Vorreiter bei der Entwicklung biozidfreier Alternativen ist die Berufsschifffahrt. Dort schlägt sich Bewuchs enorm in den Treibstoffkosten nieder. Zudem ist die Schifffahrt an einem grünen Image interessiert. „Die für selbstpolierende Yachtantifoulings gerade einsetzende Diskussion über den Eintrag von Mikroplastik führen wir mit Reedern schon lange“, so Thomas Zeller vom Farbhersteller International.
Ein Großteil der Kreuzfahrer ist inzwischen mit sogenannten Fouling-Release-Systemen beschichtet. Statt den Bewuchs zu vergiften, setzt man auf eine glatte und glitschige Oberfläche, die es Pocken und Algen erschwert, sich festzusetzen. Bei längeren Liegezeiten kann sich Bewuchs bilden. Dieser haftet aber so schlecht, dass er in Fahrt abgewaschen wird. Das Unterwasserschiff ist also selbstreinigend.
Die ersten Versuche, diese auf Silikon basierende Technologie auch mit Yachten zu nutzen, gab es vor rund 15 Jahren. Allerdings bot die Beschichtung bei Weitem nicht den gewünschten Effekt und war zudem schwierig zu verarbeiten.
Inzwischen haben fast alle Hersteller ein Fouling-Release-System für Yachten im Angebot. „Wir konzentrieren uns voll auf umweltfreundliche Lösungen. Die Entwicklung biozidhaltiger Produkte ist praktisch eingestellt“, so Zeller.
Wer in einem Revier mit schwachem Bewuchs segelt, hat inzwischen mehrere biozidfreie Anstrichsysteme zur Wahl. Die Bandbreite reicht von sehr harten und glatten Beschichtungen, die für eine mechanische Reinigung geeignet sind, über selbstpolierende Farben, die sich mit dem Bewuchs abwaschen, bis zu den silikonbasierten Lösungen.
Letztere bieten derzeit den besten Bewuchsschutz und kommen daher auch für die deutschen Küstengewässer in Frage.
Der erste Vertreter der aktuellen Generation war Silic One von Hempel. Die Praxiserprobung dieser Beschichtung haben wir bereits 2015 begleitet, mit gutem Ergebnis.
Wer viel und schnell fährt, profitiert von der Selbstreinigung der Systeme. Die Hersteller versprechen in der Regel, dass sich der Bewuchs ab acht Knoten löst. Bei langsamen Tuckerbooten genügt die Geschwindigkeit nicht und es muss nachgeholfen werden, am besten per Schwamm. Die in Skandinavien verbreiteten Bootswaschanlagen sind ungeeignet. Ihre Bürsten würden die empfindliche Silikonbeschichtung zerstören.
Ein schonendes Waschsystem mit Hochdruckdüsen wird derzeit von Fjordtech in Norwegen entwickelt, es ist aber nur für Motorbootrümpfe geeignet und schon deren Antriebe bereiten Probleme. „Wir haben noch keine Idee, wie eine automatische Reinigung von Segelyachten aussehen könnte“, so Firmenchef Erlend Nordbak.
Anfänglich war beim Wechsel auf ein Silikon-System das Entfernen des alten Anstrichsystems nötig. Allein die Kosten dafür schreckten viele Eigner ab. Inzwischen gibt es Conversion-Primer, mit deren Hilfe man die Beschichtung über ein konventionelles Antifouling rollen kann. Trotzdem ist bei der Verarbeitung einiges an Planung nötig.
So dürfen die Temperaturen nicht unter zehn Grad liegen, da das System sonst nicht die gewünschten Eigenschaften besitzt. Außerdem härten angebrochene Gebinde zum Teil innerhalb von Stunden aus. Sie können also nicht bis zum nächsten Winter aufgehoben werden. Sorgfalt ist auch beim Kranen nötig, damit die Beschichtung nicht beschädigt wird.
Wer sein Boot häufig aus dem Wasser holt oder per Hänger zum Revier fährt, ist mit den weichen Silikon-Systemen nicht gut beraten. Die relativ empfindliche Oberfläche hält der Belastung durch die Auflagen nicht stand. Außerdem werden die Beschichtungen im feuchten Zustand derartig glatt und glitschig, dass es kaum möglich ist, das Boot sicher auf dem Trailer zu verzurren. Wenn ein Foul-Release-System zum Einsatz kommen soll, ist das Protector Hard von Yachtcare die erfolgversprechendste Option, siehe unten.
Eine der neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Fouling-Release-Systeme stammt von der Vosschemie aus Uetersen. Die unter dem Markennamen Yachtcare vertriebenen Anstriche Safeguard SP und Protector Hard setzen auf ein sogenanntes Lubricator Fluid und lassen sich fast wie ein dicker Lack verarbeiten. Ein großer Vorteil für Eigner, die von herkömmlichen Antifoulings umsteigen möchten: Diese Beschichtungen können in den meisten Fällen direkt auf den vorhandenen, angeschliffenen Altanstrich aufgetragen werden. Lediglich Dünnschicht-Antifoulings müssen vorher entfernt werden. Ein spezieller Sperrprimer ist nicht erforderlich.
