Amels 60„Come Together“ von Espen Øino mit Hybridantrieb kreiert

Sören Gehlhaus

 · 29.04.2023

Starke Dynamik: Geräteträger und Fenster in Trapezform erzeugen die markante Optik. Die Amels 60 bauen die Niederländer auch mit durchlaufendem Rumpfausschnitt
Foto: Tom van Oossanen (Exterior), Winch Design

Mit der Amels 60 hält der Hybridantrieb Einzug in die Limited Editions. Tim Heywood übergab das Design-Zepter an Espen Øino, der von kurvig auf kantig umstellte. Das Interior von Winch Design ist reich und leger.

Das Plattform-Geschäft ist ein höchst einträgliches für Amels. Es wirbt mit minimal anpassbarem Exterior und einer durchgerechneten Konstruktion um Eigner, die sich innen maximal einbringen können. Kunden erhalten eine fair ausgepreiste Yacht von hohem, gleichbleibendem Standard, die schnell geliefert wird; meist legt Amels je ein Modell ohne Eigner auf Kiel, um Wartezeiten zu verkürzen. Limited Editions nennen die Niederländer das Konzept.

Nun vollzog man mit der Amels 60 erstmals einen Gestalterwechsel. Wer wissen will, woran die Design-Zäsur festzumachen ist, begibt sich auf das Sonnendeck des 60 Meter langen Stahl-Alu-Baus. Zu den Seiten spendierte Tim Heywood der inoffiziellen Vorgängerin, der 25-mal gebauten 180 respektive 171, einen wellenförmigen Windschutz. Espen Øino wählte nun einen trapezförmigen Verlauf. Kanten statt Kurven. Durch die neuen Scheiben wirkt eine 180 auf dem Nachbarliegeplatz wie ein Winzling. Dabei kommt „Come Together“ auf genauso viele Decks, allerdings mit mehr Luft dazwischen. Bezogen auf die Kubatur ergibt sich ein Mehr an Volumen von 160 Gross Tons – was dennoch nicht viel ist, wenn man die fünf Meter Längenunterschied und die fortschreitende Voluminisierung von Yachten bedenkt. Und genau hierin liegt der größte Verdienst von Øinos Entwurf: Der neuesten Limited Editions-Kreation sieht man ihre stattliche Höhe nicht an.

Besondere Ausmaße: Neuen Meter langer Tender an Bord

Hier oben bezieht sich der neue Freiraum auch auf die Breite. Den Geräteträger stützen nicht wie auf der 180 dicke Beine im Stile einer Jeff-Koons-Kreatur, Øino lässt die Tafel für 14 Personen von Sitzbänken flankieren. Das Plateau geriet sogar so luftig, dass eine nachträglich installierte Glasschiebetür nach vorn zum rechteckigen Jacuzzi hin abschottet. „Bei abendlichen Dinners war der Tunneleffekt einfach zu stark“, berichtet Kapitän Dan Khedun, der viel Erfahrung auf Yachten von Amels gesammelt hat. An der vorderen Stirnseite landen bei abgeklappter Reling bis zu drei Tonnen schwere Helikopter. Beim Blick auf das Vordeck zeigen sich zwei Jetskis und Tender, die offen gelagert und per Kran gewassert werden. So wird bis zur 74 Meter langen Amels 242 verfahren. Auf der Amels 60 steht der Lagerbock an Backbord besonders nah am Schanzkleid, ein neun Meter langer Tender der Yachtwerft Meyer parkt hier. „Keine andere 60-Meter-Yacht hat ein Beiboot dieser Ausmaße“, ist Khedun sich sicher. „Der Tender ist so groß, dass auch bei Transfers in rauer See keiner nass wird.“

