Olaf Schmidt
· 28.04.2020
Kartenplotter: Wir haben getestet, was die aktuellen Geräte in der Navigationspraxis taugen. Und ob man Gimmicks wie Autorouting und virtuelles Echolot wirklich braucht
Es sind schon lange keine simplen Computer mehr, die hinter der Front von Kartenplottern stecken. Die Rechenleistung, die inzwischen hier verbaut wird, hätte vor gerade zehn Jahren mit einem ausgewachsenen Bürorechner konkurrieren können.
Und auf den Plottern laufen vollständige Betriebssysteme wie Linux und seit Kurzem auch Android.
Der augenscheinliche Kartenplotter ist nur noch ein Anwendungsprogramm auf einem Industrierechner, der in einem seefesten Gehäuse steckt. Der Skipper merkt davon erst einmal nicht viel, nach dem Einschalten kommt – irgendwann – die elektronische Seekarte.
Bei so viel Aufwand fragt man sich: Wozu? Zumal fürs reine Anzeigen einer Seekarte, selbst bei modernen Vektordaten, ein Zehntel der verbauten Rechenleistung genügen würde. Der Grund für aufwendige Betriebssysteme ist zum großen Teil die Kundschaft selbst. Bedienung mit Multitouch, animierte Grafiken, Darstellung von Multimedia-Inhalten, Quasi-3-D-Ansichten – das sind Dinge, die den Prozessor fordern.
Zwar immer nur kurz, doch in diesen Momenten zählt für das Nutzererlebnis die Sofortreaktion.
Wer Modelle älterer Baujahre genutzt hat, der kennt mitunter die Gedenksekunde zwischen Cursor- und Bildbewegung, vor allem wenn ein Kartenchip der neueren Generation mit umfangreichen Zusatzinformationen im Gerät steckte. Dieser eingebaute Entschleuniger ist mittlerweile nahezu verschwunden. Einerseits durch schnelle Prozessoren, andererseits durch geschickte Software, welche das Bild nicht in einem Stück, sondern stufenweise aufbaut: zuerst die groben Umrisse, dann schrittweise immer feinere Details, wenn der Rechner nichts Dringenderes zu tun hat.
Die Karte folgt so praktisch unmittelbar dem Finger am Bildschirm. Dass im ersten Augenblick Details fehlen, fällt dem Nutzer nicht auf. Bis der genau hinschaut, hat der Computer sie ergänzt.
Aktuelle Plotter lassen sich in zwei Gruppen einteilen: solche mit reiner Touchscreen-Bedienung und Hybridgeräte mit Tasten und Touchscreen. Plotter ohne Touch berücksichtigen wir nicht in diesem Test.
Sieben Geräte nehmen teil: je zwei von Simrad, Garmin und Raymarine sowie eins von Furuno. Letzterer Hersteller hat zwar auch hybride Modelle im Programm, aber nicht in der 9-Zoll-Klasse.
Der offensichtliche Drehknopf des Axiom Pro von Raymarine ist in Wahrheit ein Multitalent: Seine Stirnseite beherbergt auch noch eine Cursor-Wippe und die OK-Taste. Die Drehfunktion ist dabei absichtlich so stark gehemmt, dass ein beherztes Zugreifen nötig ist. Das bewährt sich auf bewegtem Untersatz. Eine Taste darunter lässt sich frei mit Funktionen belegen.
Auf dem NSS von Simrad sind Cursor-Feld und Drehknopf getrennt angeordnet. Letzterer lässt sich leicht drehen, hat aber deutlich spürbare Rasten und ist so auch auf dem fahrenden Boot angenehm zu bedienen. Der Steuerrad-Taste über dem Drehknopf lassen sich zwei Funktionen aus einer langen Liste zuordnen, für langes oder kurzes Betätigen. Bei Simrad und Raymarine wirkt das Drehrad in der Kartenansicht unmittelbar auf den Zoom: sehr praktisch vor allem, da die Ansicht in Echtzeit folgt.
Auf diesen beiden lässt es sich tatsächlich komplett ohne Touch arbeiten. Bei Garmin geht man einen anderen Weg: Der EchoMap hat vier programmierbare Tasten und sonst nur eine Wippe für den Zoom. Verschieben der Karte oder Routenplanung geht hier nur per Touch – also kein echter Hybrid.
