Szene-Report - Corona-Rückblick

Gernot Apfelstedt

, Johannes Erdmann

, Jill Grigoleit

, Ralf Marquard

, Christian Tiedt

 · 22.03.2021

Szene-Report - Corona-RückblickFoto: Thorsten Baering

Das Jahr, als alles anders war: Die Corona-Pandemie traf im März 2020 auch die Wassersportbranche völlig überraschend – und brachte ungeahnte Herausforderungen mit sich. Ein Rückblick

Eigentlich schien im Februar vergangenen Jahres alles wie immer zu sein. Noch regte sich nichts unter den Winterplanen in den Häfen. Doch die Ruhe war trügerisch, denn eine heimtückische Welle näherte sich mit rasender Geschwindigkeit: SARS-CoV-2, eine neue und ungleich gefährlichere Variante des Coronavirus. Mit der einer Naturkatastrophe eigenen Unerbittlichkeit überrollte die Pandemie eine völlig überraschte Gesellschaft, drang in jeden Winkel und veränderte nahezu alle Aspekte des täglichen Lebens. Auch die Bootsbranche, von Berufswegen zwar mit echten Stürmen befasst, sah sich wie viele andere Wirtschaftszweige vor noch nie da gewesene Herausforderungen gestellt. Um im Bild zu bleiben: Man schwamm noch – aber das Wasser unter Deck stieg weiter. Auch staatliche Hilfen konnten keine Kontaktsperren umgehen oder zerbrochene Lieferketten reparieren. Und so wurden die kommenden Wochen und Monate zu einer Zeit völlig neuer Erfahrungen, die oft genug auf die harte Tour gemacht wurden. Mit Einsatz und Einfallsreichtum suchten alle Betroffenen nach Lösungen für kleine und große Probleme, vom Hygienekonzept für Kunden und Mitarbeiter bis hin zur virtuellen Ausstellungshalle. Viel wurde dazugelernt. Und auch wenn das Virus heute, zwölf Monate später, noch immer nicht Geschichte ist, wäre man jetzt zumindest auf eine nächste Welle vorbereitet. Auf den folgenden Seiten schildern Beteiligte aus allen Bereichen der Branche, wie sie 2020 erlebt haben – unser Rückblick auf das Jahr, als alles anders war.

Werften

HanseYachts AG

Regelrechter Run
Erfolgreich auf virtuelle Messen und Privatshows umgestellt

Jens Gerhardt mit entsprechender Schutzmaske auf
 	dem Firmengelände in Greifswald | ldFoto: Thorsten Baering
Jens Gerhardt mit entsprechender Schutzmaske auf dem Firmengelände in Greifswald | ld

Die besondere Heraus­­forderung für die deutschen Werften waren die lückenhaften oder sogar fehlenden Lieferketten. Ein Interview mit Dr. Jens Gerhardt, CEO von der HanseYachts AG (Fjord und Sealine) zur Corona-Pandemie.

BOOTE: Was war für Sie die größte Herausforderung?

Dr. Jens Gerhardt: Die Herausforderung bestand darin, die Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und gleichzeitig die Produktion aufrechtzuerhalten. Stockende Materialflüsse und fehlende Mitarbeiter aufgrund der staatlichen Schutzmaßnahmen wie Grenzschließungen und Quarantänebestimmungen hatten zudem erhöhte Produktionskosten zur Folge.

BOOTE: Mit welchen negativen Auswirkungen waren Sie konfrontiert ?

Gerhardt: Zu den bereits oben genannten Auswirkungen kam natürlich noch der Ausfall fast aller Bootsmessen weltweit, die zum Teil schon in der fortgeschrittenen Planung von uns waren. Wir haben aber erfolgreich auf virtuelle Messen umgestellt. Auch Presse-Veranstaltungen und Foto-Shootings für unsere neuen Boote waren nur sehr eingeschränkt möglich.

BOOTE: Gab es auch positive Aspekte?

