Peter Laessig
· 18.07.2017
Konzept: Frankreich. Rumpfdesign: USA. V8-Motoren: Japan. Heraus kommt ein Familienboot, das es in sich hat.
Cap Camarat heißen bei Jeanneau die Sportboote für Außenbordmotoren. Es gibt sie mit zentralem Steuerstand und rundum offenem Cockpit, als Daycruiser und in der Version mit Sonnendeck über der Kabine vorn, bei der man um den Steuerstand herumlaufen kann. Dann heißen sie WA, Walk Around.
Zwei V8-Außenbordmotoren machen das Familienboot zu einer reinrassigen Fahrmaschine.
Unser Testboot CC 10.5 WA hält sich über Wasser vom Design an die kleineren WA-Schwestern und wartet unter Wasser mit einem Stufenrumpf auf, der eigens für die US-Navy entworfen wurde und erstmals in dieser Serie zum Einsatz kommt. Unter Deck bietet unsere Cap Camarat neben einem separaten Bad eine Pantry und zwei Kabinen mit vier Schlafplätzen für Erwachsene.
Unser Testboot mit der Baunummer eins ist mit zwei 350 PS starken V8-Motoren bestückt, die neben der normalen Steuerung in langsamer Fahrt auch noch mittels Joystick bedient werden können. Dadurch lässt sich das Boot in jedwede Richtung bewegen, was Anlegemanöver zum Kinderspiel macht.
Vollwertige Pantry und großes Bad machen die CC 10.5 WA zum komfortablen Urlaubsboot für vier Personen.
Im Übrigen aber lässt sich die 10.5 WA dank zweier Motoren selbst ohne Joystick im Hafen gut manövrieren. Dort lassen wir beide Maschinen nur bis 800 U/min drehen und während der langsamen Passagen nur bis 1500 U/min, um mit 4 bis 7 kn Fahrt nicht übermäßig Wellen zu erzeugen.
Bei guter Voraussicht geht unser Testboot ab 9 kn (2500 U/min) zügig in Gleitfahrt über, was dank des Stufenrumpfs ohne große Trimmveränderung geschieht. Mit beiden Hebeln auf dem Tisch und wenig Powertrimm loggen sich ohne viel Aufhebens etwas mehr als 48 kn im GPS ein. Die Motoren drehen dabei100 U/min mehr, als der Hersteller erlaubt, was angesichts der geringen Beladung für passende Propeller spricht.
Nach Auswertung unserer Messdaten ermitteln wir für das Testboot einen Drehzahl- und Geschwindigkeitsbereich von 3500 bis 4500 U/min oder 22 bis 35 kn Fahrt, in dem man in Gleitfahrt wirtschaftlich unterwegs ist. Die beiden Tanks reichen dann für einen theoretischen Aktionsradius von 174 sm zuzüglich 15 % Reserve. In langsamer Fahrt kommt man etwa 380 bis 230 sm weit, und bei Vollgas schafft die CC 125 sm plus Reserven. Das sind gute Werte.
Bei immer enger verlaufenden Kurven greifen die Propeller je nach Motortrimm früher oder später ins Leere. Also heißt es entweder Gas wegnehmen oder ganz beitrimmen und beim Herauslenken aus dem engsten Kurvenabschnitt warten, bis beide Propeller wieder greifen. Die Kurvendurchmesser sollten der Geschwindigkeit angepasst sein – aber da man diese gar nicht mitbekommt, sollte man zuvor unbedingt einen Blick auf den Bildschirm werfen. Bis etwa 32 kn lässt sich das Testboot ohne Probleme in alle Richtungen fahren und macht alle Manöver klaglos mit; für die Insassen besteht dabei keinerlei Gefahr.
Ist man schneller unterwegs, unterliegt man spürbar den Gesetzen der Physik, das heißt, der Rumpf hakt ein. Das liegt an den auf allen drei Rumpfsegmenten vorhandenen Gleitstufen, die bis nach unten zum Kiel reichen und bei engen und schnellen Kurvenfahrten das Boot festhalten wollen.
