Aktionsplan Ostseeschutz“Die Tonlage hat sich geändert”

Ursula Meer

 · 01.05.2025

Aktionsplan Ostseeschutz: “Die Tonlage hat sich geändert”
Der Plan vom Nationalpark Ostsee in Schleswig-Holstein ist vom Tisch. An seine Stelle tritt der im März 2024 vom Landtag verabschiedete „Aktionsplan Ostseeschutz“. Lange war es still um den Plan, nun informierten die beteiligten Ministerien bei vier Veranstaltungen über die geplanten Maßnahmen, die unter anderem auch Befahrensverbote für Wassersportler vorsehen. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) erläutert im Interview ihre Bedeutung. Er ist optimistisch, dass alle Akteure einen Beitrag leisten.

Herr Goldschmidt, der neue Ostsee-Aktionsplan wurde vor einem Jahr beschlossen. Welche Maßnahmen sieht er vor?

Die wichtigsten Aspekte des Ostsee-Aktionsplans bestehen darin, die Ostsee effektiv und nachhaltig zu schützen. Wir reagieren auf die gravierenden Probleme unserer Ostsee – Erwärmung, Nährstoffbelastung, Schifffahrt, Munition und intensiven Tourismus –, indem wir 16 konkrete Maßnahmen vorsehen. Dazu zählen unter anderem neue Schutzgebiete, reduzierte Nährstoffeinträge, aber auch eine Meeresschutzstation als zentrale Anlaufstelle für alle Nutzergruppen einschließlich der Wassersportler.

Für die ist besonders interessant, ob und wie neue Schutzgebiete den Wassersport einschränken könnten. Welche Flächen sind geplant und welche Regelungen betreffen Wassersportler unmittelbar?

Unsere neuen Schutzgebiete umfassen rund 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostseefläche. Davon werden knapp 4,5 Prozent bestehende Natura-2000-Gebiete sein, in denen die Fischerei künftig untersagt, der Wassersport aber uneingeschränkt möglich sein wird. Die anderen rund 8 Prozent sind strengere Naturschutzgebiete, in denen vor allem im Winter zwischen November und März besondere Rücksichtnahme auf die Natur erforderlich wird. Hier sind einige saisonale Einschränkungen geplant.

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Können Sie diese Einschränkungen genauer beschreiben? Was darf man im Winterhalbjahr konkret nicht?

Goldschmidt: Wir haben das im Aktionsplan Ostseeschutz sehr genau definiert, um den Betroffenen bestmögliche Klarheit zu geben: Zwischen November und März werden in den strengen Schutzgebieten - also auf knapp 8 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee - der Wassersport eingeschränkt, um Zug- und Rastvögeln die nötigen Ruhezonen zu sichern. Wir werden aber auch in diesen Gebieten Zonen vorsehen, in denen Wassersport ganzjährig möglich ist. Hafenzufahrten bleiben stets erreichbar. Zudem wird es in den Gebieten ganzjährig Geschwindigkeitsbeschränkungen für motorisierte Wasser­fahrzeuge geben. Ausge­nommen hiervon sind Fahrzeuge der Wassersicherheit oder Seenotrettung.

Der Aktionsplan sieht drei neue marine Naturschutzgebiete und strengeren Schutz der Natura-2000-Gebiete vorFoto: YACHTDer Aktionsplan sieht drei neue marine Naturschutzgebiete und strengeren Schutz der Natura-2000-Gebiete vor

Vor zwei Jahren wurde nach einem zehn Jahre währenden Konsultationsprozess die Nordsee-Befahrensverordnung mit Einschränkungen für Wassersportler erlassen. Für die Betroffenen kam der Beschluss des Bundesverkehrsministeriums überraschend, und nicht alle fühlen sich in Ihren Belangen wahrgenommen. Nun möchten Sie die von Ihnen geschilderten Befahrensverbote bei eben jenem Ministerium beantragen. Können schleswig-holsteinische Bootsfahrer sicher sein, dass es am Ende nicht doch deutlich schärfere Regelungen geben wird?

Eine Befahrensverordnung kann nur beim Bundesverkehrsministerium beantragt werden. Ich kann versichern: Wir als Landesregierung haben mit dem Aktionsplan klare Vorgaben gemacht, die wir beim Bundesverkehrsministerium genau so beantragen werden. Wir werden das Verfahren sehr eng begleiten und gegenüber dem Bund deutlich machen, dass keinesfalls über unseren Antrag hinaus zusätzliche Restriktionen entstehen dürfen.