Da immer mehr Geräte Autorouting anbieten, haben wir die Funktion als Testpunkt aufgenommen. Die Aufgabe bestand im Erstellen einer Route von Damp nach Troense im Svendborgsund. Testkriterien sind die Zeit zur Ermittlung und die Praxistauglichkeit der Route. Beziehungsweise sollten es sein; die Ergebnisse waren bei allen Herstellern unbrauchbar.
Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist das Revier Dänische Südsee mit Brücken und engen Fahrwassern schon für menschliche Navigatoren nicht ganz einfach. Zweitens kann die Software nur so gut rechnen, wie die Datenlage es erlaubt. Und die aktuellen Seekarten sind nun mal nicht für marines Autorouting konzipiert.
Geräte im Auto haben es da viel einfacher, die können sich an vorgegebenen Straßen orientieren. Auf dem Wasser fährt der Rechner dagegen meistens im Nichts. Auf eine Beurteilung der Autorouting-Funktion haben wir daher verzichtet. Außerdem gehört die Törnplanung ja irgendwie mit zum Erlebnis der Seefahrt.
Alle Geräte beherrschen natürlich die klassische Anzeige: Land gelb, Wasser je nach Tiefe blau bis weiß. Darüber hinaus hat jeder Hersteller ein paar eigene Verbesserungen für eine schicke Kartenansicht. Ganz praktisch ist die sogenannte Schattierte Karte. Hier werden zusätzlich zu den Tiefenlinien feinere Abstufungen in Form von Schatten hervorgehoben.
Zusätzlich lassen sich bei allen Kandidaten noch eigene Farbabstufungen anlegen, meist für selbst wählbare Tiefen. Die Frage bleibt jedoch, wie die detaillierten Angaben zustande kommen; denn ältere offizielle Vermessungsdaten geben diese Auflösung gar nicht her. Und längst nicht alle Seegebiete sind per Fächer-Echolot flächendeckend mit hoher Auflösung vermessen.
Spannend kann der Blick über den Tellerrand sein: Denn neben den offiziellen Seekarten-Daten für die Navigation enthalten die meisten Chips Karten für den Angelsport. Hier sind die Tiefenlinien sehr viel enger, beispielsweise in Halb-Meter-Schritten. Und es sind viele Bereiche außerhalb der Fahrwasser enthalten, welche in den Navigationskarten einfach nur als "flach" ausgewiesen sind – was diverse neue Ankerplatzmöglichkeiten offeriert.
Einen Haken hat die Sache allerdings: Die Fischerei interessiert sich im Gegensatz zum Navigator für die Tiefenänderungen, an den Hängen steht der Fisch. Der absolute Wert, also ob das Ganze zwei oder drei Meter unter der Oberfläche stattfindet, ist weniger wichtig. Die Angaben sind also mit großer Vorsicht und niemals ohne Echolot zu genießen.
Inzwischen weitverbreitet ist die Funktion, dass der Plotter anhand der Kartendaten ermittelt, ob voraus eine Untiefe lauert, und entsprechend warnt. Nett zu haben, aber es entbindet den Skipper nicht vom Blick aufs Echolot: Die Kartendaten geben das – laut der Meldung beim Einschalten – gar nicht her. Außerdem kennt der Plotter den tatsächlichen Wasserstand nicht. Und die als sicher einzustufende Mindesttiefe unterscheidet sich je nach Situation: Bei Seegang vor einer Legerwallküste wird jeder Skipper mehr ansetzen als in einer geschützten, ausgebaggerten Hafenansteuerung.
Alle Kandidaten können über den NMEA-2000-Bus Werte aus entsprechend ausgerüsteten Motoren einlesen und im Bildschirm darstellen. Entweder als virtuelles Armaturenbrett oder als Ziffern-Overlay in der Karte.
Das Armaturenbrett-Fenster können Sie sich (außer beim Garmins EchoMap) selbst zusammenstellen. Sehr geschickt geht Furuno dabei vor: Holt man sich ein Drehzahlmesser-Instrument in den Bildschirm, dann geht der Plotter davon aus, dass man diese Information von allen Motoren wünscht, und platziert – je nach Anzahl der Maschinen – gleich bis zu vier Skalen mit passend zugeordneten Daten.
Ein zweiter Wert wie Temperatur oder Öldruck ist ebenso schnell eingerichtet. Bei allen anderen Herstellern müssen Sie die einzelnen Instrumenten für jede Maschine separat einrichten.
In der NMEA-2000-Spezifikation ist motorseitig außer der Übertragung von Messwerten unter anderem auch die Meldung von Warnungen wie Ladekontrollleuchte, Öldruckleuchte, Motorlampe, Kühlmittel- und Ölstand definiert. Was die Plotter mit diesen Daten anfangen, ist sehr unterschiedlich: Simrad ignoriert sie beispielsweise völlig.