Der neue Stern in Amels’ Semi-Custom-Imperium

Amels ist der erfolgreichste Player auf dem Markt der über 55 Meter langen Semi-Custom-Formate. Die Yachtbauer gingen 1982 aus dem familiengeführten Schiffbauriesen Damen Shipyards hervor und wasserten 2007 mit der 171 ihre erste Limited Editions, die im Heck verlängert jetzt als 180 bekannt ist. Die Idee zum Plattformkonzept kam Kommer Damen, mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender der Werften-Gruppe, die schiffbauliche Prozesse im kommerziellen Sektor bereits seit den 60er-Jahren standardisiert. Von Heywoods gestalteter Amels 242 schwimmen bereits sieben Einheiten, eine weitere befindet sich im Bau. Mit der Amels 80, wieder aus den Rechnern von Espen Øino International, schickt sich ein 80-Meter-Modell an, die Besteller-Tradition fortzuführen. An zwei Rümpfen wird schon geschweißt.

Limited Editions machen immer auch praktische Details aus wie die breiten Laufdecks, von denen es backbords auf dem Brückendeck direkt in eine Tagestoilette geht. Anders als auf der 180 verschwinden die Rettungsinseln auf „Come Together“ hinter Klappen in den Aufbauten. Øino zähmt den erstmals steil-diagonalen Steven durch den negativen Sprung des Vordecks, wodurch der Bug niedriger liegt und weniger einschüchternd wirkt. Die Seegängigkeit beeinträchtigt das laut Kapitän Khedun nicht: „Durch die Bugform schlägt der Rumpf überhaupt nicht. Das Vordeck wird bei Wellen nicht so stark geflutet wie auf der 180.“

Ein typischer Øino-Entwurf mit Ecken und Kanten

Espen Øino sagt über den Designprozess der Amels 60: „Es war etwas anders, da man nicht für einen einzelnen Eigner entwirft, sondern für eine ganze Gruppe potenzieller Kunden. Daher ist eine gründliche Marktforschung darüber, was diese Zielgruppe sucht, von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des gesamten Projekts.“ Das Büro des Norwegers, das am Kopf des nördlichen Piers von Monacos Port Hercule liegt, arbeitete bisher vornehmlich an maßgeschneiderten Yachten. „Man darf nicht zu verrückt denken, weil man versucht, den maximalen Prozentsatz an Leuten zu erreichen. Gleichzeitig muss es ein bisschen anders aussehen – es darf nicht einfach ein weiteres Boot sein. Das ist ein schmaler Grat.“

So verwundert es nicht, dass sein Entwurf auch auf Rundungen vertraut. Den größten Bogen schlägt die Brücken-Nock, ein Detail, auf das bereits Tim Heywood großen Wert legte. Eine Art Signet der Limited Editions. Blickfang aus der Distanz sind die trapezförmigen Fenster im vorderen Bereich des Hauptdecks und der diagonale Abfall der Deckslinie auf Höhe des Salons. Neu gedacht ist das offene Heck mit einem nahtlosen Übergang vom Hauptdeck zur Badeplattform, die man eher auf Formaten von 80 Metern Länge findet, so Khedun. Eine individuelle Note verlieh der ursprüngliche Auftraggeber über die Farbgebung in Kieselgrau-Metallic.

Der Ersteigner von „Here Comes The Sun“ orderte mit „Come Together“ erneut eine „Beatles-Amels“ und vollzog einen Wechsel von 83 auf 60 Meter und von Custom zu Semi-Custom. Allerdings verkaufte er wenige Monate vor dem geplanten Stapellauf. Eine Entwicklung, von der das fertiggestellte Winch-Interior nahezu unberührt blieb. Es wirkt so, als wäre die Vielfalt natürlicher Materialen, außergewöhnlicher Veredelungen und Oberflächen eine direkte Folge aus den eingeschränkten Möglichkeiten der „Einheitsfassade“. Das Londoner Designbüro, das in 25 Jahren Zusammenarbeit mit Amels bereits 20 Projekte realisierte, ist der perfekte Partner, weil Winch bewusst auf einen Signature-Stil verzichtet. Jim Dixon, Director Yachts & Aviation, führt aus: „Wir haben größtenteils reine und natürliche Materialien verwendet, um die entspannte Atmosphäre eines ,Hauses am Strand‘ zu unterstreichen. Steine und Hölzer mit interessanten Oberflächenschichten schaffen einzigartige und fühlbare Oberflächen.“

