Johannes Erdmann
· 06.12.2022
Rückwärtsfahren mit dem Bootstrailer ist für die meisten ein Graus. Ein Nachrüst-Set lässt den Fahrer bequem achteraus blicken
Mit Anhänger rückwärts geradeaus zu fahren ist für Ungeübte schon nicht einfach. Richtig kompliziert wird es, wenn darauf noch ein Boot liegt und dieses um Hindernisse oder auf eine Sliprampe manövriert werden muss. Es gibt Angenehmeres. Das entgegengesetzte Steuern, die Verzögerung beim Einlenken, die ungewohnten Abstände, mangelnde Übung – für die meisten Bootsfahrer eine ungeliebte Aufgabe.
Umso verwunderlicher, dass noch kein Trailerhersteller auf die Idee gekommen ist – nicht einmal gegen Aufpreis –, seinen Anhänger mit einer Rückfahrkamera auszurüsten, wie sie als Einparkhilfe im Auto längst gang und gäbe ist. Eine einfache Kamera, die anzeigt, wohin sich der Trailer bewegt, genügt da schon. Oder eine nachrüstbare Komplettlösung, die sich „plug and play“ an jeden Trailer kletten lässt.
Doch es gibt eine günstige Alternative: ein handelsübliches Kfz-Rückfahrkamera-Set zum Selbst-Nachrüsten. Ob das auch für den Gebrauch am Trailer funktioniert, haben wir ausprobiert.
Das Auto-Vox M1W ist eines der meistgefragten Nachrüstmodelle für Autos, es kostet im Fachhandel oder im Internet nur ca. 75 Euro. Im Lieferumfang enthalten sind ein kleiner 4,3-Zoll-Monitor (Smartphone-Größe) mit guter Auflösung und Saugnapf für die Windschutzscheibe, eine kleine Kamera, die hinter das Kennzeichen geklebt werden kann, und eine Sendeeinheit mit Antenne, die die Daten von der Kamera drahtlos übermittelt, dazu Kabel und Kabelbinder.
Die autoseitige Montage ist kinderleicht: Der Monitor wird einfach per Stecker mit dem Zigarettenanzünder verbunden und ist sofort einsatzfähig. Er verfügt sogar über einen USB-Anschluss, damit die einzige Steckdose nicht komplett blockiert ist, sondern zusätzlich ein Smartphone oder Navi geladen werden kann.
Auf der Trailerseite ist die Montage kniffeliger. Die Kamera wird für gewöhnlich mit einem angeklebten Winkel hinter dem Nummernschild des Autos befestigt. Sie ist mit zwei Videosteckern (Cinch) versehen, die in die kleine Sendeeinheit gesteckt werden, die beim Auto innerhalb der Heckklappe oder hinter den Rücklichtern montiert werden soll. Die Stromversorgung erfolgt über je ein positives und negatives Anschlusskabel. Der negative Anschluss wird bei Montage im Auto auf die Karosse geführt (Masse).
Die Kamera soll ja nicht permanent übertragen, was sich achteraus abspielt, sie soll lediglich als Hilfe fürs Rückwärtsfahren oder beim Einparken zum Einsatz kommen. Deshalb wird die positive Leitung üblicherweise auf den Rückfahrscheinwerfer des Autos gelegt, der über einen Schalter im Getriebe aktiviert wird. Wird der Rückwärtsgang eingelegt, leuchten die Rückfahrscheinwerfer auf, und die Rückfahrkamera beginnt zu senden.
Die Problematik beim Anschluss an den Trailer liegt nun darin, dass die meisten Trailer nicht über einen Rückfahrscheinwerfer verfügen. Die Auto-Steckdosen bieten zwar die Möglichkeit des Anschlusses bei 13-poliger Dose fahrzeugseitig – weil aber ein Rückfahrscheinwerfer für Trailer nicht vorgeschrieben ist, ist im Trailerrahmen meist keine Leitung bis zur Lichtleiste geführt. Das nötige Pluskabel müsste deshalb selbst gelegt werden, was je nach Bauart und Erfahrung des Installateurs mittel- bis schwierig ausfallen kann. Zudem ist bei neuen Trailern zu bedenken, dass die Garantie möglicherweise beim Eingriff in die Elektrik verfällt.
Autos mit 7-poliger Steckdose bieten gar keine Möglichkeit zur Installation über die Rückfahrscheinwerfer. Hier ist es entweder nötig, das Auto und den Trailer auf eine 13-polige Kupplung und Verkabelung umzurüsten – was mitunter umständlich sein kann, wenn dafür extra Leitungen von der Schlussleuchte neu zur Steckdose verlegt werden müssen. Die Alternative wäre hier, die Kamera nur über die Plusleitung der Schlusslichter zu betreiben. Der Nachteil besteht darin, dass dann die Kamera immer dann sendet, sobald das Licht am Fahrzeug eingeschaltet ist. Bei Geradeausfahrt würde der Monitor dann vom Straßenverkehr ablenken und müsste abgeschaltet werden.
Wichtig ist bei der Montage, dass die Kamera möglichst mittig an der Lichtleiste angebracht wird, damit die Abstände zu beiden Seiten des Trailers gleich sind; ansonsten können Hindernisse und Durchfahrtslücken falsch eingeschätzt werden. Ist das Kennzeichen nicht mittig, sondern seitlich versetzt montiert (wie häufig der Fall), muss die Kamera direkt in die Mitte der Lichtleiste geklebt werden.
Die Kamera selbst ist nach IP68 zertifiziert (staub- und wasserdicht gegen dauerhaftes Untertauchen) und könnte vermutlich sogar ein Abslippen überstehen; für den Sender gilt hingegen nur IP67 (zeitweiliges Untertauchen). Bei dauerhafter Montage sollten er und die Kabelverbindungen (die sonst im Inneren des Autos montiert werden und nicht für dauerhafte Außenmontage gedacht sind) womöglich durch eine Plastikdose geschützt werden, da sie mit der Zeit korrodieren.
Der Sender verfügt über eine starke Leistung und soll nach Herstellerangaben bis zu 100 Meter weit zu empfangen sein. Die Kamera verfügt über eine Weitwinkellinse mit einer Öffnung von 170 Grad und eignet sich damit wunderbar für die Überwachung der ganzen Heckbreite eines Trailerboots auf eine Entfernung von etwa einem Meter. Die Kamera selbst kann zudem bis zu 45 Grad nach oben oder unten geschwenkt werden und ermöglicht so auch, die Durchfahrtsbreite eines überhängenden Rumpfes zu beobachten. Sechs eingebaute LED mit jeweils 26 Lumen Leistung erhellen bei Dämmerung oder Dunkelheit die Umgebung.
In der Praxis erweist sich die Rückfahrkamera am Trailer als große Hilfe. Beim vorsichtigen Herantasten an eine Sliprampe, eine Parkbucht oder einen Kranplatz zeigt sie immer genau die Fahrtrichtung, in die sich der Trailer bewegt. Etwas weiter links, etwas weiter rechts – der Fahrer sieht auf der Kamera sofort, was ist, in welche Richtung das Heck ausschwenkt, und kann auch auf Hindernisse reagieren, die ansonsten außerhalb seines Sichtfelds lägen. Das Bild ist gestochen scharf.
Der Abstandswarnbereich ist für eine Montage der Kamera hinterm Kennzeichen eingestellt und kann bei weit über die Lichtleiste hängendem Schiff nicht hundertprozentig akkurat sein. Für die Distanzen und die Anzeigen der (abschaltbaren) Warnfarben bekommt man durch Ausprobieren schnell ein Gefühl.
Zusammengefasst: Für die meisten Trailerfahrer dürfte solch eine kleine Kamera einen riesigen Gewinn bedeuten.