

Portät
Moderne Nostalgiker
Alveus nannten die alten Römer ein Schiff, wenn sie poetisch veranlagt waren. Hilmar Dembler-Malik und Fritz Müller haben ihre Werft auf diesen Namen getauft. In Potsdam-Babelsberg prangt er auf einem Schild über ihrem Hallentor.
Drinnen heißen die beiden Bootsbauer mit festem Händedruck willkommen. Hinter ihnen stehen drei Patienten in unterschiedlichsten Zuständen, Schmuckstücke, deren bloße Anwesenheit belegt, dass die zwei Holzbootsbauer großes Vertrauen genießen.
Darunter ein Riva-ähnliches Motorboot aus glänzend lackiertem Mahagoni, eine Pinin, Typ Super Tequila. Die bekam hier schon vor einem Jahr eine komplett neue Beplankung im Unterwasserbereich.
"Unser Herz schlägt für die Klassiker", sagt Müller und führt weiter durch die Halle.
Dass sie so schnell zur Anlaufstelle für die Szene werden, davon haben die zwei Freunde vor drei Jahren, als sie Geschäftspartner wurden, noch geträumt. Kennengelernt haben sie sich in der Lehre. Auf der Bootswerft Steinlechner, wo neben den Arbeiten an modernen Yachten und Jollen auch das traditionelle Handwerk betrieben wird.
"Wir beide haben da viel an den alten Holzbooten gearbeitet", sagt Müller, und Dembler-Malik erzählt, dass er zu Beginn des zweiten Lehrjahrs sogar selbst eins gebaut hat. "Da gab es einen alten Kahn, und der war fertig", erinnert er sich. Der Seniorchef habe gesagt: "Miss aus, zeichne neu und leg los!" Also habe er sich vor das Börms-Lehrheft gesetzt und erst mal verstehen gelernt, wie so ein Linienriss überhaupt funktioniert. "Und dann habe ich nach den eigenen Zeichnungen das Boot gebaut."
Zum Bootsbau kamen beide, weil sie schon mit Booten aufgewachsen sind. "Mein Großvater hat Boote selber gebaut und restauriert", sagt Dembler-Malik und dass er dabei gern geholfen hat und schon bald wusste, dass er in einem traditionellen Bootsbaubetrieb lernen will. Doch in Berlin sind die Ausbildungsplätze rar, und weil er die Berge mag, findet er den Weg an den Ammersee, wo Müller damals schon lernt.
Aus der gemeinsamen Arbeit an den Klassikern wird schnell eine echte Freundschaft. "Für mich war am Ende der Lehrzeit aber klar, dass der Weg zurück nach Berlin führt", erinnert sich Dembler-Malik. "Und Fritz hat damals gesagt, da kommt er mit."
In der Hauptstadt angekommen, teilen sie sich auf. Während Müller im Meisterkurs sitzt, beginnt Dembler-Malik mit der Akquise. Doch das mobile Handwerk ist ein schwieriges Geschäft. Wenn die Boote der Kunden im Freilager stehen, sind die Arbeitsbedingungen witterungsabhängig. Stehen sie in der Halle, ist es dort oft staubig oder ungeheizt. Irgendein Werkzeug fehlt immer im Werkstattwagen und Material sowieso. Also machen sich die Handwerker auf die Suche nach Räumlichkeiten.
Im frisch errichteten Handwerker- und Gewerbehof Babelsberg werden sie schließlich fündig und können gleich zwei nebeneinanderliegende Hallen mieten. Im November 2016 kann die "Alveus Bootsbau GmbH" einziehen und den Handwerksbetrieb aufnehmen.
Heute haben sie genug zu tun. Acht vollständige Restaurierungsprojekte sind bereits auf der Internetseite (http://www.alveus-bootsbau.de) dokumentiert. Die Philosophie der Überzeugungstäter scheint anzukommen.
"Wir sind der Überzeugung, dass man alten Booten möglichst viel ihrer Originalsubstanz belassen sollte", sagt Müller, denn wenn zu viel auf einmal ausgetauscht werde, komme zu viel von der Seele eines Boots abhanden.
Diesen Artikel finden Sie in der Oktober-Ausgabe von BOOTE. Hier erhältlich.
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