Unbekannt
· 23.09.2017
Bugstrahlruder mit regelbahrer Drehzahl - sogenannte Proportional-Bugschrauben - haben viele Vorteile. Wir testeten das Side-Power SE 80 mit DC-Controller
Dass Bugstrahlruder dem Skipper das Leben leichter machen, ist hinlänglich bekannt. Bekannt ist aber auch, dass herkömmliche Bugschrauben als "Radaubrüder" verschrien sind. Wer zur Hochsaison eine Schleuse mit vielen Sportbooten passiert, weiß, wovon die Rede ist: allenthalben übel klingende, metallisch schnarrende Geräusche. Werden die Schallwellen dann noch von den glatten Schleusenwänden zurückgeworfen, fühlen sich nicht nur empfindliche Gemüter gestört.
Dabei liegt die Ursache gar nicht dort, wo man sie vermutet. Nicht die Motoren machen den Lärm, sondern die Propeller. Der mit hoher Drehzahl in einem engen Tunnel rotierende Quirl kann gar nicht anders, als zu kavitieren. Die Folge:
Die Kavitationsgeräusche, also das millionenfache Implodieren kleinster Luftbläschen unter Wasser, übertragen sich auf den Rumpf, der seinerseits wie ein zu groß geratener Gitarrenkorpus den Effekt verstärkt – fertig ist das Panik-Orchester.
Neben der Lärmentwicklung gibt es noch einen weiteren Nachteil dauerhaft hochtourig laufender Bugstrahlruder: Da sich die Drehzahl nicht regulieren lässt, stemmt sich der kleine Manöverhelfer schon beim geringsten Tastendruck im Fahrstand mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft gegen Wind, Strömung und das eigene Bootsgewicht.
Oft ist das jedoch völlig unnötig: In den meisten Fällen reicht nur ein kleiner "Schubs" in die richtige Richtung, und das Boot macht, was es soll. Stattdessen saugt der Bugquirl gern mal durch daumendicke Leitungen hunderte Ampere aus den (hoffentlich ausreichend dimensionierten) Batterien, um das Boot wenige Dezimeter von Backbord nach Steuerbord oder umgekehrt zu versetzen.
Da ihm dabei verständlicherweise schnell warm wird, begrenzen die Hersteller die erlaubte Einsatzzeit, also die Einschaltdauer (ED), mittels Hinweis im Handbuch oder im besten Fall durch eine elektronische Abschaltvorrichtung auf wenige Prozent, was in der Praxis wenigen Sekunden Laufzeit entspricht. Wer das ignoriert und das Bugstrahlruder als "Dauerläufer" missbraucht, der wird bereits nach wenigen Jahren mit einer Neuanschaffung rechnen müssen.
Dass diese Zustände nicht optimal sind, wissen auch die Hersteller von Bugstrahlrudern. Aus diesem Grund gibt es seit einiger Zeit vom norwegischen Hersteller Side-Power Bugstrahlruder mit einer sogenannten Proportionalsteuerung (DC Speed Control). Im Unterschied zu herkömmlichen Bugstrahlern arbeiten sie mit einer stufenlos regelbaren Drehzahl.
Im Klartext: Je mehr Druck aufs Knöpfchen, desto mehr Querschub entwickelt der Motor. Der Skipper kann den Schub also den Anforderungen beim Manövrieren anpassen. Im Prinzip besteht ein solches System aus dem eigentlichen Motor mit Getriebe, einer Steuereinheit (dem DC-Controller), einer elektrisch fernschaltbaren Hauptsicherung und der Bedieneinheit im Fahrstand.
Im Herzstück, dem DC-Controller, wird die Motordrehzahl entsprechend den Kommandos aus dem Fahrstand geregelt. Die "Befehlsübermittlung" läuft über ein elektronisches Bus-System, einen CAN-Bus, der bei Side-
Power S-Link genannt wird. Durch den Controller wird die Einschaltdauer von rund 6 % auf bis zu 50 % erhöht.
Das ist ordentlich und bringt in der Praxis einen erheblichen Sicherheitsgewinn. Doch wie steht es um die Praxistauglichkeit dieser Technik? Um diese Frage zu beantworten, ließen wir ein Side-Power SE 80/185 T mit einer DC-Speed-Control-Einheit in eine rund 12,5 m lange Ancora 41 älteren Baujahrs montieren. Den Einbau haben wir in den BOOTE-Ausgaben 5/2016 und 7/2016 beschrieben.
Am Fahrstand macht sich der Unterschied zwischen Standard- und Proportional-Bugstrahler zunächst einmal durch ein verändertes Bedienelement bemerkbar. Neben dem eigentlichen Bedienhebel, der sich stufenlos von links nach rechts bewegen lässt, gibt es noch die sogenannten Hold-Tasten und ein Display, auf dem der aktuelle Schub, der Batteriezustand und die verbleibende Laufzeit sowie die Motortemperatur angezeigt werden können.
Die Hold-Tasten lassen das Bugstrahlruder dauerhaft in einer zuvor eingestellten Drehzahl laufen. Beim Anlegen oder in Schleusen ist diese Funktion besonders nützlich, da man den Fahrstand kurzzeitig verlassen kann – beispielsweise zum Belegen einer Leine –, während das Bugstrahlruder weiter in Funktion bleibt und das Boot an Ort und Stelle hält.
Den größten Unterschied stellt man jedoch beim An- und Ablegen sowie beim Manövrieren in engen Häfen fest. Schon ein sanfter Druck auf den Bedienhebel reicht, um den Bugstrahler nahezu lautlos in Betrieb zu nehmen.
Die fein dosierbare Drehzahlermöglicht geschmeidige Manöver ohne jede Lärmentwicklung; die Stegnachbarn werden es Ihnen insbesondere abends oder in den frühen Morgenstunden danken. Erst wenn man den Hebel in die Volllaststellung bringt – was in der Praxis so gut wie nie erforderlich ist –, mutiert das leise Säuseln aus dem Vorschiff zum altbekannten "Schnarren" und erinnert uns an die Eingangs erwähnte Kavitation im Propellertunnel.
Apropos Propeller: Das Side-Power SE 80 ist mit zwei Propellern ausgestattet, die den Wirkungsgrad erhöhen und die etwa 5 kW des Elektromotors zuverlässig ins Wasser bringen. Daraus resultiert eine maximale Schubkraft von rund 950 N (96 kg) bei einer Stromaufnahme von 260 A in 24-V-Bordnetzen.
Eigner älterer Bugschrauben dürfte interessieren, dass sich nahezu jeder Bugstrahler dieses Herstellers und auch viele Modelle anderer Fabrikate mit dem Side-Power-DC-Controller nachrüsten lassen. Wir haben das Side-Power SE 80 eine Saison lang unter verschiedensten Praxisbedingungen ausprobiert und können zusammenfassend sagen, dass die neue Proportionaltechnik im Vergleich zu traditionellen Bugstrahlrudern echte Vorteile und vor allem Ruhe ins Schiff bringt.
Bleibt zu erwähnen, dass eine aufwendigere Technik immer auch mit höheren Preisen verbunden ist. Im Fall des von uns getesteten Gerätes ergibt sich inklusive Bugstrahlruder, Tunnel, DC-Controller, Bedienpanel, Datenbus und Montagematerial ein Gesamtpreis von rund 6300 Euro. Das sind rund 3400 Euro mehr als für die Standardausführung.