Der Aktionsplan sieht auch vor, das Ankern auf Seegraswiesen zu verbieten. Der WWF hat eine App für das Befahren der Wismarbucht und des Greifswalder Boddens erstellt, in der der jeweilige Schutzstatus und die Verhaltensregeln für Wassersportler klar erkennbar sind. Ist Ähnliches für die neuen Schutzgebiete geplant?

Goldschmidt: Ja, das wollen wir sogar aktiv fördern. Wir planen auch für unsere neuen Ostseegebiete übersichtliche Hilfsmittel – Apps oder digitale Karten –, damit jeder klar erkennen kann, wo Schutzgebiete beginnen und was dort erlaubt ist. Darin sollen Bootfahrer auch klar erkennen können, wo Seegraswiesen liegen, um diese empfindlichen und wichtigen Ökosysteme zu schützen, indem sie dort nicht ankern.

Als weitere Maßnahme nennt der Aktionsplan auch umweltverträgliche Anti-Fouling-Systeme sowie verbesserte Entsorgungseinrichtungen für Schwarzwasser in Sportboothäfen. Gibt es hier schon konkrete Pläne?

Es laufen bereits Gespräche mit Hafenbetreibern und Wassersportverbänden über umweltfreundlichere Unterwasserbeschichtungen und verbesserte Schwarzwasser-Entsorgung. Auch hier freue ich mich, dass gerade von Wassersportlern konkretes Interesse und sogar eigene Vorschläge kommen, den Ostseeschutz zu verbessern.

Sie erwähnten die neue Meeresschutzstation. Was genau soll diese Station leisten, und welche Rolle könnten Wassersportverbände und Vereine einnehmen?

Die Meeresschutzstation Ostsee wird eine zentrale Anlaufstelle und Koordinierungsplattform für Naturschutzmaßnahmen, Monitoring, Aufklärung und Bildung sein und den Status der zuständigen Naturschutzbehörde haben. Sie wird aktiv Akteure und Verbände einbinden – darunter Wassersportler, Naturschützer, aber auch Tourismus-Verantwortliche. Wir wünschen uns ausdrücklich, dass auch Wassersportverbände diese Plattform als Chance begreifen, um eigene Projekte anzustoßen und Mitverantwortung für die Gesundheit der Ostsee zu übernehmen. Die Ostsee hat so viele Probleme und Herausforderungen, dass wir sie ohnehin nur gemeinsam angehen können.

Werden die Ergebnisse des Ostsee-Aktionsplans wissenschaftlich überwacht und evaluiert?

Ja. Der Erfolg der Maßnahmen wird kontinuierlich durch ein wissenschaftliches Monitoring begleitet. Wir haben diverse Meldeverpflichtungen gegenüber der EU und wollen eine belastbare, objektive Datenbasis schaffen, mit der die Öffentlichkeit transparent und glaubwürdig erkennen kann, welche Fortschritte im Ostseeschutz erreicht wurden.

Bei Ihren Plänen zur Einrichtung eines Nationalparks Ostsee haben Sie viel Gegenwind von den Wassersportlern im Land erlebt. Wie bewerten Sie nun die Wahrnehmung und Akzeptanz des neuen Aktionsplans in der Bootsfahrer-Community?

Die Debatte um den Nationalpark war emotional, aber es war mitnichten so, dass sie pauschal ablehnend war. Ich habe viele sehr unterstützende Nachrichten erhalten, gerade auch von Wassersportlern. Aber das ist jetzt Schnee von gestern. Nach dem Beschluss des Aktionsplans Ostseeschutz im Kabinett hat sich die Tonlage der Diskussion verändert. Niemand streitet heute mehr die Notwendigkeit ab, Beiträge zum Schutz der Ostsee liefern zu müssen.

Mit der Landwirtschaft haben wir einen geringeren Nährstoffeintrag vereinbart. Der offensichtlichste Beitrag wird sicherlich der der Fischerei sein, denn auf zwölfeinhalb Prozent der Ostseefläche wird es künftig keine Fischerei mehr geben. Auch viele Wassersportler haben erkannt, dass wir alle gemeinsam Verantwortung für die Ostsee übernehmen müssen. Ich denke, dass der Beitrag, den die Landesregierung von ihnen jetzt einfordert, ein wichtiger, aber auch bescheidener Beitrag ist. Wir alle werden im Gegenzug eine gesündere Ostsee vorfinden. Ich glaube, das wird von vielen so anerkannt und unterstützt.

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