Saisonstart Special, Teil 10Festmacher – Worauf Sie achten müssen

Hauke Schmidt

 · 01.02.2023

Das Saisonstart-Special wird präsentiert von:
Saisonstart Special, Teil 10: Festmacher – Worauf Sie achten müssenFoto: Yacht/K. Andrews

Festmacher sind das wichtigste  Verschleißteil an Bord – ihnen wird das Schiff über Wochen anvertraut. Nur wenn die Leinen Schwell und Scheuern verkraften, kann die Crew ruhig schlafen. Zwölf Taue im Test


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Obwohl praktisch täglich im Einsatz, geraten die Festmacher leicht in Vergessenheit. Das mag daran liegen, dass die Crew nur beim An- und Ablegen kurz mit ihnen beschäftigt ist. Während sich ein unruhig laufender Motor ständig ins Gewissen drängt, arbeiten und altern die Festmacher an Bug und Heck quasi unter dem Radar.

Dabei hängt das Schicksal der Yacht rund ein Drittel des Jahres von den Leinen ab. In einer typischen nordeuropäischen Saison befindet sich das Schiff etwa 160 Tage am Liegeplatz. Häufig ohne Aufsicht, denn meist ist der Eigner nur im Urlaub oder an den Wochenenden an Bord. Dass eine gewisse Sorglosigkeit unangenehme Folgen haben kann, hat schon unser letzter Festmacher-Test gezeigt (BOOTE 5/2010). Vor allem der enorme Bruchlastverlust der angescheuerten Leinen mahnte zum rechtzeitigen Tausch. Inzwischen haben fast alle in Deutschland vertretenen Hersteller neue Leinen auf den Markt gebracht. Eine Sichtung ergab elf neue Produkte von Gleistein, Lancelin, Maffioli, Marlow und Robline/Teufelberger, darunter sechs Kern-Mantel-Kons­truk­tio­nen, zwei Hohlgeflechte und drei Squarelines. Als Referenz haben wir die altbewährte und im letzten Test gut bewertete Handy-Elastic von Li­ros hinzugefügt, ebenfalls eine Kern-Mantel-Konstruktion.

Was die Leine leisten muss

In erster Linie muss das Tau genügend Festigkeit besitzen, um das Boot auch bei Starkwind sicher am Liegeplatz zu halten. Zudem sollte es möglichst viel Dehnung bieten. Je mehr Energie eine Leine durch Längenänderung aufnehmen kann, desto weicher ruckt das Schiff bei Schwell ein, was die Belastung der Klampen verringert und den Aufenthalt an Bord komfortabler gestaltet. Das alles hilft jedoch nichts, wenn das Tauwerk beim ersten Kontakt mit einem ros­tigen Eisenring, einer Lippklampe oder der Beton-Kaianlage Fasern lässt. Daher ist auch die Scheuerfestigkeit ein entscheidender Punkt. Gerade hier waren wir auf die Ergebnisse der neuen Produkte gespannt. Im letzten Test waren schon bei moderater Abnutzung drama­tische Bruchlastverluste aufgetreten.

Auch sollte die Leine möglichst geschmeidig sein, sie soll sich schließlich gut belegen und aufschießen lassen. Auch Kink­nei­gung ist unerwünscht. Nicht sauber auslaufende Slipleinen bringen die Crew bei starkem Seitenwind schnell in Bedrängnis. Um diese Anforderungen möglichst gut zu erfüllen, arbeiten die Hersteller seit Jahren an der Kombination von Seilkonstruk­tion und Material. Für Festmacher kommen im Prinzip zwei Kunststoffe infrage: Poly­ester und Poly­amid, auch unter dem Marken­namen Nylon bekannt, sind die am besten geeigneten Materialien. Das ebenfalls angebotene Polypropylen ist zwar sehr günstig, aber auch deutlich licht- und scheuer­emp­find­licher. Daher altert es sehr schnell und wird hart; deshalb haben wir Polypropylen-Tauwerk nicht berücksichtigt. Als Bootsfestmacher sollte es nur zum Einsatz kommen, wenn die Leine unbedingt schwimmfähig sein muss.