Gerhardt: Durch unsere schnell umgesetzten Eigenmaßnahmen, zu denen die strikte Abschottung der Produktionsbereiche und ein stark auf­gestocktes Materiallager gehören, konnten wir durchgehend produ­zieren und auch weiter neue Modelle entwickeln. Seit dem Sommer verzeichnen wir markenübergreifend
einen regelrechten Run auf unsere Yachten, sodass wir bis zum kommenden Sommer ausverkauft sind.

BOOTE: Auf welchen Messen werden Sie 2021 ausstellen?

Gerhardt: Wir werden auf allen Messen ausstellen, die in diesem Jahr stattfinden dürfen, und hoffen, dass spätestens in Palma der Startschuss für eine gelungene Messesaison fällt.

Wie viele andere Firmen stellte auch HanseYachts AG auf Homeoffice um. So hat der CEO Dr. Jens Gerhardt nicht nur ein Büro auf dem Firmengelände in Greifswald, sondern auch im heimischen Norderstedt. Von dort
erledigt er etwa 60 bis 70 Prozent seiner Auf­gaben. Auch die Marketing- und die Verkaufsabteilung arbeiten viel im Homeoffice. Bei der Prototypabteilung und vor allem in der Produktion sind diese Möglichkeiten nicht gegeben. Ein gut angelegtes Hygienekonzept sollte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestmöglich vor Covid-19 schützen. Trotz all dieser Maßnahmen kam es im Herbst 2020 dennoch zu einem Ausbruch. Dazu die Pressemitteilung: "Im November war HanseYachts AG erstmals von einem Corona-Ausbruch am Hauptstandort in Greifswald betroffen, der bis Ende November durch umfang­reiche Quarantäne-Maßnahmen ganzer Abteilungen eingedämmt werden konnte." Und wie hält die HanseYachts AG den Kontakt zu den Händlern? "Das findet momentan ausschließlich di­gital statt, ich besuche keine der Händler mehr persönlich und bin zu 90 Prozent im Homeoffice. Unsere letzten Händlertagungen haben wir auch virtuell abgehalten, so konnten wir beispielsweise am 24. Februar 156 Motorboot-Teilnehmer erreichen", so Sales Director Maxim Neumann.

Bavaria Yachts

Die ausgefallenen Messen sind ärgerlich

"Während des ersten Lockdowns in Europa sank von März bis Juni 2020 der Auftragseingang zügig auf null. Das war natürlich ein Schock. Aber ab Mitte Juni nahmen die Auftragseingänge wieder verstärkt zu. Ab Juli ging die Zahl steil nach oben. Fast schon ein Boom. Wir haben dann unsere Produktionsplanung angepasst. Seit September 2020 läuft die Produktion wieder auf Maximum. Wir sind als Werft für das laufende Geschäftsjahr 2020/21 ,fast‘ ausverkauft. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war natürlich die Aufrechterhaltung der Lieferketten eine große Herausforderung. Durch die teilweise Schließung der Grenzen und ganzer Produktion von Lieferanten hat unser Einkauf alle logistischen Möglichkeiten ausgeschöpft, um alles, was wir zur Produktion brauchten, nach Giebelstadt zu schaffen. Die vielen ausgefallenen Messen und wegen der Reisebeschränkungen mangelnden Möglichkeiten, unseren Kunden unsere neuen Boote wie die Bavaria SR41 und Bavaria Vida 33 vorzustellen, sind schon wirklich negative Auswirkungen. Und selbst in der Werft ist die Kommunikation unter den Mitarbeitern anders als vorher. Viele sind im Homeoffice", berichtet Michael Müller (CEO).

Hellwig Bootsmanufaktur

Zwei neue Modelle

Die größten Herausforderungen waren "coronakonforme Produktionsbedingungen, Materialbeschaffung (Lieferanten im Lockdown – Spediteure, die nicht fahren), Kunden "bei der Stange halten", Mitarbeiter nicht in die Kurzarbeit schicken müssen, ungewöhnlich hohe Preiserhöhungen (Materialeinkauf), Lieferanten, die einfach nicht mehr da sind, lange Lieferzeiten, Mitarbeiter in Quarantäne, generell höherer Krankenstand in der Produktion. Wir haben die Zeit genutzt, um unsere Produktion umzubauen. Büros und Lager wurden renoviert, zwei neue Bootsmodelle entworfen", so Michael Hammermeister (Geschäftsführer).