Die biozidfreien Unterwasseranstriche von Yachtcare sind für den Einsatz in Gewässern mit schwachen bis mittleren Bewuchsverhältnissen konzipiert. In Regionen mit starkem Bewuchs oder besonders aggressiven Organismen stoßen sie allerdings an ihre Grenzen. Hier empfiehlt der Hersteller, den Rumpf regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls eine zusätzliche Reinigung während der Saison einzuplanen.
Die Reinigung selbst soll sich nach Herstellerangaben einfach gestalten. Yachtcare empfiehlt, eventuell vorhandenen Bewuchs unmittelbar nach dem Auskranen und im noch feuchten Zustand zu entfernen. Eine Reinigung mit moderatem Hochdruck ist dabei möglich und in den meisten Fällen ausreichend.
Das Fouling-Release-System von International besteht aus einem Haftvermittler, Tiecoat genannt, und der eigentlichen Silikonbeschichtung. Für den Umstieg von herkömmlichen Anstrichen gibt es einen Conversion Primer. Beim Neuaufbau sind zwei Schichten B-Free nötig, danach muss das Boot innerhalb eines Monats ins Wasser.
Beim Bioclean von Seajet ist kein Conversion-Primer nötig. Der Tiecoat kann direkt auf alte Anstriche aufgetragen werden, außerdem bestimmt der Haftvermittler die Farbe des Anstrichs, die Silikonbeschichtung selbst ist transparent. Es sind nur 2,5-Liter-Gebinde verfügbar, das ist zum Ausbessern ungünstig. Bis zu zwei Jahren lagerfähig.
Silic One war das erste funktionierende Silikon-System für Yachten. Mittels Conversion-Primer und Tiecoat kann es auf Altanstriche aufgetragen werden. Es sind zwei Schichten nötig. Diese sollen bis zu zwei Saisons von Bewuchs schützen. Nach der letzten Lage muss das Boot innerhalb eines Monats zu Wasser.
Safeguard SP ist eine selbstpolierende und biozidfreie Beschichtung, die direkt auf Altanstriche aufgetragen werden kann. Ein Primer oder Tiecoat ist nicht nötig. Die genaue Zusammensetzung verrät der Hersteller nicht. Kern des Systems soll ein sogenanntes Lubricator Fluid sein, das ungiftig und umweltverträglich sein soll. Die Oberfläche ist deutlich robuster als bei anderen silikonbasierten Systemen, sodass der Anstrich auch zum Trockenfallen geeignet ist.
Wer eine noch robustere Variante sucht, die zum Beispiel für Trailerboote geeignet ist, kann zum Protector Hard greifen. Die Beschichtung funktioniert ähnlich, ist aber nicht selbstpolierend und bietet damit etwas weniger Bewuchsschutz.
Bei den Foul-Release-Folien ist Macglide am weitesten verbreitet. Das Material nutzt dieselbe Silikon-Technologie wie die flüssigen Produkte. Da sich die Folien nicht dehnen lassen, müssen sie in Segmenten um Rundungen geklebt werden. Die Applikation übernehmen Profi-Betriebe.
Inspiriert vom undurchdringlichen Stachelplez des Seeigels, verfolgt die holländische Firma Finsulate einen eigenen Weg, der ihr 2019 den europäischen Innovationspreis einbrachte. Die Idee: Eine Folie mit Fasern, die so dicht zusammenliegen, dass sich Algen, Pocken und Muscheln nicht darauf anheften können – ganz ohne Gift. Je nach Schiffstyp und Einsatzgebiet gibt es verschiedene Modelle. Das Aufkleben der Folie übernimmt der Hersteller.
Er garantiert eine Haltbarkeit von fünf Jahren, die Folie muss aber regelmäßig gereinigt werden. Ein Erfahrungsbericht von Timo Strauch, der mit seiner Segelyacht vom Typ Hanseat 70 und der Seagrade-Version für Süß- und Salzwasser von Berlin aus seine Weltumsegelung startete und gerade im spanischen Gijon angekommen ist: „Das Schiff lag sechs Monate im Ryck bei Greifswald, da hatte sich eine Menge Bewuchs festgesetzt, der aber mit dem Hochdruckreiniger wieder gelöst werden konnte. Jetzt, wo ich das Boot ständig bewege, bleibt kaum etwas haften, und wenn doch, kann ich es unter Wasser mit einem Handschuh einfach abwischen.“ Ob die Seeigeltechnik weltweit über die nächsten Jahre hält, was sie verspricht, gilt es noch zu beweisen.