Bei den Durchmessern haben wir uns an einem virtuellen, zehn Meter langen Test­boot orientiert. Gefordert waren mindestens 3000 Dekanewton Bruchlast, woraus sich 14 Millimeter starke Leinen ergeben. Lediglich die Flat Mooring von Robline erfüllte diese Vorgabe laut Kata­log­an­ga­be nicht, wurde aber trotzdem in 14 Milli­meter geliefert. Zu Recht – im Test ermittelten wir eine mittlere Bruchlast von rund 4600 Dekanewton, gut 60 Prozent über der Herstellerangabe und mehr als ausreichend.

Erfreulich: Keine der Leinen hat die Herstellerangabe um mehr als 18 Prozent unterboten, in der Regel hielten die Seile sogar deutlich höhere Kräfte aus. Die größte Abweichung nach unten trat bei der ETS von Lancelin auf. Mit ihren 4077 Dekanewton ist die Leine für das Testboot aber immer noch sehr gut ge­eignet. Ihrem Namen alle Ehre macht die Maxidock von Maffioli: Mit mehr als 5600 Dekanewton besitzt sie die höchste Bruchlast im Test.

Tipps gegen Scheuern zum Durchklicken:

Zum Anlegen: Der Schutz von Outils Ocean besteht aus PVC-Plane, er lässt sich um die Leine legen und wird per Klett verschlossen. Eine Gum­mierung verhindert das Verrutschen. Preis: ca. 27 Euro pro Stück
Foto: Hersteller

In der Praxis spielt die Bruchlast eines Festmachers nur indirekt eine Rolle, aus ihr wird die Arbeitslast abgeleitet. Nach den Empfehlungen der Klassifizierungs­gesellschaft DNV GL sollte sie höchstens 20 Prozent der Bruchlast betragen, was bei den Testkandidaten Werten zwischen 735 und 1128 Dekanewton entspricht. Höhere Arbeitslasten bieten Spielraum für mechanische Beschädigungen des Seils.

Um die Abriebfestigkeit zu prüfen, haben wir alle Leinen unter exakt gleichen Bedingungen wie beim letzten Test angescheuert und anschließend die Bruchlast des beschädigten Seils ermittelt. Nach dem Test weist die Polyester-Squareline von Lancelin die geringste Beschädigung auf, hier sind noch knapp 60 Prozent der ursprünglichen Festigkeit vorhanden. Am schlechtesten schnitten die Handy-Elastic von Liros und die Dock Twin von Gleistein ab; sie verloren 60 beziehungsweise 55 Prozent ihrer Bruchlast. Nur die Maxidock von Maffioli erreichte auch nach dem Scheuertest noch die geforderte Bruch- beziehungsweise Arbeitslast für unser Testboot. Die Leine verlor lediglich 44 Prozent ihrer Festigkeit und besaß durch ihre hohe Bruchlast auch anschließend noch die nötigen Reserven.

Die Materialwahl, sprich Polyester oder Polyamid, spielt für die Scheuerfestigkeit der Leine praktisch keine Rolle, beide Kunststoffe liegen ungefähr gleichauf. Und auch in der Konstruktion ergibt sich kein klares Bild. Kern-Mantel-Geflechte, Hohlgeflechte und Squarelines schneiden je nach Hersteller mal besser, mal schlechter ab. Auffällig ist vor allem jedoch eines: Die Optik täuscht. Die auf den ersten Blick fast unversehrt wirkende Handy-Elastic von Liros büßte 60 Prozent ihrer Bruchlast ein, es müssen also sehr viele Fasern beschädigt worden sein, während die optisch deutlich beeinträchtigte Maxidock nur 44 Prozent verlor.

Das Material entscheidet

Bei der Dehnungsmessung sind die aus Polyamid gefertigten Seile ganz klar im Vorteil, sie bieten bis zu dreimal mehr Reck als Polyestertauwerk (s. u.). Augenscheinlich wurden diese Differenzen schon beim zu betreibenden Testaufwand. Während sich die Polyesterleinen nach der obligatorischen Vor­be­lastung ohne Probleme in einem Arbeitsgang bis zur Bruchgrenze ziehen ließen, reichte der Weg der Reißprüfmaschine bei Poly­amid-Erzeugnissen nicht aus – sie verlängerte sich so ausdauernd, dass wir jeden Zugversuch unterbrechen und die Lose zum Teil mehrfach nachspannen mussten. Die höchste Dehnung besitzt die Nylon-Squareline von Robline, sie reckt bei Arbeitslast um rund 15 Prozent und erreicht auch bei unserer Vergleichslast von 600 Dekanewton die besten Werte. Am anderen Ende der Skala liegen die Amarre von Lancelin und die Blue Ocean von Marlow mit 3,8 und 4,6 Prozent.

