Johannes Erdmann
· 02.11.2021
Richtige Mischung: Bei der Auswahl von Frostschutzmitteln ist Vorsicht geboten. Wir zeigen, welche Fehler man unbedingt vermeiden sollte
Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich aus. Eine Binsenweisheit. Genauer nimmt Wasser beim Gefrieren im Volumen um bis zu zehn Prozent zu. Befindet es sich dabei in einem geschlossenen Raum wie einem Behälter oder einem Tank, entwickelt es einen gehörigen Druck auf die Außenwände.
"Du musst in alle Leitungen Frostschutz hineinmachen, damit sie nicht platzen", bekommt der Novize schon mal als guten Rat beim ersten Einwintern des Schiffs zu hören, "Der Alkohol darin ist es ja, was frostfrei hält." Schließlich sticht der schärflich süße Geruch des Alkohols auch in die Nase, wenn man im Auto die Scheibenwischanlage betätigt.
Noch mehr Informationen? Teil 2 des Winter-Journals "Richtige Mischung" finden Sie mit weiteren Erläuterungen in BOOTE-Ausgabe 11/2021 seit dem 20.10.2021 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.
Doch könnte ich beispielsweise auch Scheibenputzflüssigkeit nutzen, um meinen Trinkwassertank einzuwintern? Viele Bootseigner stehen deshalb jeden Herbst im Baumarkt und stellen sich selbst die Frage nach den Unterschieden der bunt gefärbten Flüssigkeiten. Ist es nicht egal, was ich nehme, solange genug Alkohol enthalten ist?
Mitnichten. Denn Frostschutzmittel ist längst nicht nur dafür gedacht, vor Frost zu schützen, und die unterschiedlichen Mittel haben deutliche Unterschiede in ihren Eigenschaften. Bei falschem Einsatz kann das Schiff schweren Schaden nehmen und im schlimmsten Fall sogar sinken.
Glykol statt Alkohol
Der Grund, weshalb eine Mischung aus Ethanol (umgangssprachlich: Alkohol) und Wasser erst bei sehr niedrigen Temperaturen gefriert, liegt in der Unterschiedlichkeit der Moleküle von Ethanol und Wasser. Sie sind derart verschieden, dass es dem Wasser kaum möglich ist, ein gemeinsames Eiskristallgitter aufzubauen, weil es durch darin gemischte Ethanolmoleküle permanent daran gestört wird. Deshalb bleibt das Gemisch auch im Winter flüssig. Zumindest bis an sehr extreme Temperaturen heran. Bei den meisten Frostschutzmitteln bis minus 50 Grad. Das Ethanol senkt also den Gefrierpunkt von Wasser.
Grundsätzlich eignet sich Ethanol mit seinem spezifischen Gefrierpunkt von minus 114 Grad Celsius sehr gut zum Schutz vor Frost. Deshalb wird es auch in entfrostenden Produkten, beispielsweise im Türschlossenteiser, eingesetzt. Doch ein Frostschutzmittel hat noch weitere Aufgaben. Beim Einsatz im Motor ist es in erster Linie eine Kühlflüssigkeit. Für diesen Einsatz eignet sich Ethanol mit einer Siedetemperatur von 78 Grad aber überhaupt nicht, denn die Kühlflüssigkeit würde noch früher als Wasser beginnen zu kochen. Boots- und Automotoren arbeiten gewöhnlich bei 90 Grad.
Das ist der Grund, weshalb in Kühlflüssigkeit statt einwertigen Alkohols der zweiwertige Alkohol Ethylenglykol oder umgangssprachlich "Glykol" Verwendung findet. Der Schmelzpunkt liegt bei reinem Glykol zwar nur bei minus 15 Grad, in Verbindung mit Wasser liegt die Erstarrungstemperatur aber noch tiefer. Ein Glykol-Wasser-Gemisch im Verhältnis 1 : 1 gefriert erst bei minus 40 Grad.
Obwohl sich Glykol von Ethanol ableitet, ist es eine vollkommen andere Flüssigkeit. Die Viskosität beispielsweise ist sehr viel höher, und die Flüssigkeit fühlt sich geradezu ölig an. Ein Vorteil, denn dadurch werden bewegliche Teile wie die Kühlwasserpumpe und Thermostat zugleich geschmiert.