“, „Medium“ und „Niedrig“ wählen. Während unseres Tests reichten jedoch schon kleine Lageänderungen des Bootes, um die Kamera auch bei der niedrigsten Empfindlichkeit auszulösen.
Tatsächliche Abhilfe brachte erst ein neuer Kamerastandort. Im zweiten Versuch positionierten wir die Überwachungskamera innerhalb des eigenen Bootes. Sie überwachte so den Salon und insbesondere die Zugangstür. Hier funktionierte sie reibungslos. Sie schickte nur Warnhinweise aufs Handy, wenn sich tatsächlich Personen im Blickfeld bewegten.
Hat man solch eine Meldung bekommen, kann man sich live einschalten, die Tonübertragung starten und sogar aktiv ins Geschehen eingreifen. Dazu kann der Eindringling über den integrierten Lautsprecher der Kamera angesprochen werden. Die Übertragungsqualität erfüllt dabei sicher keine Hi-Fi-Ansprüche. Sie genügt aber, um dem Besucher eine „klare Ansage“ zu machen.
Das alternativ einstellbare Hundegebell oder den Alarmton empfinden wir jedoch eher als Spielerei.
Nützlich ist dagegen die frei wählbare Überwachungszeit. Durch dieses Funktion kann man die Überwachung auf ein vorher definiertes Zeitfenster reduzieren. Das macht Sinn, wenn man das Boot beispielsweise nur nachts oder an bestimmten Tagen im Auge behalten will.
Hat man die GSM-Kamera im WLAN konfiguriert und sich mit den wesentlichen Funktionen der App vertraut gemacht, folgt die Anbindung ins Handynetz.
Dazu steht zunächst die Wahl der richtigen SIM-Karte, besser gesagt eines geeigneten Mobilfunkvertrags, an. Da wir ausschließlich am Datentransfer, also der Bild- und Videoübertragung, interessiert sind, ist ein mehr oder weniger reiner Datenvertrag, wie er für Tablets und Smartphones angeboten wird, der richtige. Wichtig ist die Netzabdeckung. Hier haben die D-Netze (Telekom/Vodafone) in vielen Revieren die Nase vorn.
Grundsätzlich muss man sich entscheiden, ob man einen sogenannten Prepaid-, einen Postpaid- oder einen normalen Vertrag mit fester monatlicher Grundgebühr wählt.
Zu Prepaid-Verträgen muss man wissen, dass manche Netzbetreiber den Vertrag bei mehrmonatiger Nichtnutzung automatisch beenden – das sollte man im Vorfeld klären. Gegebenenfalls muss von Zeit zu Zeit durch aktives Auslösen des Alarms für Datenverkehr gesorgt werden.
Für unseren Versuch wählten wir einen Vodafone-Postpaid-Vertrag ohne Grundgebühr. Dafür hatten wir aber vergleichsweise hohe Datentransfer-Gebühren von 0,49 Cent/Mb. Postpaid bedeutet, dass wir nur tatsächlich anfallende Gebühren zahlen. Diese sind aber etwas höher sind. Bevor man nun die SIM-Karte in der Kamera einsetzen kann, muss noch die PIN-Sperre deaktiviert werden. Dazu muss man die SIM-Karte in ein herkömmliches Handy oder Smartphone einlegen. Unter den Sicherheitseinstellungen wird die PIN-Abfrage deaktiviert.
Die Visortech-Kamera arbeitet mit einer Micro-SIM, die meisten modernen Handys jedoch mit einer Nano-SIM. Zum einmaligen Entsperren mussten wir uns deshalb ein altes iPhone 4 leihen, das noch eine Micro-SIM unterstützt. Ist diese Hürde genommen, legt man die entsperrte SIM-Karte in die Kamera ein und schaltet sie an. Als letzten Schritt wählt man in der Clever-Dog-App unter „Einstellungen“ die Option „Mobiles Datennetz“. In der Praxis verbindet sich das Gerät jetzt über das normale Handynetz mit dem Internet. Dann kann es wie oben beschrieben über die Handy-App bedient werden. Der Funktionsumfang gleicht dem des WLAN-Betriebs. Je nach Netzgeschwindigkeit kann die Video-Liveübertragung aber etwas hakelig erscheinen. Die eigentliche Überwachungsfunktion, also die Meldung und Bildübertragung bei Alarmauslösung, wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt.
Alles in allem kann man sagen, dass eine GSM-Alarmkamera wie beispielsweise die von uns verwendete Visortech IPC 600 eine gute Möglichkeit ist, das eigene Boot im Winter auch über größere Distanzen einfach per Handy zu überwachen. Platziert man die Kamera so, dass auch Messinstrumente an Bord, wie beispielsweise ein Thermometer oder die Schalttafel, im Bild erscheinen, bekommt man sogar Infos über die Vitalfunktionen des Bootes (Ladezustand, Bilgenpumpe etc.). Einen ausgefallenen Landstromanschluss erkennt man spätestens daran, dass die Kamera in der App als „offline“ angezeigt wird.