Service - Einsteigerreviere

Jürgen Strassburger

 · 01.07.2021

Service - EinsteigerreviereFoto: Bodo Müller

Perfekte Reviere für Einsteiger: Reizvoll und realistisch – unsere Tipps für Binnen- und Küstentörns

Binnenreviere

Ist nicht jede Ausfahrt auf dem Wasser kompliziert und mit mehr oder weniger unkalkulierbaren Risiken verbunden? Da ist sicher etwas dran. Dennoch lässt sich festhalten, dass es klar benennbare Kriterien für die besonderen "Schwierigkeiten" eines jeden Reviers gibt. Und da wir ja alle mal angefangen haben, wissen wir noch zu gut, was uns bei den ersten Ausfahrten Probleme gemacht hat:

Strömung: Na klar, da ging auch bei mir am Anfang jedes zweite Anlegemanöver in die Grütze. Mindestens.

Berufsschifffahrt: Okay, es kam zwar nie zur Kollision, aber der mitunter sehr schmale Wasserstreifen, den so ein Dickschiff beim Begegnen nur noch auf unserer Seite ließ, war schon etwas beängstigend.

Noch mehr Informationen? Diesen Artikel über Einsteigerreviere finden Sie in BOOTE-Ausgabe 07/2021 seit dem 16.06.2021 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.

Schleusen: Heute muss ich darüber lachen, dass Schleusenmanöver als schwierig gelten. Ist doch nix anderes als das Anlegen und kurzfristige Festmachen an einer Wand. Trotzdem: Leider sind nur wenige Schleusen sportbootgerecht ausgestaltet. Halteleinen oder -stangen helfen, wenn die Nischenpoller zu weit voneinander entfernt sind. In den niederländischen Bootsrevieren ist das durchweg perfekt gelöst.

Tide: Das Spiel mit Strömung und Wasserstand kann zumindest rechnerisch schwierig sein. Aber das gehört zu den höheren Weihen – die man zumindest als Einsteiger noch auf jeden Fall meiden sollte.

Starkwind: Der ist ein unangenehmer Genosse, der jedes Hafenmanöver durchkreuzen kann. Leider nicht nach Wunsch abschaltbar und – als kleiner Trost – bei Weitem nicht nur für Anfänger ein Problem.

Seegang und Wellen: Kommen vorwiegend mit Starkwind, aber nicht nur. Wer Rhein und Hamburger Hafen kennt, weiß, dass auch die Berufsschifffahrt ganz schön Wellen macht. Aber auch auf großen Seen wie Müritz oder Bodensee kann es heftig werden.

Also suchen wir doch einfach nach Gewässern, die möglichst wenig von alldem bieten. Denn es gibt sie, diese perfekten Einsteigerreviere!

Deutschland

Hierzulande ist das relativ einfach: Die Binnenreviere in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die ohne amtlichen Sportbootführerschein nur mit der Charterbescheinigung befahren werden dürfen, können allesamt als Einsteiger­reviere bezeichnet werden: Es gibt nur wenig bis keine Berufsschifffahrt, und Gleiches gilt auch für Strömung. Auch Gezeiten gibt es binnen natürlich nicht. Die Infrastruktur ist dafür perfekt mit dicht beieinanderliegenden Häfen und Wasserwanderrastplätzen. Die Anzahl der Schleusen ist ebenfalls überschaubar. Ihre Mehrzahl ist modern, auf Selbstbedienung ausgelegt und mit ausreichend Wartestellen versehen. Das ergibt ein Eldorado für Einsteiger, zumal man noch nicht einmal einen "eigenen Kiel" braucht, denn Charterstützpunkte gibt es im blauen Paradies rund um die Mecklenburgische Seenplatte nicht nur an jeder Ecke, sie bieten auch eine große Auswahl völlig unterschiedlicher Boote – vom Abenteuerfloß über das gemütliche Hausboot bin hin zur edlen Stahlyacht.

Frankreich

Etwas reicher an Schleusen, aber auch ohne Berufsschifffahrt, Strömung und Tide sind die urigen Kanäle (und Flüsse) Frankreichs. Auch hier brauchen Charterskipper keinen Führerschein, mit dem eigenen Boot aber den Sportbootführerschein Binnen. Meine persönlichen Favoriten ist die Region Burgund- Nivernais-Loire (wobei Letztere nicht schiffbar ist und vom Loire-Seitenkanal erschlossen wird). Eine Alternative ist die ebenfalls reiz­volle Region Burgund-Saône-Doubs, wobei es mir die Saône besonders angetan hat. Ihr schiffbarer Abschnitt strömt gemütlich von Corre bis zur Mündung in die Rhône in Lyon, ist rund 400 Kilometer lang, hat 24 Schleusen und zwei Tunnel. Nicht zersiedelte Städte und Städtchen wie Gray, Saint-Jean-de Losne, Tournus, Macon und Villefranche-sur-Saône bieten Kultur und Genuss im Überfluss. Und die nautischen Herausforderungen sind überschaubar. Also nichts wie hin!

Niederlande

Ähnlich günstige Bedingungen finden Einsteiger in den beliebten Bootsrevieren der Niederlande, die mit Charterbooten grundsätzlich führerscheinfrei befahren werden dürfen. Mit dem eigenen Boot muss der Skipper aber den Sportbootführerschein haben, wenn das Boot bauartgemäß schneller fahren kann als 20 km/h. Die begehrtesten Reviere liegen in der Provinz Friesland (Friese Meren) zwischen Lemmer und Drachten, in Noord-Holland zwischen Amsterdam und Den Oever, in den Randmeren von Flevoland zwischen Kampen und Muiden, rund um die Vecht zwischen Utrecht und Amsterdam sowie auf den Wasserstraßen von Südholland zwischen Amsterdam und Den Haag.

