Johannes Erdmann
· 29.11.2020
Bis die Säge uns scheidet: Ein GFK-Boot kann viele Jahrzehnte Freude bereiten. Doch es loszuwerden ist gar nicht einfach
Im Leben eines Bootseigners gibt es sprichwörtlich zwei besonders schöne Tage: Den Tag, an dem er sein neues Boot übernimmt – und den Tag, an dem er es wieder loswird.
Denn der Wiederverkauf ist häufig gar nicht so einfach. Sei es durch das große Marktangebot, zu hohe Preiserwartungen – oder die Tatsache, dass ein Boot zu alt und zu reparaturbedürftig ist, um einen Kaufinteressenten anzulocken. Hat sich ein Boot als unverkäuflich herausgestellt und geht es nur darum, es abzustoßen, gibt es verschiedene Taktiken. Durch eine Online-Annonce könnte es dann für einen symbolischen Preis – oder aber sogar gratis – einen neuen Eigner finden, der das Boot abtransportiert und dem Eigner die Belastung durch Liegekosten abnimmt.
Als die ersten GFK-Schiffe auf den Markt kamen, waren erfahrene Bootsbauer sehr skeptisch und sagten ihnen eine Lebensdauer von maximal 20 Jahren voraus. Mittlerweile sind die ältesten GFK-Serienboote 65 Jahre alt. Der Werkstoff hat sich als haltbarer herausgestellt als erwartet. Zumindest die GFK-Rümpfe. Doch Optik und Technik altern, bis irgendwann ein Refit nötig ist, das sich häufig aber wirtschaftlich nicht rechnet. Ist dann auch noch der Sandwich-Kern feucht oder sind Holzteile rott, dann liegt dort am Steg irgendwann nicht mehr ein Boot, sondern schwimmender Sondermüll, der sich gar nicht so einfach entsorgen lässt.
Unser BOOTE-Testboot erlebte ein ähnliches Schicksal: Jahrelang wurde die FourWinns Horizon 180 für Tests genutzt und landete vor fast zehn Jahren auf einem Stellplatz hinter der Werfthalle, wo sie langsam in die natürliche Vegetation überging. Nun wurde es Zeit, das Boot loszuwerden. Nach Ausbau des Motors und der Sitze vor vielen Jahren handelte es sich aber nur noch um ein Kasko, das niemand zu seinem Projektboot machen wollte.
Die Suche nach einem Entsorger gestaltete sich als kompliziert. Immer wieder stießen wir auf Angebote im Internet, die sich nach mehreren Rückfragen jedoch als wenig seriös entpuppten. Schließlich sollte das Boot ordnungsgemäß entsorgt werden – und nicht nach Zahlung der Entsorgungsgebühren an einen Dienstleister doch irgendwo auf dem Acker landen.
Den Artikel "Bis die Säge uns scheidet" finden Sie in BOOTE-Ausgabe 12/2020 seit dem 18.10.2020 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.
Im Internet stoßen wir auf die Firma AES-Abwrackung (www.aes-abwrackung.de) mit Hauptsitz in Berlin. Nach einer kurzen Beschreibung und einigen Bildern bekommen wir einen Kostenvoranschlag für die Entsorgung über 650 Euro.
Am abgemachten Datum steht das zweiköpfige Abwrackteam morgens um acht Uhr im Hafen. Der mitgebrachte Anhänger wirkt klein, soll aber reichen, denn unser Boot wird vor Ort zerschnitten, was den ganzen Tag dauern soll. "Das Zerlegen vor Ort ist immer die billigste Lösung", erklärt Herr Kremer von AES-Entsorgung. "Das versuchen wir immer, wenn es vom Platz und unter Einhaltung der Auflagen möglich ist. Ansonsten müssen wir das Boot erst abtransportieren, um es auf unserem Gelände zu zerschneiden. Das schafft natürlich zusätzliche Kosten."
