Pascal Schürmann
· 03.11.2022
Corona hatte dem Wassersport hierzulande enormen Auftrieb beschert. Damit ist es vorbei. Wie gut sieht sich die Bootsbranche für die neuen Herausforderungen unserer Zeit gerüstet? Und wie wirkt sich das auf die boot in Düsseldorf aus? Gestern gab es - teils überraschende - Antworten
Das Jahr 2021 war vielleicht das beste, das Werften, Ausrüster, Zubehörhändler, Schiffsmakler, Vercharterer an deutschen Binnen- und Küstenrevieren sowie die hiesigen Sportboothafenbetreiber bislang erlebt haben. In der Corona-Pandemie hatte es die Deutschen scharenweise aufs Wasser gezogen. Alles, was an Booten schwimmfähig war, wurde gekauft. Der Gebrauchtbootmarkt war leergefegt, neue Yachten kurzfristig nicht mehr lieferbar, die Häfen bis auf den letzten Platz belegt.
Entsprechend euphorisch war die Stimmung in der Branche zur Mitte des vergangenen Jahres. Da dachten viele, es ginge genauso oder sogar noch besser weiter. Die Kurve, die die Konjunkturprognose abbildet - sie wird jedes Jahr vom Bundesverband Wassersportwirtschaft bei den Mitgliedsunternehmen abgefragt- schnellte nach dem Lockdown-Jahr 2020 in nie gekannte Höhen. Knapp 86 Prozent der Bootsbauer, Händler und Ausrüster schauten optimistisch in die Zukunft.
Das hat sich gründlich geändert. Am Mittwoch stellte Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW), bei einem Pressegespräch in Hamburg die jüngsten Zahlen vor. Demnach ist die Stimmung in der Branche wieder im Keller. Nur noch 59 Prozent, so viel wie im Krisenjahr 2020, glauben, dass sich die Konjunktur mittelfristig besser oder zumindest gleich gut wie noch in diesem Jahr entwickeln wird. Schlechter war die Stimmung zuletzt 2012 und 2013 (siehe Grafik).
Neben der Corona-Pandemie wird die Lage für weite Teile der deutschen wie auch der internationalen Wirtschaft überschattet vom Ukraine-Krieg und der damit einhergehenden Inflation, den steigenden Energiepreisen und den anziehenden Zinsen. Schon zuvor hatte auch die Bootsbranche unter der Rohstoff- und Materialknappheit gelitten, hervorgerufen durch die zeitweise unterbrochenen Lieferketten.
Das alles wirkt sich unterschiedlich stark auf die einzelnen Segmente der Bootsbranche aus. Stahlhut beschreibt es wie folgt: “Die aktuelle Stimmung innerhalb der Wassersportindustrie ist nicht schlecht, euphorisch ist sie aber nicht mehr. Die Situation ist einfach kurios. Auf der einen Seite sind die Auftragsbücher der Bootsbauer voll wie lange nicht mehr, und die Wartezeiten zwischen Bestellung und Auslieferung von Booten bewegt sich auf einem Allzeithoch. Auf der anderen Seite kommen die Hersteller gar nicht mit der Produktion hinterher. Es fehlt an allem. Hat die Pandemie die Weltmarktsituation von Warenströmen schon stark negativ beeinflusst, hat der letzte Lockdown in China und nun der Ukraine-Krieg viele Lieferketten komplett zum Einsturz gebracht.”
Seien letztes Jahr um diese Zeit vor allem Motoren Mangelware gewesen, fehle es nun neuerdings eigentlich an allem, was man zum Bootsbauen benötige, so Stahlhut: Klampen, Scheiben, Beschläge, Elektrobauteile, Heizungen - die Liste könne man gefühlt unendlich weiterschreiben. “Das Gute daran ist zumindest, dass neue Lieferanten gesucht und mitunter auch gefunden werden und dass das Angebot diversifiziert wird. Ob allerdings die Qualität immer mithalten kann, wird sich erst noch zeigen müssen”, so Stahlhut.