Der geringe Reck der Blue Ocean ist materialbedingt, es handelt sich um ein Seil aus Re­cycling-PET, sprich Polyester, das aus leeren Getränkeflaschen gewonnen wird. Bei der Amarre überrascht das schlechte Abschneiden aber. Ihr Kern besteht aus Poly­amid, die Leine sollte also eigentlich stark dehnen. Offenbar begrenzt der relativ kompakte Polyester-Mantel den Reck, womit sich das Seil wie ein reines Polyester-Produkt verhält.

Wer solche Leinen an Bord hat, muss bei Schwell mit hartem Einrucken rechnen. Hier empfiehlt sich auf jeden Fall die Nachrüstung von Ruckdämpfern.

Optimal wäre natürlich beides, ein dehnungs­fähiges Tau und in unruhigen Häfen ein zusätz­licher Gummipuffer. Die Dehnungswerte machen Polyamidtauwerk zum prädes­tinierten Festmacher, allerdings steht dem eine andere Material­eigenschaft entgegen: Polyamid nimmt Wasser auf, mit der Folge, dass die Fasern schrumpfen. In der Praxis bedeutet dies: Die Leinen können nach kurzer Zeit steif und unhandlich werden. Besonders schnell verhärten geschlagene Seile; Kern-Mantel-Geflechte und Squarelines dagegen sind wesentlich unkritischer. Daher behalten moderne Polyamidseile ihre Geschmeidigkeit über viele Jahre.

Um die Alterung zu beschleunigen, haben wir die Polyamidproben fünf Tage lang in 65 Grad warmem Wasserbad gelagert. Durch diesen Stresstest wurden die Leinen etwas steifer; signifikante Unterschiede zwischen den Produkten ließen sich nicht ausmachen.

Handiges Handling

Am besten schmiegen sich die Hohl­geflechte und Squarelines um Klampen und Poller. Sie neigen aber auch dazu, dass an rauen Oberflächen einzelne Fasern aus der Konstruk­tion gezogen werden. Besonders anfällig erscheinen uns die Flat Mooring und die lang geflochtene Squareline von Lancelin. Die Kern-Mantel-Konstruktionen liegen ebenfalls gut in der Hand und lassen sich leicht aufschießen. Lediglich die Amarre von Lancelin ist etwas weniger geschmeidig und neigt eher zur Kinkenbildung. Bei der Spleißbarkeit gibt es im Grunde nur die konstruktions­bedingten Unterschiede. Hohlgeflechte lassen sich am leichtesten verarbeiten. Für die Squarelines ist etwas Übung nötig, um den Überblick zu behalten, nur Kern-Mantel-Konstruktionen erfordern mehr Aufwand. Damit die Bruchlast erhalten bleibt, müssen sowohl der Kern als auch der Mantel miteinander verspleißt werden.

Keine Preisfrage

Ruft man sich in Erinnerung, wie lange das Schiff unbeaufsichtigt an den Fest­machern hängt, wird klar: Bei der Entscheidung fürs Tauwerk sollten keine Kompromisse einge­gangen werden. Die überragende Dehnung macht Polyamid­leinen zur ersten Wahl. Sie sorgen nicht nur für entspannte Nächte an Bord, sondern schonen auch die Beschläge. In der Regel bieten sie höhere Bruchlasten, was für größere Sicherheitsreserven bei Beschädigungen sorgt. Wenn sie nach einigen Jahren verhärten, ist es besser, sie auszuwech­seln. Polyestertauwerk dagegen bleibt zwar schön geschmeidig, aber eben auch reckarm und ist somit weniger gut geeignet. Betrachtet man die enormen Festigkeitsverluste, die mit einer Beschä­di­gung der Leinen einhergehen, sollten die Festmacher sowieso auch bei jedem erkennbaren Schaden umgehend getauscht werden.