Furuno bringt die wichtigsten als animiertes Symbol und als Meldungsfenster. Garmins EchoMap zeigt nur Meldungsfenster, aber keine Symbole – ob ein einmal bestätigter Alarm noch anliegt, ist so nicht zu erkennen. Raymarine zeigt fast alle Meldungen, nur die Ladekontrolle wird übergangen. Ein Symbol gibt es hier nur für die Motorlampe.
Die Reichweitenermittlung setzt den verbleibenden Tankinhalt in Relation zum Kraftstoffdurchfluss aller Motoren und der Geschwindigkeit. Herauskommt, wie viele Meilen Sie mit dem Sprit noch fahren können. Die Geschwindigkeit kommt vom GPS, der Kraftstoffdurchfluss aus der Motorelektronik. Schwierig ist dabei die Ermittlung des Tankinhalts. Pegel-Geber liefern nur den Flüssigkeitsstand an der Geber-Position, wie viel Litern das entspricht, hängt von der Tankgeometrie ab.
Um hier eine brauchbare Angabe zu erhalten, müssen Sie schon einen der hochwertigen, programmierbaren Geber einsetzen und natürlich auch noch exakt einstellen. Fehlmessungen durch Vertrimmen in Fahrt bleiben dann aber immer noch unberücksichtigt.
Ein anderer Weg führt über den berechneten Tankinhalt: Hier sagen Sie dem Plotter, wann vollgetankt wurde, und er zieht den vom Motor gemeldeten Verbrauch entsprechend ab. Die Technik kommt aus dem Rennsport, denn bei den dort üblichen Bewegungen versagen alle Pegelmessungen. Das funktioniert heute erstaunlich gut – solange der Plotter immer in Betrieb ist, wenn der Motor läuft, und Sie ans Eingeben der getankten Spritmenge denken.
Simrad unterstützt beide Varianten, Garmin nur den gerechneten Inhalt. Furuno und Raymarine wagen hier gar keine eigene Prognose, geben aber immerhin Werte weiter, die eventuell von der Motorelektronik gemeldet werden.
Systemöffnung
Bisher war der Plotter, egal was unter der Haube steckte, ein in sich geschlossenes System. Der Endkunde ohne umfassende IT-Kenntnisse musste mit der Software leben, die der Hersteller vorgesehen hatte. Raymarine geht mit den Axiom-Modellen nun einen ganz anderen Weg: Nicht nur wird das verwendete Betriebssystem (Android) öffentlich bekannt gemacht – es ist sogar möglich, selbst zusätzliche Programme zu installieren.
Im Auslieferungszustand sind bereits so eigentlich gar nicht bootsrelevante Apps wie Spotify und Netflix enthalten.
Dies kann der Beginn einer neuen Entwicklung sein, den Plotter an Bord zum Tablet-Ersatz zu machen; das wäre dann eine Umkehr des bisherigen Trends. Von der Hardware-Seite betrachtet, ergibt das Sinn. Ohne sein Tablet will heute kaum noch jemand auf Törn gehen, doch sind diese selten seefest und auch kaum sonnentauglich.
Was Sie auf dem Plotter installieren und welche Dateien Sie dort herunterladen, sollte mit Bedacht gewählt werden. Wäre ungünstig, sich einen Virus einzufangen.
Alle Plotter warnen beim Hochfahren eindringlich davor, sie als primäres Navigationsinstrument zu nutzen. Und so ziemlich alle Skipper ignorieren diesen Hinweis. Im Test zeigte sich jedoch, dass die Warnung etwas für sich hat. In unserem Aufbau fielen beide Axiom-Plotter nach rund 20 Betriebsstunden aus und ließen sich nicht mehr starten.
Beim Ersatzgerät das gleiche Verhalten. Merkwürdig, denn in den Demo-Wänden bei Händlern und auf Messen laufen die Geräte sehr viel mehr Stunden ganz ohne Probleme.
Raymarine hat daraufhin sehr engagiert schnell wieder Ersatz beschafft. Mehr zufällig ergab unsere Recherche, dass dieses Problem schon einmal beobachtet worden war, auf einem Schiff, bei dem im NMEA-2000-Netzwerk viele Nicht-Raymarine-Geber betrieben wurden. Also das gleiche Szenario wie beim Test und in der Praxis extrem selten.
