Peter Laessig
· 28.02.2016
Stahlboot-Vergleich: Die neue Elegance-Linie von De Boarnstream aus den Niederlanden soll die Erfolgsserie fortsetzen. 13,3 Meter gegen 10,8 Meter.
De Boarnstream ist eine der feinen Edelschmieden in den Niederlanden, in der so manches Boot mit "Wow-Faktor" vom Stapel gelaufen ist. Henk Hokwerda gründete die Werft 1964, im gleichen Jahr, als die Beatles begannen die Welt zu erobern. Die Beatles sind mittlerweile Geschichte, aber De Boarnstream wird in der zweiten Generation von Henks Tochter Wies fortgeführt, während Henk als Grand Seigneur im Hintergrund das Ganze noch im Auge behält.
Auch als Rentner kann er es nicht lassen, wie auch, und widmet sich dem Entwurf von neuen Booten. So ist 2013 zu den bisherigen Modellen Retro, Classic und New Line eine weitere Linie hinzugefügt worden, Boarncruiser Elegance. Sie umfasst eine Baureihe von fünf Modellen mit und ohne Flybridge, die es aus Stahl oder Aluminium geben soll. Den Anfang macht die Elegance 1100 und das vorläufige Ende markiert die Elegance 1700.
Die Boote gibt es als reine Verdränger oder ab der Elegance 1200 auch mit mehr Dampf im Kessel, sprich stärkeren Motoren. Damit sollen dann Elegance-Boote als Halbgleiter mit Wellen- oder IPS-Antrieben flotter das Wasser durchpflügen. Die "Schnellen" haben statt des Stahlaufbaus einen aus Aluminium, der Rumpf bleibt jedoch in Stahl.
Je nach Tempo- oder Sicherheitsanspruch werden ein oder zwei Motoren eingebaut. Die Zahlen, wie zum Beispiel 1100, stehen für die Länge. Und ist keine Fly vorhanden, tragen die Boote den Namen Sedan. Als Sedan bezeichnete man früher luxuriöse Autos, in denen man bequem und komfortabel reisen konnte.
De Boarnstream folgt mit der neuen Linie dem Trend der Zeit, bei dem Cockpit und Salon auf einer Ebene liegen und allseitige Glasfronten ein Gefühl von Weite und Mee(h)r vermitteln sollen. Nomen est Omen, die Boarncruiser Elegance strahlen Kraft und Schönheit aus.
Wie stark die Strahlkraft ist und ob es des vielen Lichtes wegen auch Schatten gibt, können wir anhand zweier Boote überprüfen, Elegance 1100 und 1300 in der Ausführung Sedan. Sie sind von Top bis Kiel in traditioneller Stahlbauweise gefertigt, die Rumpfform nennt man "einfacher Knickspant".
Wie in den Niederlanden üblich, bauen, strahlen und lackieren Fremdfirmen die Stahlkaskos außerhalb der Werft. Dann kommt alles zu Boarncruiser, wo sich externe Möbelbauer und eigene Techniker um den Rest kümmern. Zur Eindämmung von Motorlärm und Krach von außen wird ein PU-Schaum ab der Wasserlinie aufwärts auf Rumpfinnenwände und teilweise unter Decken aufgespritzt. Das kostet zwar etwas mehr als einfache Steinwolle und sieht nicht so glatt aus, isoliert dafür aber perfekt.
Von Boarncruiser erwartet man Qualität, die auch auf den ersten Blick beim Testduo passt. Wenn man allerdings aufmerksam hinschaut, summieren sich hier und da Kleinigkeiten recht augenfällig. Dass die Werft, wie in der Branche üblich, die Arbeiten Submissionsunternehmen überträgt, ist soweit akzeptabel, solange die Qualität stimmt. In diesem Fall haben uns beide Testboote nicht überzeugt und den Eindruck hinterlassen, dass der nötige Feinschliff fehlt.
Während man in der Elegance 1100 als Standardmotor einen 75 PS starken Diesel unter dem Salonboden vorfindet, ist in der 1300 an gleicher Stelle ein 150 PS-Selbstzünder eingebaut. Der Motorenhersteller heißt Volvo Penta und kommt aus Schweden. Unsere Testboote werden dagegen von einem D3-110 im kleineren und von einem D4-180 im größeren vo-rangetrieben. Der 110 PS-Diesel wird in der Elegance 1100 durch einen zu steilen Propeller schon bei 2800 U/min abgebremst, erlaubt sind 3000 U/min. Dafür erreicht der 180 PS starke D4 in der Elegance 1300 seine erlaubte Maximaldrehzahl von 2800 U/min.