Folglich halten wir uns bei mehr als 32 kn bei den Extremmanövern zurück und fahren keine abrupten Richtungswechsel. Bei hohen Geschwindigkeiten sollte man die CC also mit sensiblen Fingern und voller Konzentration dirigieren. Sie ist ein Familienboot mit den Genen einer Fahrmaschine! Das Verhältnis von 7 kg Netto-Bootsgewicht pro PS findet man schließlich auch bei Rennbooten.
Aber die Stufen haben auch ihr Gutes. Sie lassen das Boot mit zunehmender Geschwindigkeit aus dem Wasser steigen und erlauben bei Wellen, bei denen man mit herkömmlichem, tiefem V-Rumpf mit dem Gashebel zurückzuckt, das Gas stehen zu lassen. Anders ausgedrückt: klasse Rauwasserverhalten.
Der Fahrstand samt den drei Sitzen gefällt. Der Skipper sitzt in der Mitte und hat alles ungestört im Blick und im Griff. Die Armlehnen geben das Gefühl von Schalensitzen. Nur die zum Teil klappbaren Sitzkissen dürften etwas länger sein. Ein Scheibenwischer sorgt auch bei Regen für guten Durchblick.
Die beiden V8-Außenborder hängen ordentlich verbolzt am Heck. Alle Versorgungs- und Steuerungsleitungen laufen in sauber montierten Leerrohren. Die beiden Tanks stecken unter der großen Cockpitbodenklappe und sind vom dortigen Stauraum getrennt. Durch Klappen gelangt man an beide Kraftstoffvorfilter, Abstellhähne und Batterien. Der Bordstrom und der für die Motoren wird über Relais in der Kabine geschaltet, wo auch die Sicherungen untergebracht sind.
Neben elektrischen Pumpen lenzt im Notfall auch eine handbetriebene. Wasser im Cockpit fließt außenbords. Bis auf die zu niedrige Hecktür stimmen die Cockpitinnenmaße. Dass die Badeleiter am Heck unter einem Deckel in der Backbordplattform hervorgeholt werden muss, macht die Handhabung im Wasser nicht einfach; ein Haltegriff ist aber angebracht. Die Seitendecks sind asymmetrisch gestaltet, das an Backbord ist breiter. Reling, Griffe und Handläufe geben guten Halt. Unter der Voraussetzung, dass man vor Manövern die Geschwindigkeitsanzeige im Blick behält, können wir auch die Fahreigenschaften als sicher bezeichnen.
Unter Deck ist die CC 10.5 WA in allen Belangen absolut familientauglich, was auf Boote dieser Art sonst nicht zutrifft. Da passt fast alles für kurze oder lange Törns, und an Stauraum mangelt es im Wohnbereich ebenfalls nicht. Auch auf Deck gibt es keine Probleme. Die Klappsitzbank in den Backbordseitenwand des Cockpits kostet zwar extra, ist aber praktisch. Darüber hinaus muss man das ein oder andere, was Komfort und Sicherheit erhöht, hinzukaufen. So zählen die in Deutschland zugelassenen Navigationslampen sowie Verdeck und Plane oder Echolot zu den Extras; das führt zur Abwertung. Und dass die Scheuerleiste mehr der Zierde als dem Schutz dient, ist dem Design geschuldet.
Fazit
Die wahren Stärken der CC 10.5 WA entdeckt man erst, wenn man die Räumlichkeiten unter Deck sieht oder die Gashebel auf den Tisch legt. Wenige Boote vereinen so gut Familientauglichkeit und sportlichen Anspruch. Aber Achtung: Es handelt sich um eine Fahrmaschine, die im oberen Geschwindigkeitsbereich mit geübten Fingern und voller Aufmerksamkeit dirigiert werden will!
Werft: Jeanneau
Typbezeichnung: Jeanneau CC 10.5 WA
CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 10,57 m
Breite: 3,21 m
Verdrängung: 4,25 t
Preis: 166.199,00 €