Auf der Verbraucherseite macht sich zudem die Angst vor der allgemeinen Preissteigerung breit. Das bekommen nun als erstes die Anbieter kleinerer Boote zu spüren. Betroffen ist hier insbesondere der Motorbootbereich bis 20.000 Euro. Wurden diese Boote den Händler unlängst noch förmlich aus den Händen gerissen, finden sie nun immer weniger Abnehmer. Karsten Stahlhut: “Dies ist der allgemeinen Verunsicherung insbesondere der jungen Familien geschuldet, die aktuell nicht wissen, ob sie die Energiekosten und die allgemeine Inflation noch stemmen können.” Die allgemeine Konsumzurückhaltung bricht sich mithin auch im Wassersport Bahn.
In den größeren Motorboot-Klassen sieht die Lage hingegen etwas positiver aus, heißt es in der offiziellen BVWW-Erklärung: “Hier ist nach wie vor eine gute, solide Nachfrage zu verzeichnen. In dem Segment spielt es offenbar keine Rolle, ob die Yacht 300.000 oder 350.000 Euro kostet. Auch der gestiegene Preis für Kraftstoff spielt hier offenbar eher eine untergeordnete Rolle. Insgesamt wird die Lage von den Unternehmen mit rund 65 Prozent besser oder zumindest auf Vorjahresniveau eingeschätzt.
Ähnliche Tendenzen weist auch die Nachfrage nach Segelbooten auf. Je größer die Yachten werden, desto größer scheint die aktuelle Nachfrage zu sein. So kommt die größte Klasse ab 12 Meter ebenfalls auf eine mindestens neutrale (39 Prozent) oder positive Bewertung (22 Prozent) der aktuellen Geschäftslage (siehe Grafik).
Im Aufwind seien zudem Segelschulen und Bootsservicebetriebe gewesen. Bei den hierzulande ansässigen Vercharterern habe sich nach dem Boomjahr 2021 in der zurückliegenden Saison wieder so etwas wie Normalität eingestellt. Da die Menschen wieder reisen, namentlich fliegen, durften, waren auch Charterdestinationen im Ausland wieder erreichbar. Am meisten gelitten hat hingegen der Tauchsport. Viele Tauchbasen im Ausland hatten in der Pandemie aufgeben müssen, davon hat sich dieses Wassersportsegment noch nicht wieder erholt.
“Zusammenfassend über alle Bereiche kann man festhalten, dass nach wie vor knapp 40 Prozent der BVWW-Unternehmen die aktuelle Geschäftslage besser bewerten als im Vergleichszeitraum 2021. Dennoch ist ein Rückgang der Euphorie zu verzeichnen.. Die vielen weltweiten Ereignisse trüben die Stimmung ein”, zieht Stahlhut Bilanz. Und fügt hinzu: “Nachdem die Branche in den letzten zwei Jahren von der Pandemie stark profitierte und die Kunden von alleine kauften, werden die Hersteller und Händler in der Zukunft wieder deutlich mehr für den Erfolg ihres Geschäftes investieren müssen.
Diese Entwicklung findet ihren Niederschlag ganz konkret bereits im Januar, wenn in Düsseldorf nach Corona-bedingter Zwangspause endlich wieder die Messe boot stattfindet. Die Aussichten für die weltgrößte Wassersportausstellung an Land seien rosig. Die Hallen nahezu restlos ausgebucht, das Hygienekonzept ausgereift und erprobt, die Energieversorgung gesichert, die Eintrittspreise auf dem gleichen Niveau wie vor zwei Jahren, die Zahl der Neuerungen groß - so tat es beim Pressegespräch in Hamburg ein sichtlich zufriedener boot-Director Petros Michelidakis kund.
Die Querelen im Zuge der Absagen der boot in den Vorjahren scheinen vergessen, insbesondere die Motorboothersteller rennen den Düsseldorfern offenbar die Hallentore ein. “Die Messe ist exzellent gebucht, im Motorbootbereich führen wir Wartelisten, und einzelne Aussteller mussten wir bitten, Teile ihrer Standflächen für andere Aussteller freizugeben”, berichtete Michelidakis. Der gestiegenen Nachfrage nach großen, voluminösen und luxuriösen Motoryachten habe man mit einer neuen Hallenbelegung Rechnung getragen. So gibt es 2023 erstmals eine Superboats-Halle (Halle 5).
