Ralf Marquard
· 16.07.2022
Für Buten und Binnen: Suzuki DF15 und Torqeedo Travel 1103 C – wir fuhren beide Außenbordmotoren an einem Angelboot der dänischen Poca-Werft
Anfang des Jahres schrieb mir die Firma Rosenkranz, dass sie gern Boote mit uns testen möchte. Im anschließenden Telefongespräch stellte sich dann heraus, dass sie an ihr zweitkleinstes Modell, die Poca 475, einen Elektromotor installieren würden – aber nicht nur den Elektromotor, sondern auch den normalen Verbrenner-Außenborder liefern könnten. Schon war die Idee zum Vergleich geboren. Ein nicht ganz fairer allerdings, denn der 15-PS-Suzuki hat natürlich wesentlich mehr Power als der Torqeedo Travel 1103 C, der laut Hersteller einen 3-PS-Verbrennungsmotor ersetzt.
Aber zunächst zum Testboot: Die Poca 475 ist ein Angelboot, das auch für Badeausflüge und Entdeckungstouren taugt, und das laut CE-Plakette mit bis zu vier Personen an Bord. Sie ist komplett offen und mit Heck-, Seiten-, Bug- und Ruderbank ausgerüstet. Letztere ist natürlich bei Motorproblemen ein Plus, denn man kann das Boot von hier aus noch mithilfe von Riemen in stabilen Dollen rudern. Die Bänke habe keine Polster, sondern sind mit einer Antislipstruktur versehen. Unter den Bänken findet man reichlich Staumöglichkeiten. Unter der Heckbank steht bei Suzuki-Motorisierung der Tank, er ist jedoch nicht mit einem Gurt oder Ähnlichem gesichert. Der Cockpitboden hat ebenfalls eine wirksame Antislipstruktur, darunter sind die Hohlräume ausgeschäumt und machen das Boot laut Werft unsinkbar. Haltegriffe gibt es in ausreichender Zahl innen liegend an den Bänken. Eine serienmäßige Badeleiter erleichtert den Ein- und vor allem den Ausstieg aus dem Wasser. Drei solide Klampen gibt es zum Festmachen und eine Öse vorn sowie zwei Ösen am Spiegel, um das Boot sicher auf dem Trailer zu verzurren. Für den Rundumschutz sorgt eine solide Scheuerleiste. Das Boot selbst macht ebenfalls einen robusten Eindruck und ist auf den Innenseiten ordentlich mit einem Schutzanstrich versehen. Die Beschläge sind fachmännisch mit Durchgangsschrauben befestigt, und der Spiegel macht eine stabilen Eindruck. Er ist mit einer Niro-Platte verstärkt, allerdings gibt es dort keine Öse für die Sicherung des Außenborders. Wir fahren unsere beiden Testkandidaten über die Pinnen, wer es komfortabler möchte, kann sich auch einen Fahrstand bestellen.
Beginnen wir mit dem E-Motor: Aufgrund seines geringen Gewichts lässt er sich im Handumdrehen an den Spiegel schrauben. Dann den Akku aufsetzen, anschließen, und schon kann es losgehen. Vorwärts und rückwärts wird über den Drehgriff gesteuert. Wir fahren langsam aus dem Hafen auf der Ryck Richtung Greifswalder Bodden. An der Mündung kommt uns eine Brise mit mäßigen Wellen entgegen, die wir von vorn ansteuern. Die Poca fährt kursstabil und schaukelt sich locker durch die Wellen. Nach ein paar Minuten drehen wir um, fahren mit den Wellen, was ebenfalls problemlos und etwas schneller funktioniert. Die Messwerte nehmen wir dann auf der ruhigen Ryck höhe Wieck auf. Maximal erreichen wir bei 1.100 W eine Geschwindigkeit von 8,0 km/h. Bei der Reichweitenberechnung beziehen wir auch hier die obligatorischen 15 % mit ein. Es errechnet sich ein Wert von 5,6 km. Drosseln wir um knapp die Hälfte (6oo W), fährt die Poca noch 6,7 km/h, und man schafft eine Nonstop-Strecke von 8,6 km. Mehr als doppelt so weit (18,1 km) reicht der Akku bei Schleichfahrt mit 4,8 km/h. Alles keine riesigen Reichweiten, aber für die ein oder andere Strecke, besonders im Binnenbereich auf Seen und vielleicht auch mal am Küstenstreifen, ausreichend. Praktisch: Die gefahrene Geschwindigkeit und die Restreichweite werden auf einer Digitalanzeige an der Pinne angezeigt. Die Fahrt ist außerdem entspannt, da der Motor leise läuft und das Boot top geradeaus fährt, Gewichtsverlagerungen bringen es etwas auf die schiefe Bahn, was für solch ein Boot aber ein typisches Verhalten ist. Gleiches gilt für die mäßige Krängung, wenn sich jemand zu einer Seite setzt oder sogar herauslehnt.