Bootshändler

Boote Pfister

Eine neue Form der Beratung
Per Video-Call zeigen die Verkäufer den Kunden Boote und Zubehör

Die Verkaufsräume bei Boote Pfister Mitte Februar: menschenleer. Die Werkstatt läuft normal weiter, jedoch ohne Kundenkontakt | ktFoto: Thorsten Baering
Die Verkaufsräume bei Boote Pfister Mitte Februar: menschenleer. Die Werkstatt läuft normal weiter, jedoch ohne Kundenkontakt | kt

Wie die anderen "nicht systemrelevanten Geschäfte" mussten auch die Bootshändler ihre Türen im ersten und zweiten Lockdown schließen. Ein besonders großes Problem im ersten Lockdown waren die anstehenden Bootsauslieferungen. Von Bundesland zu Bundesland gab es jedoch gravierende Unterschiede, so konnte Europe Marine in Rheinland-Pfalz seinen Kunden mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen die Neuboote übergeben. Boote Pfister dagegen nicht, da der Firmensitz in Bayern (Unterfranken) liegt und die dortigen Vorschriften rigoroser waren.

"Es war teilweise nicht einfach, den Kunden zu erklären, dass sie ihr lang ersehntes Boot nicht abholen dürfen", erzählt uns Joachim Pfister. Im März/April hat Boote Pfister meist noch ein reges Nachmesse- und Frühjahrsgeschäft und veranstaltet dann in der Regel auch die großen Schau- und Probefahrt-Wochenenden. Aber daran war 2020 überhaupt nicht mehr zu denken. Stattdessen ging der Verkauf zurück. Im Mai, als die ersten Lockerungen anstanden, kam glücklicherweise der große Run auf Boote und Jetski, und bis Ende September hatte man sich von der Corona-Krise erholt. Einen großen Anteil daran hatte auch die Friedrichshafener Messe im September 2020. "Ich war ja zu Anfang skeptisch, ob das funktioniert", so Joachim Pfister, "aber jetzt kann ich sagen, es hat funktioniert, und wir haben dort fast das Vorjahresniveau erreicht." Und die Verkaufszahlen über das gesamte Jahr? Die liegen zum Glück auf einem hohen Niveau. Durch den aktuellen Lockdown verändert sich die Komplette Kundenkommunikation. "Wir haben stark in das digitale, moderne und kontaktlose Verkaufen investiert. Die Kunden sind begeistert." Da laufen die Verkäufer zum Teil mit den Handys über die Boote und zeigen den Kunden per Video-Call das Objekt der Freude. Oder sie drehen Videos für die Kunden. Für eine Besichtigung haben sie auch schon mal ein Boot auf dem Trailer vor das Firmengelände gestellt, aber so richtig funktionierte das nicht, da die Kunden meist noch weitere Boote sehen wollten, was aus Hygienegründen nicht erlaubt ist.

Ein Hygienekonzept musste auch für die Belegschaft erarbeitet werden. Dazu zählen: veränderte Arbeitszeiten, vor allem aber entkoppelte Pausenzeiten, um nicht zu viele Personen gleichzeitig in einem Raum zu haben. "Außerdem haben wir in der Corona-Zeit umstrukturiert und den kompletten Eingangsbereich und die Verwaltung modernisiert. Gott sei Dank waren wir in einer sehr guten Situa­tion, und alle Mitarbeiter konnten aufgrund der stabilen Auftragslage gesund und durchgängig arbeiten."

Die nächste Herausforderung liegt schon auf Joachim Pfisters Schreibtisch: "Wir müssen jetzt un­sere Vor­order für 2022 abgeben.