Zwar gibt es hier schon etwas mehr mehr Berufsschifffahrt, die Infrastruktur lässt aber keine Wünsche offen. So weit zu den Binnenrevieren, die auch für Einsteiger perfekt geeignet sind. Doch entscheidend ist das "auch": Gestandene "Profiskipper" können hier natürlich ebenso herrlich entschleunigen.

Küstenreviere

Und wann geht’s raus auf See? Für mich erst, wenn man sich Binnen die Hörner abgestoßen hat und die Bootsführung auch unter schwierigen Bedingungen selbstverständlich geworden ist. Denn auf See muss ja nicht nur gefahren, sondern auch navigiert werden. Das ist zwar mit elektronischer Hilfe kein ernsthaftes Problem mehr, im Falle des Falles sollte es aber auch noch ohne Plotter gehen. Und wenn dann (meistens kommt ja leider alles auf einmal) auch noch das Wetter Kapriolen schlägt, ist das Chaos programmiert. Also auch "einfache" Seereviere nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn auch hier gibt es Starkwind, Seegang und schlechte Sicht.

Noch mehr Informationen? Diesen Artikel über Einsteigerreviere finden Sie in BOOTE-Ausgabe 07/2021 seit dem 16.06.2021 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.

Kroatien (Adria)

Als Schönwetter- und Schwachwindrevier, steht Kroatien in meiner Hitliste der Einsteigerreviere ungefährdet an erster Stelle. Diese optimalen äußeren Bedingungen werden ergänzt durch eine kaum zu toppende nautische Infrastruktur mit perfekten Marinas und einer ständig wachsenden Zahl sportbootgerecht ausgebauter ehemaliger Fischerhäfen.

An der knapp 6000 Kilometer langen Küsten­linie stehen gut 17 000 Liegeplätze in Marinas, Häfen und Ankerplätzen zur Verfügung. Tückische Untiefen, Riffs und Felsen sind in den vergangenen Jahren systematisch durch Seezeichen gekennzeichnet worden, was die Navigation auf Sicht erleichtert. Führerscheinfrei allerdings ist Kroatien nicht. Sowohl für das eigene wie auch für Charterboote ist der Sportboot­führerschein See vorgeschrieben. Da Charterboote in Kroatien ausrüstungs­pflichtig sind und sie grundsätzlich mit einem UKW-Sprechfunkgerät ausgestattet sind, muss mindestens ein Mitglied der Chartercrew im Besitz eines amtlichen UKW-Sprechfunkzeugnisses (SRC) sein.

Griechenland (Ionisches Meer)

Wind- und wettermäßig sind die vor der Westküste Griechenlands liegenden Ionischen Inseln zwischen Korfu und Zakynthos mit den "Schwachwindbedingungen" in Kroatien durchaus vergleichbar. In den Sommermonaten von Juni bis Ende September weht der Wind meist aus Nordwest bis Westnordwest mit 2 bis 5 Bf, wobei der Wind erst gegen Mittag aufkommt und am Abend wieder einschläft. Für Motorbootfahrer hat hier also die Morgenstund tatsächlich Gold im Mund.

Die nautische Infrastruktur ist zwar nicht so perfekt ausgebaut wie in Kroatien, aber urige Orts-, Kommunal- und Fischerhäfen sowie unzählige Buchten bieten auf kurzen Distanzen jede Menge sicherer Liegeplätze.
Griechenland ist führerscheinpflichtig.

Mit dem eigenen Boot und auf Charter­booten wird vom Skipper der Sportbootführerschein See verlangt. Ein Charterboot muss außerdem mit einem Co-Skipper besetzt sein, der einen Erfahrungsnachweis erbringen muss. Dieser kann durch das Unterzeichnen einer sogenannten declara­tion of honour erfolgen. Aber auch Seemei­lennachweise werden akzeptiert.

Deutschland (Ostsee)

Auch die Ostseeküste Schleswig-Holsteins ist als Einsteigerrevier für "Seefahrer" geeignet. Im Fall seltener Starkwinde oder Stürme sind die Seewettervor­her­sagen so präzise, dass eigentlich immer genügend Zeit bleibt, um sich in einem sicheren "Loch" gemütlich zu verkriechen. Kennern gilt die Lübecker Bucht als "Ententeich". Ihr Küstenverlauf schützt perfekt vor Winden aus Nordwest bis Südwest. Etwas ungemütlicher als die Lübecker Bucht ist die Ostsee nordwestlich von Fehmarn bis hinauf nach Flensburg. Dafür aber gibt es hier drei windgeschützte Reviere im Kleinformat: Kieler Förde, Schlei und Flensburger Förde.

Da zwischen Kiel und Flensburg nur knapp 60 Seemeilen liegen, ist es bei ruhigem Wetter kein Problem, diese drei Reviere miteinander zu verbinden. Tückische Untiefen gibt es an der gesamten Ostseeküste nicht, und wenn es mal eine Flachstelle gibt, ist sie sicher betonnt oder bezeichnet. Also braucht man keine aufwendige Navigation. Durchweg reicht küstennahe Fahrt "auf Sicht".