Wer ein System kauft, der nimmt üblicherweise alles aus einer Hand. Dass dieser Fehler an Bord auftritt, ist also ziemlich unwahrscheinlich. Die Begebenheit macht allerdings deutlich, dass jedes Navigationsinstrument unterwegs ausfallen kann, auch wenn es vorher noch so gut arbeitete. Und wie wichtig es ist, außer den Kartenchips noch eine Seekarte an Bord zu haben, die sich ohne den Plotter, am besten ganz ohne Elektronik, benutzen lässt.
Auf den meisten Booten kann es Ihnen egal sein, was der Plotter zieht: Unterwegs läuft ohnehin der Motor, und die Lichtmaschine liefert mehr, als die Elektronik braucht. Der theoretisch vorhandene Mehrverbrauch durch die Stromerzeugung ist in der Praxis nicht nachweisbar.
Ein sehr relevantes Thema ist der Energieverbrauch aber auf kleinen Booten mit Außenborder ohne richtige Lichtmaschine. Hier hängt die Betriebszeit des Plotters allein von der Batteriekapazität ab. Große Plotter findet man auf solchen Fahrzeugen vor allem in der Sportfischerei, denn alle Geräte im Test enthalten aufwendige Fischfinder oder lassen sich mit geringem Aufpreis darum erweitern.
Den ersten Platz bei den Kunden der Batterie nimmt die Displaybeleuchtung ein. In der Tabelle finden Sie daher zwei Stromverbrauchswerte: den kleineren für Nachtbetrieb mit stark gedimmtem Display und den größeren für Tageslichtbetrieb – hier muss die Beleuchtung gegen die Sonne arbeiten.
Wenn Sie also beispielsweise mit dem Furuno (0,95 Ampere) zwölf Stunden auf Hering gehen wollen, dann benötigt er in dieser Zeit rund 11,5 Amperestunden. Einen Blei-Akku dafür sollten Sie zugunsten der Lebensdauer auf mindestens das Dreifache auslegen, eine 12-Volt-36-Ah-Batterie wäre die nächstliegende Standardgröße.
Das günstigste Modell in der 9-Zoll-Klasse ist Garmins EchoMap. Er bietet sogar eine – zugegebenermaßen partielle – Bedienung per Tasten und grundlegende Motorfunktionen. Radar-Anbindung gibt es nicht. Einzigartig ist hier die Möglichkeit, Karten schnell aus der Halterung entnehmen und wieder einsetzen zu können. Zusammen mit dem geringsten Stromverbrauch ein ideales Gerät für kleine, offene Boote.
Über dem EchoMap liefert sich die 1500- Euro-Klasse ein enges Rennen. Eine durchweg solide Angelegenheit stellt Furunos GP 1971F dar. Hier gehört noch ein vollständiges, gedrucktes deutsches Handbuch zum Lieferumfang.
Die Motorfunktionen sind ordentlich, nur ein Reichweitenrechner fehlt leider. Praktisch fanden wir die kleinen Menüs für Schnellzugriff auf oft benötigte Funktionen. Diese erscheinen, wenn man vom Bildschirmrand zur Mitte zieht: Oben kommt die Auswahl der Anzeigeseite, unten die Kartendarstellungsoptionen, und rechts kommen Werkzeuge zum Messen sowie zur Wegepunktbearbeitung.
Beim Radar punktet Furuno mit WLAN-Anbindung, im Mast ist so nur das zweipolige Stromkabel nötig. Falls das 9-Zoll-Modell zu groß ist: Die 7-Zoll-Variante hat die gleiche Bildschirmauflösung.
Die drei anderen reinen Touchscreen-Modelle der Mittelklasse liefern sich ein unentschiedenes Rennen: Während Go und Axiom mit einer großen Auswahl unter den angebotenen Seekartenformaten glänzen, hat der GPSMap die umfangreichere Motor-Unterstützung – allerdings nur Fullscreen-Armaturenbrett. Beim Overlay in der Karte ziehen die Mitbewerber gleich. Der Axiom punktet in Sachen Multimedia und mit seiner Fähigkeit, Android-Apps auszuführen – ideal für alle, die mehr wollen als nur einen Plotter.
Am oberen Preisrand wiederholt sich das Rennen zwischen Simrad und Raymarine mit identischem Ausgang: Axiom Pro liegt bei der Multimediafunktionalität und Konkurrenz zum Tablet vorn. Simrad hingegen punktet mit dem universelleren Reichweitenrechner nach gemessenem oder berechnetem Tankinhalt. Somit liegen die Prioritäten klar verteilt offen.