Europe Marine

Händler und Hersteller

"Der erste und aktuell der zweite Lockdown zwingen uns, unsere Arbeitsweisen anzupassen. Auch wir mussten unsere Türen schließen und konnten unsere eigene Produktion nur unter sehr strengen Auflagen am Laufen halten. Auslieferungen in März und April 2020 wurden zwar durchgeführt, aber nur mit begrenzter Personenzahl und ausreichend Abstand. Die größte Herausforderung bestand darin, gewohnte Abläufe coronagerecht zu machen und trotzdem die übliche Produktivität beizubehalten. Der auf den Lockdown folgende Nachfrage-Boom stellte uns vor eine neue Aufgabe: rechtzeitig Boote für die Kunden zur Verfügung zu haben. Bis jetzt kämpfen wir um jedes Boot von jedem Hersteller, damit wir der doppelt so hohen Nachfrage gerecht werden können. Wir verkaufen bereits seit einigen Monaten für 2022. Der positive Aspekt ist, dass keiner unserer Mitarbeiter an Covid-19 erkrankte und unser Hygienekonzept anschlägt. Sowohl Luftreiniger und Desinfektionsmittel in den neu geschaffenen Besprechungsräumen als auch unsere Abstandsregeln und getrennte Pausenzeiten sorgten dafür, dass Europe Marine wie gewohnt für die Kunden zur Verfügung stand", so die Geschäftsführer Peter und Robert Nürnberger.

Ausrüster

A. W. Niemeyer

Das Beste aus der Situation machen
Erfinderisch: Mit "Click & Collect" gelingt es dem Ausrüster heute, für Nachschub zu sorgen

AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl in der Hamburger Filiale | leFoto: Thorsten Baering
AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl in der Hamburger Filiale | le

Zehntausende Eigner privater Boote stürzen sich zu Saisonbeginn auf die maritimen Ausrüster, um dort Beratung zu genießen und Pflegeprodukte für ihre geliebten Boote zu kaufen. Doch im letzten Jahr war alles anders: Häfen und Winter­lagerbetriebe blieben vielerorts geschlossen. Doch selbst wer sein Boot in einem geöffneten Hafen oder im eigenen Garten stehen hatte, stand vor der Sorge: Bekomme ich alles, was ich brauche, um das Boot zum Saisonbeginn fertig zu haben? "Es tat wirklich sehr weh. Unsere Kunden suchten Beratung – und wir mussten sie zum Saisonstart vor verschlossenen Türen stehen lassen", blickt Christoph Steinkuhl, der Geschäftsführer vom A. W. Niemeyer, zurück. Dabei war 24 Stunden vorher die Welt noch halbwegs in Ordnung: "Unsere erste Messe Hamburg Boat Show war ein sensationeller Erfolg. Am nächsten Tag blieb uns dann nichts anderes übrig, als alle neun Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu schließen", erinnert er sich. "Das schlug einem schon auf dem Magen." Doch statt die Flinte ins Korn zu werfen, entwickelte Steinkuhl lieber einen Plan: "Es war nicht einfach, doch es gelang uns, die zuständigen Behörden von unserer Systemrelevanz zu überzeugen. Schließlich kaufen die Wasserschutzpolizei, das THW und die Feuerwehr ja auch bei uns ein", erklärt er. Der Erfolg: "Mit einer unglaublichen Teamleistung und einem guten Hygienekonzept haben wir es hinbekommen, nur 48 Stunden nach dem Lockdown wieder unseren Flag­ship­store in Hamburg zu öffnen." Auch im zweiten Lockdown fand das AWN-Team Wege, um seinen Kunden auf verantwortliche Art den Nachschub an Bootsartikeln sicherzustellen.

Etwa durch den Click&Collect-Service in allen Filialen und kostenlosen Versand. Der AWN-Chef blickt positiv zurück: "Unser Dank gilt ganz klar sehr vielen Behörden in den jewei­ligen Bundesländern, die selbst an den Wochenenden zu erreichen waren." So konnte man über Lösungswege diskutieren. Im Moment plant Stein­kuhl eine neue Ausgabe der Hamburg Boat Show: "Am liebsten schon baldmöglichst."

