Nils Theurer
· 14.03.2018
Ein Mund-Nebelhorn gehört zur Sicherheitsausrüstung und weist bei schlechter Sicht andere Schiffe auf die eigene Anwesenheit hin. Aber ist es auch so laut wie empfohlen und vorgeschrieben?
Undurchsichtig und beängstigend ist der Nebel auf See in beiden auftretenden Fällen: Egal, ob die Suppe nun Seenebel ist, also ausfallende Feuchtigkeit über kaltem Wasser, oder als Küstennebel auftritt, wenn der Taupunkt durch abkühlendes Land erreicht ist und gerade die Hafeneinfahrt und Peilobjekte verhüllt.
Plötzlich sind nicht einmal in der Nähe Details zu erkennen, und das eigene Boot ist auf einen Schlag auch für viele andere unsichtbar, deswegen sind Schallsignale zu geben.
Selbst, wenn laut der Kollisionsverhütungsregeln (KVR) im Anhang III sogenannte "Pfeifen" erst ab einer Bootslänge von zwölf Metern vorgeschrieben sind, empfehlen sie sich verständlicherweise auch für kürzere Boote. Gemeint sind mit der etwas ältlichen Bezeichnung tatsächlich Nebelhörner.
Auch die Länge eines "Langen Tones" ist dort festgelegt: Immer ein sechs Sekunden dauerndes Schallzeichen ist alle zwei Minuten zu geben. Ohne Fahrt durchs Wasser sind es zwei lange Töne mit zwei Sekunden Abstand, Manövrierbehinderte geben drei lange Töne, solange es nötig ist.
Das braucht Puste: Gewöhnliche Atmung umfasst etwa einen halben Liter Luftaustausch, zusammen mit tiefem Ein- und Ausatmen sind bis zu 3,5 Liter "Vitalkapazität" möglich, im Alter auf rund 2 Liter absinkend. So viel vorweg: Bei allen Mundnebelhörnern genügte gewöhnliches Atemvolumen fürs geforderte Sechs-Sekunden-Schallsignal.
Hohe oder tiefe Töne?
Die beste Tonhöhe für das maritime "Hier bin ich!" besteht aus einem Kompromiss. Denn das Diagramm des menschlichen Hörvermögens gleicht einer Badewanne, der "Grund" mit den sensibelsten Werten liegt zwischen 2000 und 5000 Hertz.
Links und rechts davon steigt die Hörschwelle, also der jeweils leiseste wahrgenommene Ton, stark an. Bei 500 Hertz muss ein Ton dazu bereits 10 Dezibel Schalldruck zusätzlich haben, bei 100 Hertz über 20 Dezibel. Dies würde für eher hohe Töne als Schallsignale sprechen.
Physikalische Gegebenheiten legen dagegen nahe, möglichst tiefe Frequenzen zu verwenden, denn die Reichweite nimmt mit steigender Tonhöhe rapide ab. Ein Beispiel: Ein 1000-Hertz-Ton wird bei 20 Grad und 70 Prozent Luftfeuchte etwa zehnmal stärker abgeschwächt als ein anfangs gleich lauter sehr tiefer mit 125 Hertz.
Ein 4000-Hertz-Ton – dort liegt ja das größte Hörvermögen – wird gar 40-mal stärker abgeschwächt. Die KVR geben deswegen sinnvollerweise vor: Der Grundton eines Nebelhorns für Schiffe bis 20 Meter muss zwischen 180 und 2100 Hertz liegen, bei größeren Schiffen etwa zwischen 180 und 700 Hertz.
Je dicker der Pott, desto tiefer – das entspricht auch dem gesunden Menschenverstand. Zur Orientierung: Der Telefon-Wählton tutet mit 425 Hertz.
Bewusst wird mit dieser Vorgabe ein weiterer Nachteil in Kauf genommen, denn unterhalb von 800 Hertz ist die Richtung schwer zu bestimmen. Aufgrund der Schallausbreitungsgeschwindigkeit ist die Laufzeitdifferenz zwischen beiden Ohren mit 623 Mikrosekunden geringer als die halbe Wellenlänge des Schalls, deswegen ist eine Ortung nicht mehr möglich.
Außerdem ist die Schallübertragung von der Luftfeuchte abhängig. Allerdings setzt lediglich geringe Feuchtigkeitssättigung der Reichweite zu, und das auch nur bei hohen Frequenzen. Bei Nebel, also 100 Prozent Luftfeuchte, reichen tiefe Frequenzen weit.
Optimal ist übrigens auch Windstille – nicht nur, weil Wind und Wellen als zusätzliche Geräuschquellen fehlen, von denen ein Nebelsignal zu isolieren wäre, sondern auch, weil raue Oberflächen wie zum Beispiel Wellen dämpfend wirken.
Ohnehin: Mit der Windrichtung ist die Schallübertragung wesentlich effektiver. Somit ist die in den KVR verlangte "Reichweite" von 0,5 Seemeilen ein theoretischer Wert. Die persönliche Hörschwelle, Umgebungsgeräusche, Wind, Luftfeuchte und -temperatur sorgen in der Praxis für ganz unterschiedliche Reichweiten.