Reiches, nicht aufdringliches Interior von Winch

Das schafft eine Opulenz, die sich nicht aufdrängt und der ein klassisches Layout gegenübersteht, das privat und im Charter funktioniert. Dem Trend zum dedizierten Eignerdeck wird nicht gefolgt, Primary-Gäste residieren wie gehabt in einer Suite auf dem vorderen Hauptdeck. Auf dem Boden, den Wänden und Möbeln liegt mattes Eichenholzfurnier mit angenehmer, weil nicht immer homogener Wellenfaserung. Die lederverkleidete Decke durchbrechen zwei Paneele mit dichtem Rosshaar, sogar über dem Bett. Der als Füllung von Autositzen bekannte Rohstoff erfordert besondere Zuwendung. „Die Haare wurden mit einem Trimmer gestutzt und müssen von Zeit zu Zeit gekämmt werden“, klärt Khedun auf und weist auf die indirekt ausgeleuchtete Aalhaut an der Wand hinter dem Schreibtisch hin. Das weinrote Fischleder wirkt noch vordergründiger, weil die Dekoration zurückhaltend ist und aufgrund des abrupten Eignerwechsels kaum Kunst hängt. An Steuerbord klappt die Bordwand zu einem Balkon ab, etwa für den Kaffee am Morgen. Die Ankleide rahmen Bäder ein, die Waschtische aus Portoro-Marmor mit einem Becken aus gehämmerter Bronze und Messingarmaturen optisch bestimmen.

Nach achtern schließen sich steuerbords die Galley und gegenüber eine VIP-Suite an, die von der Crew ob der eigentlichen Ausrichtung des Ersteigners Madame-Kabine genannt wird. Für das Fußende baute List GC einen TV-Schrank, den eine Steinplatte mit einzigartiger Muscheloberfläche toppt. Die österreichischen Innenausbauer setzten die Winch-Ideen auf einer Fläche von 400 Quadratmetern in die Praxis um. Durch das Treppenhaus ziehen sich eine Helix-Skulptur aus Walnussholzstäben und eine Ornament-gefräste Holzverkleidung. Die endlos erscheinende Materialliste umfasst Perlmutt, Angel-Hair-Quarz und Seidenteppiche.

Basis der Amels 60 wird kontinuierlich verfeinert

Achtern im Salon besteht die Oberfläche des Esstisches aus fast 100 Furnierblättern. Hieran nehmen bis zu acht Personen Platz, die weiteren Speise-Optionen liegen an der frischen Luft. Khedun verweist darauf, dass auf dem Brückendeck achtern gern gefrühstückt wird. Allerdings musste auch hier an den Seiten jeweils ein Windschutz im Nachhinein angebracht werden. Darin kommt ein Vorteil des Plattformkonzepts zum Vorschein: Die Basis wird kontinuierlich verfeinert. In den Oberdecksalon locken eine Bar aus Golden-Spider-Marmor, ein von Hull Studio aus London gefertigter Spieltisch und eine Gitarre – ein Hinweis darauf, dass der Spontankäufer nicht nur den Yachtnamen übernahm.