SVB

Viele neue Kunden

Der Versandhandel SVB aus Bremen generiert einen Großteil seines Umsatzes online. "Dennoch konnten wir im März und April 2020 spüren, dass unsere Kunden verunsichert waren und nicht zu ihren Booten durften", sagt Judith Stamann von SVB. "Die Bestellungen waren um 30 Prozent zurückgegangen." Ihre größte Sorge waren neben der Warenversorgung auch die Frage, welche Länder welche Einschränkungen im Warenverkehr haben, da SVB 40 Prozent der Bestellungen aus dem Ausland erhält. "Ab dem Sommer konnten wir am Online-Boom profi­tieren und gewannen sogar viele neue Kunden, die zuvor hauptsächlich im Einzelhandel gekauft haben. Der positive Trend ist auch im Herbst und Winter nicht abgebrochen."

Friedrich Marx

Wir blicken positiv in die Zukunft
Zufrieden: Obwohl im März 2020 die Aufträge ausblieben, machte der Sommer den Verlust wett

Mit der Schließung vieler Werften und Ausrüster blieben auch Großhändler wie Robert Marx zunächst auf ihrer Ware sitzen und litten unter deutlichen Umsatzrückgängen.

BOOTE: Was waren Ihre größten Herausforderungen in der neuen Lage?

Robert Marx: Wir mussten für unsere Mitarbeiter das Homeoffice möglich machen, damit sie geschützt sind, für unsere Kunden aber wie gewohnt erreichbar bleiben. Glücklicherweise hatten wir in den vergangenen Jahren unsere IT-Infrastruktur so aufgebaut, dass das problemlos möglich war.

BOOTE: Mit welchen negativen Auswirkungen waren Sie konfrontiert?

Marx: Als Ende März der Lockdown kam, hatten wir kurz vor Start der Saison fast keine Auftragseingänge mehr. Das Lager war voll an Motoren, Zubehör- und Ersatzteilen, der Bedarf aber nahezu null. Zudem konnten wir nur telefonisch mit Kunden in Kontakt treten, weil Besuche abgelehnt wurden.

BOOTE: Gab es positive Aspekte?

Marx: Da wir bei unseren Vorlieferanten eine Lieferzeit von bis zu fünf Monaten haben, trudelte noch Ware ein, von der wir nicht dachten, dass wir sie verkaufen würden. Ein Storno war aber nicht möglich, da die Ware schon auf See war – glücklicherweise, denn ab Mitte Mai ging die Post ab. Wir hatten dann einen regelmäßig hohen Auftragseingang, was sich ex­trem gut auf den Außenborderumsatz und das entsprechende Zubehör ausgewirkt hat. Anscheinend hatten wir im Bootsport den gleichen Effekt wie die Fahrradhändler: Das Geschäft war dadurch geprägt, was lieferfähig war. Wir gehen davon aus, dass die vielen neuen Kunden, die 2020 mit Wassersport angefangen haben, auch längerfristig dabeibleiben und zusätzlich neue Kunden generieren werden. Wir sehen der nächsten Zeit sehr posi­tiv entgegen.

Torqeedo

Ein durchaus gutes Jahr

Auch am führenden Hersteller von Elektromotoren ging das Jahr nicht spurlos vorbei. "Es kam teilweise zu Lieferengpässen von Zulieferern, und einige Projekte konnten wegen der Reiseeinschränkungen erst verzögert abgeschlossen werden", blickt Stephan Bayerle von Torqeedo zurück. "Insgesamt war es dennoch ein durchaus gutes Jahr für uns, weil sich der Freizeitmarkt sehr positiv entwickelt hat." Natürlich gab es auch einige Herausforderungen: "Im Bereich Neukundenakquise war für uns eine reine Online-Beratung natürlich schwieriger als vor Ort", erzählt Bayerle. 2021 will Torqeedo deshalb – sofern möglich – an allen großen Messen teilnehmen. "Proaktiv haben wir jedoch auch ein eigenes, digitales Format zur Präsentation unserer Neuprodukte entwickelt."

