NeuheitMehr Effizienz - AB 100 von Waterjets angetrieben

Sören Gehlhaus

 · 05.03.2023

Schnelles Reisen: Edelstahl-Impeller schießen unter Volllast über 1500 Liter Wasser durch drei Waterjets – ohne den Reibungsverlust eines Getriebes. Die AB 100 verbrennt bei 50 Knoten etwa 25 Liter Diesel pro Seemeile
Foto: BEX

Wasserstrahlen können Metall schneiden oder einem 30 Meter langen Komposit-Gleiter zu über 50 Knoten Vmax verhelfen. Dank Waterjets verbraucht die AB 100 mit ansteigender Geschwindigkeit sogar weniger Diesel.

Auf eine Salve von Hup-Tönen folgt schallendes Gelächter im Steuerstand und dem angrenzenden Salon. Besonders groß ist das Grinsen auf dem Gesicht von Gennaro Candida De Matteo. Soeben hat die AB 100 während einer Ausfahrt zum Cannes Yachting Festival das erste Waterjet-Modell aus dem Hause Sanlorenzo, die gleich stark motorisierte SP110 kassiert. Mit knapp 50 Knoten. Candida De Matteo ist ehemaliger Sanlorenzo-Manager und neuer CEO der Next Yacht Group, der Muttergesellschaft von AB Yachts, die zuvor unter dem Gründungsnamen Fipa firmierte und die Marken Maiora und CBI Navi unter einem Dach in Viareggio vereint. AB perfektioniert Modelle von 80 bis 140 Fuß seit drei Jahrzehnten für die Nutzung mit Wasserstrahlantrieben und dominiert die Ranglisten der schnellsten Yachten, die über 24 Meter sind und ohne Turbinen auskommen.

Dabei liegt die Faszination für die italienischen Highspeed-Gleiter nicht nur in hohen Geschwindigkeiten begründet. Pumpen reichen die Leistung der MAN-Diesel von dreimal 1471 Kilowatt ohne Reibungsverlust eines Getriebes weiter und bedienen sich des Elements, das in Hülle und Fülle zur Verfügung steht: Wasser. Es wird an der Rumpfunterseite angesaugt, verdichtet und durch eine Düse nach dem Rückstoßprinzip ausgestoßen. Gelenkt wird über die Austrittsrichtung der beiden äußeren Strahlen. Sie flankieren den Booster, der sich ab 600 Umdrehungen pro Minute einschaltet. AB-Verkäufer Rudolf Berglehner klärt auf: „Bei langsamer Fahrt von Bucht zu Bucht laufen nur zwei Motoren, für Seekomfort sorgt dann der Seakeeper.“ Der in der Toskana lebende Deutsche ergänzt: „Die Common-Rail-Technik hat den Betrieb von Waterjets bedeutend einfacher und effizienter gemacht.“

Die ungeahnte Effizienz-Sphäre von Waterjets

Waterjet-Formate brillieren nicht nur in Sprints, auch das Abstoppen gelingt in Bestzeit und dank Schubumkehrschaufel in nur wenigen Yachtlängen. Sogar unter Volllast. Dann setzt sich eine Haube mit 90-Grad-Krümmung vor den Strahl und lenkt ihn in Richtung Bug. Der Werftkapitän hat längst nicht alle Elemente der Messe-Choreografie ausgeschöpft. Es geht aus dem Stand in den Vollkreis, was sich wie ein Donut mit einem Jetski anfühlt. Er vollführt Slides oder lenkt mit über 40 Knoten hart ein. Stets fühlt man sich sicher, auch wenn der sorgenvolle Blick anfangs auf zwei Couchtische fällt, die scharfkantige Ringe umgeben. Nun gut, wer beim Highspeed-­Turn in der Salonmitte weilt, sollte sich auf eine Rutschpartie einstellen – in einer luftig-industriellen Apartmentumgebung mit frei stehendem Mobiliar und einem einzelnen festen Sideboard.

Diese zweite AB 100 trägt den Zusatz „Elegance“ in roségoldenen Lettern auf dem Spiegel. Das entspricht nicht dem Yachtnamen, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass dieses Modell ohne Eigner als Vorführmodell entstand. Deutlich wird das auf dem Unterdeck mittschiffs in der Eignerkabine. Die graue Alcantara-Auskleidung an Wänden und Decken erinnert an Sportwagen und wird von cognacfarbenen Lederbezügen der Einbaumöbel akzentuiert. Rudolf Berglehner antwortet auf die erstaunten Blicke: „Ich kann jeden verstehen, dem es zu dunkel ist. Ich betreue gerade den Bau für einen Kunden, der alles weiß haben möchte.“ Über dem Bett prangt der Spruch „Art is Life“, den senkrecht in der Wand steckende Kunststoffrohre formen.

Aufwendiges Interior für AB Yachts

Im Werftauftrag gestaltete Marco Casamonti von Archea das Innenleben. Die Wahl fiel nicht von ungefähr auf das von ihm mitgegründete Florentiner Architekturstudio, das global agiert und auch Hotelprojekte der GB Invest Holding, des neuen Hauptanteilseigners der Next Yacht Group, betreut. Dazu zählen das Principe di Piemonte und Excelsior in Viareggio. Berglehner deutet in der VIP-Kabine an Backbord auf den Fernseher hinter dem Spiegel und betont: „Wir wollten ein für AB Yachts neues Interior zeigen, das sehr aufwendig ausgestattet ist. Generell können alle Materialien geändert werden.“