Mit sehr guter Dehnung und guter Verschleißfestigkeit sichert sich die Nylon-Squareline von Robline den Testsieg, dicht gefolgt von der Maxidock von Maffioli als bestem Kern-Mantel-Geflecht. Ebenfalls unter den Top Drei liegt die ETS von Lancelin; da sie eine der güns­tigsten Leinen ist, bekommt sie zudem den Preis-Leistungs-Tipp. Wer zur Dock Twin, der Handy-Elastic oder der Palma Elastic greift, trifft aber auch keine schlechte Wahl.

Die Polyester-Festmacher schneiden durchweg schlechter ab. Am besten schlägt sich die Squareline von Lancelin. Die Blue Ocean kann allenfalls mit ihrem Umweltschutzaspekt punkten.

So haben wir getestet

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Foto: YACHT/H. Schmidt

Dehnung, Bruchlast, Scheuerbeständigkeit und Handling lassen sich im Labor objektiv und reproduzierbar beurteilen

Gute drei Tage haben wir das Prüflabor der Firma Liros komplett in Beschlag nehmen dürfen, um die Festmacher zu testen. Besonders zeitraubend ist die Dehnungsmessung, denn jedes Seil weist neben dem materialabhängigen Reck noch die sogenannte Konstruktionsdehnung auf – eine frisch aus der Flechtmaschine kommende Leine verhält sich anders als eine bereits mehrfach gespannte. Daher haben wir alle Festmacher vorgereckt, bevor die Dehnung bestimmt wurde. Insgesamt waren 84 Zugversuche nötig. Die Anzahl der Scheuerzyklen haben wir in Vorversuchen so gewählt, dass keine Leine vollständig zerstört wurde. Nach dieser Tortur wurde die Bruchlast des geschädigten Taus auf der Reißprüfmaschine bestimmt.

Ist die noch gut?

Verkehrte Welt Die Handy-Elastic (l.) wirkt fast unversehrt. Tatsächlich hat sie bei der Scheuerprüfung weit mehr Bruchlast ein­gebüßt als die stark auf­gefusselte Maxidock (r.)Foto: H.. Schmidt
Verkehrte Welt Die Handy-Elastic (l.) wirkt fast unversehrt. Tatsächlich hat sie bei der Scheuerprüfung weit mehr Bruchlast ein­gebüßt als die stark auf­gefusselte Maxidock (r.)

Per Augenschein lässt sich der Zustand eines beschädigten Festmachers leider nicht zuverlässig Einschätzen

Das kennt jeder Skipper: Nach einer unruhigen Nacht sind an den Festmachern Scheuerspuren zu erkennen – aber wegen ein paar Fusseln gleich die Leine tauschen? So schlimm sieht es ja nicht aus. Wie falsch man mit dieser Einschätzung liegen kann, zeigt die Bruchlast-Prüfung. Wie üblich, haben wir die beschädigten Leinen nach dem Scheuertest zunächst optisch begutachtet und entsprechend der sichtbaren Beschädigung sortiert. Klarer Gewinner war demnach die Handy-Elastic, bei der anscheinend nur sehr wenige Fasern beschädigt waren. Dagegen sahen die Dock Twin, Maxidock und Palma Elastic nicht sehr vertrauenswürdig aus. Tatsächlich hatten sie aber alle weniger Festigkeit eingebüßt.

Testergebnisse

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Nachgeben oder Aufgeben?

Eine bei Schwell hart einruckende Leine ist nicht nur unkomfortabel, sie belastet auch die Beschläge. Daher sollte sich der Festmacher möglichst stark dehnen, um viel Energie aufzunehmen. Neben dem Wert bei der individuellen Arbeitslast des Seils haben wir zum Vergleich auch die Dehnung für eine feste Last von 600 Dekanewton ermittelt | Grafik: YACHT/H. Schmidt
Je nach Material und Konstruktion der Leinen gibt es in den Disziplinen Dehnung und Bruchlast deutliche Unterschiede. Nicht alle Seile sind optimale Festmacher

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