Charter

Le Boat

Urlaub im Inland klar im Trend
Reiselust: Trotz aller Einschränkungen rückt Deutschlands beliebtestes Binnenrevier gerade wegen Corona in den Blickpunkt

Bereit, an Bord zu gehen: Die Saison 2021 ist vorbereitet | etFoto: Thorsten Baering
Bereit, an Bord zu gehen: Die Saison 2021 ist vorbereitet | et

Wochenlang hatte die Marina Wolfsbruch bei Rheinsberg im Frühling 2020 im Dornröschenschlaf gelegen. Als im Mai dann endlich die erlö­sende Nachricht kam, dass wieder verchartert werden darf, hatte die damals frischgebackene Basismanagerin Doreen Block plötzlich alle Hände voll zu tun. Die Mitarbeiter wurden aus der Kurzarbeit geholt, um die 70 Boote innerhalb kürzester Zeit fit für die Saison zu machen. Grenzüberschreitende Reisen waren unberechenbar geworden. Außerdem ist ein Bootsurlaub per se coronakonform. Zwei überzeugende Argumente für Tausende Deutsche, die es in der Corona-Saison 2020 an die Mecklenburgische Seenplatte zog.

"Sobald wir die Nachricht bekommen hatten, dass wir wieder vermieten dürfen, sind die Buchungsanfragen für unsere deutschen Basen durch die Decke gegangen. Leider konnten wir die hohe Nachfrage gar nicht bedienen, weil die Hauptsaison schon vorher so gut wie ausgebucht war. Aber die Saison hat sich spürbar nach hinten verschoben. Die Leute waren hungrig nach Urlaub und froh, überhaupt noch ein Boot zu bekommen, auch wenn es erst im Oktober war."

Für das europaweit agierende Charterunternehmen mit Basen in insgesamt neun Ländern war 2020 trotzdem nicht das beste Jahr. "Natürlich konnten wir einen Teil der Verluste durch das starke Sommer- und Herbstgeschäft in Deutschland kompensieren, aber Grenzschließungen, Reisewarnungen und Haushaltsbeschränkungen haben das europaweite Chartergeschäft insgesamt stark beeinträchtigt", wägt Doreen Block ab. Die Basismanagerin berichtet, dass aufgrund der Reisebeschränkungen nahezu 100 Prozent der Gäste aus dem Inland kamen. "Vorher waren vielleicht 60 bis 70 Prozent unserer Gäste aus Deutschland. Wir hatten sonst viel mehr Gäste aus dem Ausland. Das verschiebt sich jetzt alles. Und dieser Trend hält auch bei den eingehenden Buchungen für 2021 an."

Die Charterfirma hat auf das veränderte Buchungsverhalten reagiert und Boote von ausländischen Basen nach Deutschland überführt. Im April eröffnet Le Boat eine vierte Basis in Fürstenberg, um sich der gestiegenen Nachfrage vor Ort anzupassen. "Wir glauben nicht, dass das nur ein temporärer, coronabedingter Trend ist. Wir gehen davon aus, dass sich die Tendenz zu Individualurlaub im Inland in den nächsten Jahren fortsetzen wird", sagt Block. "Und jetzt sind wir besser vorbereitet als im letzten Frühjahr. Wir haben niemanden in Kurzarbeit, die Boote werden rechtzeitig vorbereitet. Wir stehen bereit."

Yachtcharter Schulz

Mit Einsatz zum Erfolg

"Hätten wir nicht wegen der wieder steigenden Zahlen schließen müssen, hätten wir bis in den November vermieten können", sagt Steffen Schulz von Yachtcharter Schulz in Waren/Müritz. Durch die lange Saison und die hohe Nachfrage hatte das Unternehmen im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Umsatz – bei hohem Einsatz: "Unsere Mitarbeiter waren am Limit", so der Geschäftsführer. Auch sei es bei Schäden schwieriger als sonst gewesen, Ersatzteile zu bekommen und die dringend benötigten Boote schnell wieder für die Vermietung fit zu machen. Der Trend zu mehr "Urlaub in Deutschland" sei deutlich zu spüren, sagt Schulz. "Für die Region ist das eine große Chance."

Tom Sawyer Tours

Mal Müritz statt Dubai

Auch bei Abenteuer-Floß-Vermieter Tom Sawyer Tours war die Nachfrage groß: "Wir mussten eine Person beschäftigen, die nur noch mit Absagen zu tun hatte", berichtet Geschäfts­führer Johannes Wittkopf. Auffällig sei gewesen, dass die Gästeklientel viel breiter gefächert war als in den Vorjahren: "Es sind Leute zu uns gekommen, die sonst vielleicht eher den Fünf-Sterne-Urlaub in Dubai gebucht hätten", erzählt er. Die Resonanz war positiv: "Viele sind überrascht, was es auch bei uns für schöne Ecken gibt."

