

Reise: Schottland
Lord of the Isles - Seite 4
Bekannt als Eiland der Vögel und Schafe (Letztere liefern den Grundstoff für das wichtigste Exportprodukt: Strickpullover), wird uns Fair Isle vom Hafenmeister von Kirkwall in wärmster Weise empfohlen. Obwohl er selbst noch nicht dort gewesen ist, lobt er etwa die Hilfsbereitschaft der Bewohner in den höchsten Tönen. Rückblickend können wir ihm die Reise nur empfehlen – um das Gegenteil von dem zu erleben, was er wortreich angepriesen hat.
Zum Glück haben wir dennoch nicht besonders viel erwartet und werden somit wenigstens nicht von der Realität enttäuscht. Dabei erfolgt die Überfahrt noch bei geradezu idealen Bedingungen. Wie Quecksilber liegt das Meer vor uns, obwohl dieses Seegebiet am Übergang von Nordatlantik und Nordsee sonst nur wenige ruhige Tage kennt.
Rund zwanzig Seemeilen liegen zwischen dem nördlichsten Punkt der Orkneys und der schroffen Steilküste von Fair Isle. Der winzige, hinter Felsen und Klippen versteckte Naturhafen von North Harbour bietet einen kleinen Kai, der von drei Seglern okkupiert wird, und eine kurze Pier für das Fährschiff von Shetland im Norden.
Außer den Seglern – offenbar kurzzeitige Gastlieger wie wir – scheinen der Hafen mit seinen wenigen Gebäuden und auch die Insel wie verlassen.
Wir tasten uns vorsichtig an die Pier, denn Tiefe gibt es hier nicht im Übermaß, obwohl wir noch in zeitlicher Nähe des Hochwassers sind. Das Wasser fällt später so weit, dass unser Tiefenmesser nur noch 0,2 Meter unter dem Schiff anzeigt – kaum mehr als die berühmte Handbreit unterm Kiel! Nach und nach kommen weitere Segler, die sich nebeneinander in Päckchen legen, neun oder zehn sind es am Ende.
Ein spätabends einlaufender größerer Segler hat echte Probleme und kann nur noch bei uns längsseits gehen – sein Tiefgang gibt allerdings Grund zur Sorge.
Am nächsten Morgen wecken uns dann auch frühe Motorengeräusche – unser Nachbar legt ab, da er bei Niedrigwasser schon Grundberührung hatte. Das Thema bleibt uns zwar erspart, aber dafür bringt uns der Wetterbericht ins Grübeln: Wir hätten noch einen ruhigen Seetag vor uns und könnten damit Lerwick – den Hauptort der Shetlandinseln – problemlos erreichen.
Dann sind allerdings fünf bis sieben Tage Starkwind bis Sturm angesagt, die uns dort festhalten und das rechtzeitige Erreichen von Inverness zur Aufnahme unserer nächsten Gästegruppe unmöglich machen würden.
So entscheiden wir uns gegen Lerwick – und damit auch gegen jede Form von Stress. Bevor wir aber ablegen, wandere ich zu dem wenige Hundert Meter vom Hafen entfernt etwas höher gelegenen Bird Observatory & Guesthouse. Zwischen April und Oktober kann man hier sogar übernachten.
Zu meinem Erstaunen erfahre ich, dass die Anreise nach Fair Isle nicht nur mit einer Fähre, sondern auch mit einem Kleinflugzeug möglich ist. Selbst Einsamkeit ist heutzutage wohl relativ …
Wir fahren gemütlich zurück nach Kirkwall, genießen weitere schöne Seiten der Orkneys und feiern unseren 32. Hochzeitstag mit einem Dinner im Restaurant "The Foveran". Bei einem Glas Wein blicken wir auf das inzwischen mit kleinen Schaumkrönchen verzierte Scapa Flow und stoßen mit ein wenig Stolz auf die erfolgreiche Umrundung dieses rauhen Stücks Europa an.
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