Bei voller Charter-Auslastung umhegen 14 Crewmitglieder bis zu zwölf Gäste, die Y.CO für eine Woche auf „Come Together“ 450 000 Euro überweisen. Zwischen Ablieferung im Juni und September war der Eigner für drei Wochen an Bord, danach gab es drei Charterreisen mit jüngeren Gästen. Die seien zwar aktiver, aber weniger fordernd. „Es gibt mehr Interaktion, die Leute sind freundlicher“, freut sich Khedun. „Es geht weg vom Sieben-Gänge-Menü und hin zu familienorientiertem Service mit authentischen Speisen, etwa von lokalen Fischern.“

Die Serie vertraut auf flexibel-effizienten Hybridantrieb

Der Kapitän berichtet im Motorenraum, dass Chartergäste von den Kraftstoffkosten positiv überrascht waren. Die Amels 60 treibt standardmäßig ein hybrides Propulsionspaket an, das maximal 15,5 Knoten und bei 13 Knoten 4500 Seemeilen lange Nonstop-Fahrten ermöglicht. Das System besteht aus zwei Hauptantriebsmotoren von MTU mit jeweils 1080 Kilowatt Leistung und je zwei Wellen- sowie Dieselgeneratoren. Dan Khedun: „Am meisten nutzen wir den Wellengenerator-Modus. Ab ungefähr zehn Knoten reicht die Last aus, um genug Strom erzeugen und die Dieselgeneratoren ruhen lassen zu können. Das bietet sich auf langen Passagen ab zwei Stunden an und deckt den Betrieb der Wäscherei, Klimaanlage, Beleuchtung und Galley ab. Wenn die Belastung zu groß wird, übernehmen Batterien Teile der Hotelfunktion.“ Letztere lagern unter der Badeplattform und können nicht den Antrieb stemmen. Dennoch werden Buchten bei schlafenden Antriebsaggregaten und aktiven 250-Kilowatt-Generatoren von Scania mit bis zu sieben Knoten vibrations- und geräuscharm durchquert.

65,95 Millionen Euro für die „Come Together“

Es verwundert nicht, dass die Amels 60 auch jene Eigner anspricht, die zuvor Einzelbauten besaßen. Mit dem Launch der zweiten 60 stellte sich heraus, dass die Möglichkeiten der Exterior-Adaption doch größer sind als vermutet. So erhielt „Entourage“ statt der großen Rumpffenster in Trapezform ein scheinbar durchgängiges Glasband. Die Niederländer bauen an drei weiteren Einheiten, alle bereits verkauft. Interessenten müssen derzeit zweieinhalb Jahre warten oder „Come Together“ für 65,95 Millionen Euro erwerben. Der Broker Y.CO senkte den Preis jüngst um stattliche 3,5 Millionen Euro.


Technische Daten

  • Länge über alles: 60,00 m
  • Länge Wasserlinie: 58,36 m
  • Breite: 10,40 m
  • Tiefgang: 3,35 m
  • Gross Tonnage: 830 GT
  • Material: Stahl, Alu
  • Motoren: 2 x MTU 12V 2000 M72
  • Motorleistung: 2 x 1080 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 15,5 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 13 kn
  • Reichweite: 4500 sm
  • Generatoren: 2 x Scania 250 kW
  • Kraftstoff: 122 000 l
  • Wasser: 2500 l
  • Konstruktion: Damen Yachting
  • Exteriordesign: Espen Øino International
  • Interiordesign: Winch Design
  • Werft: Amels, 2022
  • Preis: 65,95 Mio. Euro
  • Charterrate pro Woche: ab 450 000 Euro
  • Broker: Y.CO
Oberdeck: Hier übernachtet nur der Kapitän. Dinette und Büro vervollständigen den vorderen  Crewbereich
Oberdeck: Hier übernachtet nur der Kapitän. Dinette und Büro vervollständigen den vorderen Crewbereich
Hauptdeck: Die Mastersuite ist klassisch verortet, steuerbords dahinter  allerdings eine 
zusätzliche Kabine
Hauptdeck: Die Mastersuite ist klassisch verortet, steuerbords dahinter allerdings eine zusätzliche Kabine
Unterdeck: Aus den vier Doppelkabinen geht es direkt in das Gym, den Spa oder Beachclub. Der große Motorenraum liegt mittschiffs
Unterdeck: Aus den vier Doppelkabinen geht es direkt in das Gym, den Spa oder Beachclub. Der große Motorenraum liegt mittschiffs

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