Messen

Boot & Fun Berlin

Wechselbad der Gefühle
Corona wirkt nicht nur als Hemmschuh, sondern auch als Beschleuniger

Daniel Barkowski, Projektleiter der Boot & Fun Berlin, vor dem Roadshow-Bus | usFoto: Thorsten Baering
Daniel Barkowski, Projektleiter der Boot & Fun Berlin, vor dem Roadshow-Bus | us

Planungssicherheit ist das A und O im Messegeschäft, für Veranstalter wie Aussteller. Eine Voraussetzung, die in Pandemiezeiten der Quadratur des Kreises gleichkommt. Daniel Barkowski von der Messe Berlin kann ein Lied davon singen. Er ist Projektleiter der Boot & Fun inwater in Werder (Havel) und der Boot & Fun in den Hallen unter dem Berliner Funkturm. Ab Januar arbeitet er mit seinem Team auf diese beiden Events hin. So wurde das erste Corona-Jahr zu einer emotionalen Achterbahnfahrt für die Messemacher aus der Hauptstadt, geprägt von vielen Aufs und Abs. "Wir hatten ein super Gefühl für 2020", erinnert sich Barkow­ski an die letzte boot Düsseldorf, wo traditionell Gespräche mit langjäh­rigen sowie potenziell neuen Ausstellern geführt werden. Beide Boot-&-Fun-Versionen, die trockene wie die nasse, fanden positive Resonanz. "Mit geschwellter Brust sind wir zurück nach Berlin gefahren." Doch spätestens als am 28. Februar die ITB Berlin, Leitmesse der weltweiten Tourismusbranche, kurz vor Beginn abgesagt wurde, war das Thema Pandemie auch bei Barkow­skis Team angekommen. "Plötzlich drehte sich jedes Gespräch mit Ausstellern um Corona. Doch wir waren mit der inwater (für Ende August geplant, d. Red.) und der Hallenmesse (November) so weit weg. Wenn mir damals jemand erzählt hätte, die Boot & Fun wird nicht stattfinden, ich hätte ihn nicht ernst genommen." Doch vor dem Frust über die Absage der Boot & Fun Berlin angesichts der zweiten Corona-Welle stand überbordende Freude. Als Anfang September wieder Messen erlaubt waren – natürlich mit Auflagen und Hygienekonzept –, läutete eine grandiose Boot & Fun inwater in Werder (Havel) das Comeback der Boat-Shows in Deutschland ein (BOOTE 11/20). "Die größten Konkurrenten lagen sich in den Armen", beschreibt Barkowski die Euphorie unter den Ausstellern. Auch bei den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern war spürbar, wie sehr sie sich nach einem solchen Ereignis gesehnt hatten. Nachdem zwei Wochen später mit der Interboot in Friedrichshafen auch die erste Wassersport-Ausstellung unter Hallendächern erfolgreich über die Bühne gegangen war, war sich Barkowski sicher, auch mit der Boot & Fun Berlin durchzukommen, wurde aber von den im Herbst stark steigenden Infektionszahlen gnadenlos ausgebremst. Doch statt nach der Absage Trübsal zu blasen, reagierten die Macher mit #BOOTschaften: einer Marketingkampagne, die es den Ausstellern ermöglichte, Boote und andere Produkte, mit denen sie normalerweise aufs Berliner Messegelände gekommen wären, in Kurzfilmen auf der Messewebsite (www.boot-berlin.de) sowie auf Facebook und Instagram vorzustellen. Und das ist noch nicht alles: Sobald der zweite Lockdown vorüber ist, gehen Barkowski und seine Crew mit der "Boot & Fun Roadshow" auf Tour zu den Ausstellern, um sie erneut online in Szene zu setzen. Da sage einer, Corona sorgt nur für Abstand, das Virus schweißt auch zusammen.