In den Gelben Sack kann das Material danach natürlich nicht. "GFK ist Sondermüll", sagt Kremer. Das Problem bei Glasfaserverstärktem Kunststoff liegt darin, dass sich die Bestandteile – Harz und Glasfasern – nicht mehr trennen und recyceln lassen. Auch der Brennwert ist äußerst schlecht, und es verbrennt mit hohem Aschegehalt und vielen Rückständen. Es gibt jedoch Firmen, die die Platten mechanisch zerkleinern, um sie im Zementwerk als Kohle-Substitut zu nutzen oder klein gemahlen unter den Sand zu mischen. Doch der Großteil der GFK-Teile wird jedoch schlicht verbrannt. "Dafür muss es vor dem Antransport in Meterstücke zerlegt werden", so Kremer.
Zunächst werden bei unserer FourWinns alle Fremdstoffe entfernt, etwa die Scheuerleiste und die Rahmen der Windschutzscheiben abgeschraubt. Viel ist ja an dem Kasko nicht mehr vorhanden. Dann schneidet das Team mit einem elektrischen Fuchsschwanz zunächst eine Öffnung in das Heck, um von dort besser arbeiten zu können. Als Nächtes werden Spiegel und Bug abgetrennt. Knapp über der Kimmkante lassen sich anschließend die Bordwände abtrennen. Am Ende kommt das Unterwasserschiff dran.
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Doch die FourWinns ist stabil. Ein Sägeblatt nach dem anderen wird stumpf und muss ausgetauscht werden, Sägeblätter für gut 100 Euro. "Das kann man vorher schlecht einschätzen", sagt Kremer. Am Vortag haben sie ein rottes Holzboot mit GFK-Überzug abgewrackt. "Da gingen die Blätter durch wie durch Butter."
Wir wollen wissen, was es grundsätzlich kosten würde, ein vollständiges 10-Meter-Boot abzuwracken. "Ich schätze, etwa 2000 bis 3000 Euro", antwortet Kremer, ordnet aber ein: "Das kann man pauschal kaum voraussagen, weil es von vielen Faktoren abhängt. Beispielsweise ob es zunächst abtransportiert werden muss. Die Preise für die GFK-Entsorgung variieren auch von Ort zu Ort und Tag zu Tag, ählich wie der Schrottpreis."
Im Moment kostet die Tonne GFK gut 400 Euro. "Das Boot muss zudem in alle Bestandteile zerlegt werden: Die Maschine raus, der Tank entleert und gereinigt werden, die Dämmung und Holzteile entfernt. Alles muss einzeln entsorgt werden." Eine mühselige Aufgabe, die viel Arbeitszeit kostet. Dafür können schnell zwei oder drei Tage nötig werden. "Natürlich versuchen wir aber auch durch Teileverwertung ein wenig Geld zu verdienen und die Entsorgungskosten niedriger zu halten. Doch in der Praxis ist das nicht einfach, weil viele Teile nur schwer oder gar nicht an den Mann zu bringen sind."
Die Entsorgung eines Boots ist also ein Problem, das mit der wachsenden Zahl von Neubooten immer größer werden wird. Nicht ohne Grund befassen sich seit vielen Jahren auch unsere europäischen Nachbarländer damit. Der französische Verband der Wassersportwirtschaft (FIN) hat die Organisation APER als Zusammenschluss aus Bootswerften und -importeuren ins Leben gerufen, die sich nun seit 2019 auch mit der Entsorgung von GFK-Booten beschäftigt. Einer Studie zufolge soll es allein in Frankreich bis zu 50000 ungenutzte Boote geben, 70 Prozent Motorboote. Bis 2024 sollen 25000 Boote entsorgt werden. Die Kosten dafür werden durch die Beiträge der Mitgliedsfirmen der APER getragen und zusätzlich durch einen Teil der in Frankreich erhobenen Bootssteuer subventioniert. Der Besitzer kann sein Schiff über ein Online-Formular zur Entsorgung anmelden und muss lediglich die Transportkosten zahlen. Eine gute Lösung, die hierzulande jedoch nicht in Aussicht ist. Wer einen Tag lang miterlebt, wie mühsam es ist, ein nur sechs Meter langes GFK-Boot zu zerlegen, der versteht, weshalb es nicht ganz billig ist.