Schlägt man die Pinne komplett ein, dreht sich die Poca sowohl vorwärts wie auch rückwärts auf der Stelle. Beim Umsteuern in Rückwärtsfahrt reagiert sie sehr direkt und schwenkt die Nase zwischen etwa 1 bis 2 Sekunden zur anderen Seite. Auch mit erhöhter Drehzahl lässt sich das Boot rückwärts zielgenau manövrieren. In voller Fahrt vorwärts dreht das Testboot ebenfalls eng seine Kreisel, und bei Slalom schwingt der Rumpf locker von der einen zur anderen Seite.
Zum Suzuki: Langsame Fahrmanöver lassen sich ähnlich fahren wie mit der E-Ausführung, auch die Verdrängerfahrt ist identisch. Dreht man jedoch den Gasgriff dann weiter auf Vollgas, geht die Poca zwischen etwa 2.300 U/min und 4.500 U/min von Verdränger- in Gleitfahrt über. Wer in dieser Situation allein fährt, hat den ansteigenden Bug im Sichtfeld. Wenn jedoch, wie bei unseren Messfahrten, eine zweite Person im Bug sitzt, steigt dieser wesentlich geringer an.
Über den Drehzahlbereich von 4.500 U/min bis 5.000 U/min (18,5 km/h bis 23,5 km/h) macht die Boot-Motor-Kombination eine wirtschaftliche Gleitfahrt. In dieser Situation laufen dann lediglich 0,13 l/km Sprit durch die Leitung, und es errechnet sich eine Reichweite von 76 km plus 15 % Reserve. Auf dem Greifswalder Bodden bekamen wir es mit einer mäßigen Kabbelsee zu tun, die der Rumpf für seine Bootsgröße gut überspringt. In schnellen Kurven legt sich die Poca mit einem kräftigen Ruck auf die Seite, fängt sich dann aber und zieht enge Kreise und bremst sich selbständig etwas ab. Die Pinnen lässt sich dabei gut handhaben, was auch für den Drehgasgriff, Schalthebel und Quickstop mit schwimmfähiger Leine gilt.
Fazit: Die Poca 475 ist ein solides Angelboot, das auch gut für die Entdeckungsreise taugt. Mit dem E-Außenborder ist sie besonders für geschützte Gewässer mit Verbrennungsmotoren-Verbot geeignet und lässt sich mit gemütlicher Geschwindigkeit über den See bewegen. Der Abstecher an die Küste ist natürlich ebenfalls möglich. Die Reichweite ist jedoch beschränkt und lässt sich mit einem Reserve-Akku erweitern. Ein Zusatz-Akku kostet im Internet laut Torqeedo 939 Euro. Mit dem Suzuki-Motor – der auf den meisten Revieren wie auch der E-Motor führerscheinfrei zu fahren ist – errechnen sich wesentlich größere Reichweiten, zumal ein normaler 5- oder 10-l-Reservekanister an Bord die Reichweite ohne große Kosten erhöht. Weiterer Pluspunkt ist die Gleitfahrt, in der man beispielsweise schnell mal zum anderen Ufer düst.
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