Messejahr 2020

Was fand statt, was nicht

Vor dem ersten Lockdown: Einer tollen boot Düsseldorf (1900 Aussteller aus 71 Ländern, 250 000 Wassersportfans aus 106 Ländern)folgten in Deutschland noch die Stuttgarter Rekord-Urlaubsmesse CMT, die Münchner Reise- und Freizeitmesse f.re.e, die Leipziger Wassersportmesse Beach & Boat und als letzte die Hamburg Boat Show by AWN.

Abgesagt: Die Magdeboot in Magdeburg wurde zunächst verschoben und später ganz gestrichen. Auch die Ultramarin Boatshow in Kressbronn, das Hamburg ancora Yachtfestival in Neustadt in Holstein, die Flensburg Boat Show sowie die Boot & Fun Berlin fielen der Corona-Lage zum Opfer.

Vor dem zweiten Lockdown: Einzig die Boot & Fun inwater in Werder (Havel) und die Interboot Friedrichshafen kamen durch.

Verbände

DBSV

Kommunikator während der Krise
Bestens vernetzt Beim Deutschen Boots- und Schiffbauerverband war guter Rat nicht teuer

DBSV-Geschäftsführer Claus-Ehlert Meyer auf Sendung in seinem "Studio" | o"Foto: Thorsten Baering
DBSV-Geschäftsführer Claus-Ehlert Meyer auf Sendung in seinem "Studio" | o"

Branchenverbänden kommt in Krisenzeiten eine besondere Bedeutung zu. Erst recht in einer, wie sie die Welt noch nicht kannte und auf die niemand vorbereitet war: die Corona-Pandemie. Das gilt auch für den Deutschen Boots- und Schiffbauerverband (DBSV) mit seinen rund 430 Mitgliedsunternehmen aus allen maritimen Bereichen. Dabei musste sich der DBSV erst einmal selbst auf die plötzlich hereingebrochene "neue Normalität" einstellen, bevor er die Informationen bereitstellen konnte, die die Branche so dringend benötigte, egal ob es um finanzielle Hilfen, Fragen zum Kurzarbeitergeld oder Reisebeschränkungen ging, sei es innerhalb Deutschlands, Europas oder weltweit. Der DBSV tut dies bis heute über die Verbandsgrenzen hinaus für jeden zugänglich auf seiner Homepage (www.dbsv.de) und profitiert davon, selbst Teil eines großen Verbandes zu sein: des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Wann immer es Probleme eines Mitgliedsunternehmens zu lösen galt, auf den Expertenrat des ZDH konnte DBSV-Geschäftsführer Claus-Ehlert Meyer zeitnah zählen. Um unter Pandemiebedingungen sicher und effektiv arbeiten und kommunizieren zu können, mussten er und seine Mitarbeiterinnen Brigitte Barein und Claudia Zamboni die Geschäftsstelle in Hamburg zunächst coronaklar machen. Jede(r) hat ein eigenes Büro. Meyer machte seins zu einer Kommunika­tionszentrale, die er "Studio 1" nennt: großer Monitor, kleiner Rechner und im Blickfeld der Kamera außer dem Geschäftsführer die augenfällig am Bücherregal befestigte DBSV-Flagge. "Wie viele andere mussten auch wir lernen, mit Videokonferenzen um­zugehen", sagt Claus-Ehlert Meyer. "Mittlerweile ist es Alltag geworden." Ob Mitgliederversammlungen mit 60 Teilnehmern oder die wöchentlichen Besprechungen mit dem Vorstand, Meyer lässt Zoom anschließend noch eine Weile weiterlaufen. Wie sich her­ausstellte, haben viele Teilnehmer nach dem offiziellen Teil Bedarf, sich noch weiter auszutauschen. Auch wenn persönliche Begegnungen wegen des Infektionsrisikos nach wie vor möglichst vermieden werden sollen, kommuniziert wird mehr als in der Zeit vor Corona. Nicht geringer, sondern größer war laut Meyer auch der Zeitaufwand für die Vorbereitung von Messen, auch wenn diese am Ende nicht stattfanden wie beispielsweise Palma, Monaco oder die SMM.