Das relativiert für die Elegance 1100 alle Zahlen, was Geschwindigkeit und Reichweiten angeht. Heißt, wir haben ein maximales Tempo von 8,3 kn gemessen und damit Reichweiten von 900 sm in langsamer Fahrt und 150 sm bei Vollgas errechnetet, plus jeweils 15 % Reserve. Für die Elegance 1300 lauten die Werte 9,2 kn Topspeed und je nach Stellung des Gashebels Aktionsradien zwischen 2500 sm bis 240 sm, plus Reserven. Dabei haben wir uns bei beiden Booten auf die Verbrauchsdaten des Motorherstellers bezogen und bei der Elegance 1100 ein Tankvolumen von 360 l und bei der Elegance 1300 von 1000 l berücksichtigt.
Als Testrevier dient uns in Nordfriesland der Prinses-Margriet-Kanal. Das ist ein Grund, weshalb wir zu dem Thema Rauwasserverhalten und wie sich die Boote in Wellen verhalten, keine Aussage treffen können. Da müssen wir uns auf Henk Hokwerda verlassen, der versichert, dass seine Boote damit keine Probleme haben.
Keine Probleme haben wir beim Manövrieren, wobei beide Boote dank Bugstrahlruder plus optionalem Heckstrahlruder und rechtsdrehenden Propellern rückwärts einfach an Backbord anlegen können. Dass dies die "Schkoladenseite" beim Anlegen ist, wird auch mittels der Backbord-Relingdurchgänge auf beiden Booten und zusätzlich auf der 1300 durch die Tür im Backbordschanzkleid dokumentiert. In voller Fahrt durchmessen die Vollkreise beider Boote bis zu drei Bootslängen und kippen dabei verdrängertypisch etwas nach außen.
Zu unserer Überraschung entstehen dabei so gut wie keine Fliehkräfte und man kann währenddessen getrost alles auf Tischen und Möbeln stehen lassen. Mehr als zufriedenstellend verläuft auch die Geradeausfahrt: Man kann ohne Bedenken eine Zeit lang die Hände vom Ruder nehmen und das Boot seinen einmal eingeschlagenen Kurs folgen lassen.
Liegen beide Boote im Hafen nebeneinander und man geht von achtern auf sie zu, erscheint einem die Elegance 1100 gegenüber der 1300 als "schmales Hemd". Kein Wunder, misst doch die Elegance 1300 in der Breite 4,55 m während die 1100 knapp einen Meter schmaler ausfällt. Multipliziert man Länge mal Breite, kommt die Elegance 1300 mit einer theoretischen Grundfläche von rund 60 m² daher und die 1100 mit 39 m². Das macht sich mehr als bemerkbar, weshalb man unter Deck bei der Elegance 1100 zwei Kabinen plus Bad mit Dusche und WC antrifft und an gleicher Stelle auf der Elegance 1300 drei Kabinen und zwei Bäder. Und, auf der Elegance 1300 ist noch ein Riesenstauraum unter dem Cockpitboden versteckt, der gut und gerne als weitere Kabine (Crewcabine) herhalten könnte. Damit kann der Stauraum auf der 1100 an gleicher Stelle nicht ganz mithalten, verdient aber immer noch das Attribut "sehr groß".
Auf beiden Booten ist die Pantry Bestandteil des Salons und mit allem ausgestattet, was man an Bord braucht. Serviert wird auf den Salontischen und Platz nimmt man auf der Elegance 1100 auf einer L-förmigen und auf der 1300 auf einer U-förmigen Sitzbank. Auf beiden Testbooten lassen sich Salontisch samt Couch in Notkojen wandeln. Die Fahrstände auf beiden Booten passen und sind mit alldem ausgestattet, was man braucht. Auch sonst gibt es hinsichtlich der Grundausstattungen auf beiden Booten nichts zu mäkeln.
Fazit
Auf beiden Booten wohnt und reist man bequem, wobei die Elegance 1300 mit ihren großzügigeren Abmessungen einiges mehr an Platz und Komfort zu bieten hat. Dem gegenüber steht jedoch der um fast 200 000 Euro höhere Preis. Bei der Verarbeitung zeigt das Testduo Details, die uns nicht überzeugen. Gut und stahlverdrängertypisch fallen die Fahr- und Manövrier-eigenschaften aus.