Nicht ganz so groß ist der Andrang bei den Segelboot- und Segelyachtherstellern. Zwei namhafte Werften, Hanse und X-Yachts, sind Stand heute nicht in Düsseldorf dabei. Man sei aber noch im Gespräch, so der boot-Director. Und ob die anderen Segelbootsaussteller mit der gewohnten Anzahl Schiffe kommen, ist ebenfalls fraglich. Michelidakis vermochte eine entsprechende Nachfrage nicht zu beantworten. Nach YACHT-Informationen werden aber zumindest vereinzelt Werften nicht mit der gewohnten Vielzahl Schiffe in Düsseldorf dabei sein.
Immerhin hat Michelidakis aber auch für die Segler eine tolle Überraschung, die den ein oder anderen gegebenenfalls zu einen Messebesuch veranlassen könnte: Wally stellt erstmals am Rhein eine Segelyacht aus. In Halle 16 wird eine 37 Fuß große Wally Nano zu sehen sein. Insgesamt füllen Segelboote im kommenden Jahr aber nur noch die beiden Hallen 15 und 16.
Die angrenzende Halle 17 wird zum Surfspot. Da die “Welle”, jenes Becken, in dem man surfen konnte, nicht mehr da sein und damit die Halle 8a vor dem Nordeingang nicht mehr bespielt wird, brauchten die Surfer ein neues Domizil. Das bekommen sie, samt neuem, riesigem Wasserbecken und jeder Menge Windmaschinen. Denn: Auf der boot stehen bei den Surfen die Trendsports Wingsurfen und Foiling klar im Vordergrund. Dafür braucht es eine kräftige Brise.
Auch sonst gibt es bei der Hallenbelegung einige Veränderungen. Was wo im kommenden Jahr zu finden sein wird, zeigt der Hallenplan.
Petros Michelidakis betont, dass 2023 trotz des Wegfalls der Hallen vor dem Nordeingang genauso viel Fläche von den Ausstellern belegt werde, wie 2020. Nur einige wenige Aussteller aus den Vorjahren hätten ihr Kommen definitv abgesagt. Wichtig sei ihm, Michelidakis, zudem, darauf hinzuweisen, dass man ukrainischen Firmen bis zuletzt Plätze freihalten werden. Viele Unternehmen, darunter auch Bootshersteller, seien im Krieg zerstört worden.
Eine andere Neuerung in Düsseldorf ist das Blue Innovation Dock. Dies ist ein Forum und eine Bühne, um Nachhaltigkeitsideen und -projekte im Wassersport zu fördern und zu präsentieren. Und um politische Einflussnahme auszuüben, und das möglichst auf europäischer Ebene.
Schließlich wies Petros Michelidakis noch darauf hin, dass man in Sachen Energieversorgung seine Hausaufgaben gemacht habe. Die Aussteller bräuchten keine Zusatzgebühren wegen steigender Strompreise befürchten. Die Stromverträge der Messe seien langfristig geschlossen. Gleiches gelte für die Gasversorgung der Messe. Das Messe-eigene Kraftwerk können bei Bedarf zudem auf Öl umgestellt werden, die Hallen würden wie gewohnt geheizt. Und zwar wie eh und je auf 18 bis 19 Grad, daran werde sich nichts ändern. Die Menschenmengen und das Scheinwerferlicht würden wie in den Vorjahren dafür sorgen, dass die Temperaturen automatisch kletterten.
Auch hinsichtlich der aktuell steigenden Corona-Infektionszahlen zeigt sich der boot-Chef gelassen. Alle Hallen seien mit Luftfiltern ausgestattet worden. Die arbeiten nach seiner Aussage so gut, dass man sogar die Hallentore künftig nicht mehr zum Lüften öffnen brauche.
Last but not least können die Messebesucher zu den gewohnten Konditionen ihre Tickets kaufen. Die Preise der Eintrittskarten steigen nicht, mit Ausnahme des Erwerbs vor Ort an der Messekasse.
Die boot findet statt vom 21. bis 29. Januar 2023. Erwartet werden rund 1.500 Aussteller, die ihre Produkte in 16 Hallen zeigen.