Zwei Doppelkabinen stehen sich mittschiffs gegenüber, jeweils mit Einzelbetten und in den Fensterkeilen mit Bullaugen, die sich zur Entlastung der Klimaanlage öffnen lassen. Die Bäder zieren Corian-Oberflächen und Armaturen in Roségold. Die Entscheidung für Quarz-Komposit und eine Absage an Marmor versteht sich von selbst: „Alles muss extrem leicht sein. Wenn man das Gewicht nicht einhält, ändert sich die Performance. Eine Tonne mehr Gewicht bedeutet einen Knoten weniger Speed.“ Die AB 100 hängt mit 90 Tonnen am Kran und wiegt damit 23 Tonnen weniger als die 2,50 Meter längere SP110. In der AB-Fertigung in Massa bilden Schaumkerne die Grundlagen der Einbaumöbel und Verkleidungen, die wiederum Kompositlagen und Furniere umschließen. In Verdrängerfahrt sind kaum Geräusche oder Vibrationen zu vernehmen. „Durch die hohen Geschwindigkeiten wirken große Kräfte und Verwindungen auf den Rumpf. Die Kabinen stehen auf federnden Fundamenten“, so Berglehner über die Kompositschale, die in Sandwich- und Vakuumtechnik mit Kohlefaserverstärkungen entsteht.

Waterjets bringen Vorteile mit sich

Die Liste der Waterjet-Vorteile lässt sich – und da staunt manch einer – in gewisser Weise auch auf den Verbrauch ausweiten. Denn pro zurückgelegter Strecke ist dieser unschlagbar. Die Kombination aus Strahlantrieb und einem Tiefgang von nur 1,30 Metern ergibt bei hohen Geschwindigkeiten einen bestmöglichen Wirkungsgrad und damit einen scheinbaren Widerspruch: Bei 50 Knoten verbrennt die AB 100 mit 25 Litern Diesel pro Seemeile nämlich etwa vier Liter weniger als bei 25 Knoten. Auch wenn es theoretisch mit 44 Knoten in knapp drei Stunden von Saint-Tropez nach Portofino gehen könnte, betrug der Gesamtverbrauch während der Probefahrt dann doch stolze 900 Liter – bezogen auf eine stündliche Kraftstoffentnahme. Im Spiegelausschnitt der AB 100 sitzen Aggregate von Marine Jet Power, die ihre Impeller aus Edelstahl fertigen. Und die zerkleinern laut dem schwedischen Hersteller sogar kleine Steine oder Sandkörner, sollten diese mit den jeweils über 500 Litern Wasser in die drei Ansaugtunnel geraten.

Transformer-Heck für spektakuläre Beibootwasserungen

Langstrecken-Effizienz entwickeln Yachten mit Waterjet-Antrieben nicht ohne Weiteres, der gesamte Rumpf muss darauf abgestimmt sein. Keiner weiß das besser als Marco Arnaboldi, der AB Yachts 1992 mitgründete, nach dem Verkauf 2001 an Fipa technischer Leiter wurde und seit zwölf Jahren sein eigenes Konstruktionsbüro in Viareggio betreibt. Natürlich entwickelt sein Studio die AB-Modelle auch abseits des Erfolgs-Antriebs konstruktiv weiter. So zeigt die 100 achtern ein Strandareal mit Sitzgelegenheit in Richtung See, hinter der sich nicht einfach nur eine Lazarettentür öffnet. Zur Wasserung des Tenders fährt die Badeplattform mittig und mitsamt Heckwand einen guten Meter nach achtern und oben.

Wer AB Yachts sagt, muss seit jeher auch Speed und nun zudem Innovation und Expansion sagen. Jüngst wurde die Fertigung in Massa und das Portfolio um die 120 Beach erweitert.


Technische Daten

  • Werft: AB Yachts, 2022
  • Länge über alles: 30,50 m
  • Breite: 6,80 m
  • Tiefgang: 1,30 m
  • Verdrängung (voll): 90 t
  • Material: GFK/CFK
  • Motoren: 3 x MAN V12 mod.
  • Motorleistung: 3 x 1471 kW
  • Waterjets: 3 x Marine Jet Power
  • Geschwindigkeit (max.): +50 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 44 kn
  • Reichweite @ 44 Knoten: 550 sm
  • Kraftstoff: 11 300 l
  • Wasser: 2000 l
  • Kreiselstabilisator: Seakeeper 26
  • Gäste: 9
  • Crew: 4
  • Konstruktion: Studio Arnaboldi
  • Exteriordesign: AB Yachts
  • Interiordesign: Marco Casamonti
  • Klasse: CE „A“, RINA C
Hebebühne: Die Badeplattform fährt gut einen Meter hoch und öffnet dem 4,50-Meter-Tender das Tor, wird zum Sprungturm oder zu einer elevierten Sitzfläche.
Hebebühne: Die Badeplattform fährt gut einen Meter hoch und öffnet dem 4,50-Meter-Tender das Tor, wird zum Sprungturm oder zu einer elevierten Sitzfläche.
Hauptdeck: Hier ist das Salonlayout mit stärker voneinander abgetrennten Bereichen zu sehen. 
Der Steuerstand ist zu beiden Seiten offen.
Hauptdeck: Hier ist das Salonlayout mit stärker voneinander abgetrennten Bereichen zu sehen. Der Steuerstand ist zu beiden Seiten offen.
Unterdeck: Eine der Doppelkabinen verfügt über ein Pullmanbett. Dahinter die Mastersuite, zuvor die VIP-Kabine und die Crew-Unterkünfte.
Unterdeck: Eine der Doppelkabinen verfügt über ein Pullmanbett. Dahinter die Mastersuite, zuvor die VIP-Kabine und die Crew-Unterkünfte.

Auch interessant: