Die Elektromobilität auf dem Wasser steht vor einer besonderen Herausforderung: der Physik. Im Gegensatz zu Autos müssen Boote permanent gegen hohen Wasserwiderstand ankämpfen. Je schneller sie fahren, desto mehr Energie benötigen sie – was die Reichweite von Elektrobooten bislang stark eingeschränkt hat. Das schwedische Unternehmen Candela hat genau an diesem Punkt angesetzt und mit der C-8 ein Boot entwickelt, das diesen Widerstand nahezu vollständig eliminiert – indem es ihn schlichtweg überfliegt.
Die Candela C-8 ist kein gewöhnliches Elektroboot. Ihre Besonderheit liegt nicht in Motorleistung oder Größe, sondern in der Technologie, Effizienz und der völlig neuen Art des Fahrens. Sie ist das erste seriengefertigte Elektroboot mit Hydrofoil-Technik, das eine praxisnahe Reichweite mit einem einzigartigen Fahrerlebnis kombiniert.
Bereits am Steg wirkt die C-8 anders als klassische Motorboote. Das Design ist klar und reduziert, ohne verspielte Details – typisch skandinavisch. Auch das Cockpit erinnert mehr an das Interieur eines modernen Elektroautos als an ein Boot. Alles wirkt aufgeräumt, digital gesteuert, und tatsächlich stammt das Batterie- und Managementsystem von Polestar. Der KFZ Hersteller, eine Tochterfirma von Volvo Cars, baut allerdings keine Boote. Sie liefern aber zentrale Komponenten für den elektrischen Antrieb der Candela. Ähnlich wie bei dem Frauscher x Porsche Boot.
Wenn wir schon bei Sportwagen sind: Die Candela besteht aus Prepeg-Kohlefaser. Moderner, leichter und hochwertiger kann im Moment kein Boot gebaut werden. Auch die Sitze für Fahrer und Beifahrer bestehen aus Carbon und sehen so aus wie die Sportsitze in Supersportwagen. Auf den ersten Blick wirken sie nicht besonders bequem, da lediglich Schaumstoff aufgeklebt ist – doch beim Sitzen überrascht der Komfort. Im Heckbereich gibt es eine Bank für drei Personen sowie eine Liegefläche für zwei Erwachsene, deren Maße 1,40 x 1,65 Meter betragen. Der Stauraum ist ausreichend, auch in den Seitenverkleidungen. Besonders positiv fällt die Vielzahl an Haltegriffen auf. Obwohl sich das Boot insgesamt stabiler fährt als herkömmliche Motorboote, bleiben Haltemöglichkeiten an Bord unverzichtbar. Dazu aber später mehr.
Auch unter Deck setzt sich das aufgeräumte Konzept fort. Weiße GFK-Oberflächen, helle Polster und grauer Teppich sorgen für ein modernes, freundliches Ambiente. Die Rumpfwände sind mit Stoff verkleidet – ein kleines, aber wirkungsvolles Detail, das den Innenraum optisch auflockert. Fenster oder andere Sichtmöglichkeiten nach draußen gibt es nicht, nur eine kleine Luke im Vorschiff, die ausreichend zur Belüftung des Innenraums dient. Zwei Personen können hier übernachten – die Liegefläche misst auf Höhe der Schulter stolze 1,58 x 2,70 Meter. Zudem ist unter Deck eine kleine Toilette verbaut.
Das eigentliche Highlight verbirgt sich allerdings unter Wasser: Die C-8 besitzt keinen klassischen Außenborder oder Z-Antrieb, sondern einen sogenannten Pod-Motor – eine bewährte Technologie im Elektrobereich. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Motor nicht direkt unter dem Heck montiert ist, sondern am Ende eines Hydrofoils sitzt, der bei langsamer Fahrt etwa 1,50 Meter tief im Wasser liegt. In dieser Phase verhält sich das Boot ähnlich wie ein herkömmliches Verdrängerboot. Aufgrund des größeren Tiefgangs bietet es bei Wind etwas weniger Abdrift. Bei wenig Wind ist das allerdings nicht unbedingt merklich.
So richtig spannend wird es, sobald man beschleunigt: Ab etwa 16 Knoten erzeugen die T-förmigen Tragflächen genug Auftrieb, um das Boot vollständig aus dem Wasser zu heben. Zunächst hebt sich die Bugpartie, dann das Heck – vergleichbar mit einem aufstehenden Tier. Was folgt, ist ein nahezu lautloses Schweben über dem Wasser. Die Gischt verstummt, die Wellen schlagen nicht mehr gegen den Rumpf – die C-8 fliegt.
Um die Technik besser zu verstehen, machen wir einen kurzen Exkurs in die Candela Welt: Die Grundlage für dieses neuartige Fahrgefühl bildet das sogenannte Foil-Control-System, eine Eigenentwicklung von Candela. Es hält das Boot während der Fahrt automatisch im Gleichgewicht – ähnlich einem Flugzeugstabilisator. Sensoren erfassen kontinuierlich Bewegungen, Wind, Wellen und Steuerbefehle. Ein Bordcomputer berechnet daraus in Echtzeit die optimale Position der Tragflächen, die sich bis zu hundert Mal pro Sekunde anpassen. Während des Fliegens merkt man die Anpassungen auch ganz leicht. Angetrieben wird die C-8 vom eigens entwickelten Candela C-POD, einem direkt in der Foil-Sektion integrierten Elektromotor mit 45 kW Dauerleistung (etwa 60 PS). Zwei gegenläufige Propeller sorgen für den Vortrieb. Durch den Direktantrieb ohne Getriebe entfallen mechanische Bauteile – und somit auch Wartungsaufwand. Die Motoreinheit ist vollständig gekapselt, wartungsfrei und laut Hersteller für über 3.000 Betriebsstunden ausgelegt – genug für 15 bis 30 Jahre normaler Nutzung.
Dank der Foil-Technologie sinkt der Energieverbrauch im Schwebeflug um bis zu 80 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Gleitbooten. So erreicht die C-8 eine Reichweite von bis zu 50 Seemeilen bei 22 Knoten Geschwindigkeit. Die Energie stammt aus einem 69 kWh großen Lithium-Ionen-Akku auf Basis von Polestar-Technologie. Geladen wird entweder über Drehstrom oder Gleichstrom (DC Fast Charging). An einer 3-Phasen-Steckdose dauert eine Vollladung rund fünf Stunden, an der Schnellladesäule weniger als zwei Stunden. Damit eignet sich das Boot sowohl für Tagesausflüge als auch für mittlere Strecken auf Binnen- oder Küstengewässern – zum Beispiel von Stralsund nach Hiddensee oder von Palma nach Ibiza, komplett ohne fossile Brennstoffe. Fertig mit dem technischen Details: Jetzt kommt Spannende – das Fahren.
In der Luft wird das Fahrerlebnis surreal. Wellen sind kaum noch spürbar, das Boot gleitet stabil und flüsterleise dahin. Die übliche Wellenproblematik, besonders bei leichten Rümpfen, entfällt vollständig. Selbst bei stärkerem Seegang bleibt das Boot stabil – kein Stampfen, kein Rollen. Das subjektive Geschwindigkeitsgefühl ist eher wie beim Fliegen in einem Leichtflugzeug als wie Bootfahren. Bei unserer Testfahrt haben wir rund 40 Zentimeter Welle. Das ist nicht viel, aber beim Foilen merkt man davon rein Garnichts. Auch höhere Wellen von vorbeifahrenden Motorbooten sind nicht wesentlich vermerkbar, so ruhig ist das Fahrverhalten.
Auch die Manövrierbarkeit überzeugt: Dank der computergesteuerten Foils und dem präzisen Antrieb lässt sich die C-8 auch bei niedriger Geschwindigkeit kontrolliert manövrieren. Kreise können allerdings nicht ganz so eng geflogen werden, als es vielleicht ein normaler Rumpf könnte. Muss man die Kurve enger fahren, reduziert das Boot automatisch die Geschwindigkeit landet und fährt dann mit rund 8 Knoten normale Kreise. Quasi das Beste aus beiden Welten.
Das futuristische Foil-Design zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Segler und andere Bootsfahrer zeigten sich während des Tests begeistert – einige spendeten sogar anerkennenden Applaus. Zurück im Hafen verhält sich die C-8 unauffällig und lässt sich problemlos einparken. Lediglich die etwas breiteren Foils erfordern beim Anlegen etwas mehr Abstand zum Dalben. Für flache Gewässer lassen sich die Tragflächen elektrisch hochziehen – sie ragen dann am Heck und an der Windschutzscheibe heraus.
Die C-8 ist in drei Versionen erhältlich: als offene Ausführung, mit festem Hardtop oder – wie im Test – mit T-Top. Die große Windschutzscheibe bietet guten Schutz vor Fahrtwind. Einziger Kritikpunkt: Der Spalt zwischen T-Top und Scheibe lässt bei Regen Wasser durch. Der Händler Sealectric aus Altenholz bei Kiel, der das Testboot zur Verfügung stellte, arbeitet bereits an einer passenden Persenning, um dieses Problem zu lösen. Abgesehen davon gibt es kaum Negatives zu berichten – im Gegenteil: Die Liste der Pluspunkte ist lang.
Ein besonderer Vorteil der C-8 ist der extrem geringe Wartungsaufwand. Kein Getriebe, keine Wellen, keine Impeller, keine Ölwechsel – die gesamte Technik ist auf Langlebigkeit ausgelegt. Die Batterie hat eine Garantie von acht Jahren, die erwartete Lebensdauer liegt bei mindestens 3.000 Ladezyklen. Der Energieverbrauch beträgt etwa 0,9 kWh pro Seemeile. Je nach Stromtarif ergeben sich daraus Kosten von unter 30 Cent pro Meile. Im Vergleich: Ein klassisches Boot wie die Axopar 29 verbraucht bei 29 Knoten rund 1,7 Liter pro Seemeile. Bei 1,80 Euro pro Liter ergeben sich Treibstoffkosten von etwa 3,06 Euro pro Seemeile. Hier zeigt sich das enorme Einsparpotenzial der C-8 – nicht nur finanziell, sondern auch ökologisch: keine CO₂-Emissionen, keine Abgase. Zudem verursacht das Boot im Flugmodus kaum Wellen und schont damit sensible Uferzonen.