Peter Laessig
· 09.03.2015
Sehr schiffig: Von Flevo Jachtbouw aus den Niederlanden kommt ein Stahlverdränger der besonderen Art – mit Platz und Komfort auch für Hochseetörns.
Flevo Ship Holland ist ein familiengeführtes Unternehmen aus den Niederlanden, dessen Spezialität die Konstruktion von maßgefertigten Yachten ist. Hohe Qualität und fachmännisches Können zeichnen die Werft aus, man orientiert sich stets an den neuesten und modernsten Entwicklungen. Es wird gemäß den Anforderungen von Lloyd’s Registers gearbeitet, der Klassifikationsgesellschaft schlechthin, die höchste Anforderungen an Bauweise und Konstruktion stellt. Flevo Jachtbouw besitzt langjährige Erfahrung im Bau von Megayachten im "Westentaschenformat".
Die Gebrüder Aart und Adriaan van Twillert sind die beiden Chefs von Flevo Ship Holland. Aart ist für das Wirtschaftliche zuständig und sein jüngerer Bruder Adriaan für das Technische. Aart hat eine über dreißigjährige und Adriaan über zwanzig Jahre Erfahrung im Bau von Motor- und Segelbooten aus Stahl. Bislang stehen 78 luxuriöse Yachten auf ihrer abgearbeiteten Auftragsliste.
Das erscheint nicht viel, aber bei Bootslängen bis 35 Meter sieht das wieder anders aus. Beider Hobby ist Bootfahren, aber ihre Berufung ist das Bauen. Ihr Anspruch ist es, sich mit Flevo Jachtbouw auch international einen Namen für den Bau von luxuriösen Booten zu machen. Das bedeutet auch, für einen Auftrag, der die Raummaße der Produktionshalle überschreitet, kurzerhand die Halle in Länge und Höhe anzupassen.
Kunden werden persönlich von der ersten Idee, über die gesamte Bauzeit hinweg, bis hin zur Einweisung auf dem fertigen Boot und darüber hinaus betreut. Unter anderem auch vom international bekannten Topdesigner Pieter Beeldsnijder.
Pieter arbeitet mit vielen namhaften Werften zusammen und ist gemeinsam mit seinem Team für den Entwurf und Bau von etwa 3000 Motor- und Segelyachten verantwortlich, die bis zu einer Länge von knapp 100 Meter messen. Einer der Werften, mit denen Pieter zusammenarbeitet, ist Flevo Jachtbouw, die auch "sein" eigenes Boot, die Bonker, gebaut hat.
Bonker ist von dem englischen Wort "bonkers" abgeleitet und kann mit "verrückt" oder "durchgekknallt sein"
übersetzt werden, was wunderbar zum quirligen und 76-jährigen Pieter passt. Dass sich ein Yachtarchitekt nicht mit einem Boot "von der Stange" zufrieden gibt, ist normal – zumal Pieter es gern etwas überdimensioniert liebt. Nach dem Motto "wennschon – dennschon" wurde eine Yacht gebaut, die den höchsten Standards entspricht und in bestmöglicher Perfektion. Und das beginnt schon mit der Dicke der Stahlplatten.
Während die Wandstärke unter der Wasserlinie normalerweise mit 6 bis 7 mm dickem Stahl gebaut wird, sind die gleichen Platten auf der Bonker 8–10 mm dick. Das setzt sich so durch das ganze Boot vom Kiel bis zum Mast auf der Flybridge fort, der klappbar gebaut ist und erst bei knapp 10 m über der Wasserlinie endet. Zwar macht diese Bauweise das Ganze etwas schwerer, doch die paar Kilo machen den Kohl nicht fett – dafür aber die Bonker sehr sicher. Darum hat sie auch etwas stärkere Motoren bekommen als normal (2 x 240 PS), nämlich zwei je 300 PS starke John Deer-Diesel, die ihre Kraft über Wellenanlagen und Vier-Blatt-Propeller in das Wasser leiten.
Wie bei Verdrängerbooten üblich, sind die Reichweiten von den gefahrenen Geschwindigkeiten stark abhängig. Auf der Bonker passt alles zusammen: Motoren, Getriebe und Propeller sind optimal aufeinander abgestimmt. Wir haben eine Höchstgeschwindigkeit von 10,7 kn gemessen und das liegt nur minimal über der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit von 10,4 kn, was für eine gute Kombination der Motoren mit dem Rumpf spricht. Die theoretischen Reichweiten betragen bei einem beachtlichen Tankvolumen von 11 000 Liter Diesel zwischen 5 370 sm bei niedrigsten Drehzahlen und 4 kn Fahrt und 933 sm bei Vollgas, plus 15 % Reserve jeweils.
Das sind Zahlen, die weit über den von uns geforderten Reichweitenstandards liegen, etwas "bonkers" eben.
Schönes Wetter und Wellen von Fähren sind kein Gradmesser für Rauwasserverhalten. Aber da die Bonker für CE-Kategorie A Hochsee zertifiziert ist, und man weiß, dass alles auf dem Boot einen ganzen Tick stärker und stabiler gebaut ist, bereiten einem Wellen keine Kopfschmerzen. Die Zero-Speed-Stabilisatoren dämpfen das Rollverhalten optimal, und auch vor Anker liegend wird es fast komplett kompensiert.
Überraschend ist die Wendigkeit der Bonker. In langsamer Fahrt dreht sie auf der Stelle und bei Marschfahrt durchmisst ein Vollkreis enge 1 ½ Bootslängen. Bei diesem Manöver lehnt sich das Boot erst etwas aus der Kurve und kehrt sogleich zum aufrechten Gang zurück.
Der Motorraum auf der Bonker ist eine Augenweide und komplett überall begehbar. Er beinhaltet alles, was das Herz begehrt und der Sicherheit dient. Fast! Denn Wasseralarmsensoren an den umschaltbaren Kraftstofffiltern fehlen. Das erkennt nun auch Yachtdesigner Pieter Beeldsnijder, der sie sofort als dringendes Zubehör ordern will. Seit August 2008 pflügt die Bonker schon durch die Gewässer Europas und auch wenn sie nicht mit den allerneusten Instrumenten auf beiden Fahrständen ausgestattet ist, büßt sie nichts von ihrem Charme ein.
Pieter hat die Bonker mit drei geräumigen und sehr komfortablen Kabinen samt großen Bädern und einem riesigen Salon bestückt. Dieser wird vorn durch eine Pantry und den Innenfahrstand ergänzt. Wer mehr haben will, kann seine Wünsche mit den Gebrüdern Twillert genau besprechen. So lassen sich von der Wasseraufbereitungsanlage bis hin zum Platz für den Motorroller sämtliche Details klären. Dass man für ein Boot im Stil der Bonker etwas mehr auf den Tisch legen muss, ist verständlich. Das Vergnügen beginnt ab rund 1,8 Millionen Euro.
Fazit
Flevo Jachtbouw baut Dickschiff-Träume aus Stahl oder Aluminium. Die Bonker ist für Werft und Designer das Vorzeigeobjekt. Uns gefällt die gesamte Verar-beitung, die Fahreigenschaften sind hervorragend und die Sicherheitsvorkehrungen imposant. Letztlich ein perfektes Boot für Weltenbummler.
Werft: Flevo Jachtbouw
Typbezeichnung: Bonker 66
CE-Kategorie: A - Hochsee
Länge: 19,90 m
Breite: 5,60 m
Verdrängung: 76,00 t
Preis: 1.785.000,00 €