Ist die Rede von Solarbooten, handelt es sich meist um Elektroboote, denen per Photovoltaik-Anlage das ein oder andere Extra-Kilowattstündchen in die Akkus geblasen wird. Die tatsächlich verbrauchte Antriebsenergie stammt in der Regel jedoch immer noch aus dem Landstromnetz und wird in großformatigen Akkus gespeichert. Gerne spricht man in diesem Zusammenhang dann von Nachhaltigkeit, die de facto aber nur auf den Verbraucher, also das Boot, zutrifft. Bei der eigentlichen Stromerzeugung ist die Nachhaltigkeit alles andere als garantiert.
Anders bei unserem Testboot. Glaubt man dem Hersteller Woterfitz aus Rechlin, ist die Voyager 900e ein reinrassiges Solarboot und benötigt weder Generator noch Landstrom. Ausreichend Sonnenschein vorausgesetzt, kann man mit der Voyager 900e also theoretisch unendlich weit fahren. Ob diese Autarkie, also die komplette Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen, auf dem Wasser tatsächlich möglich ist und mit welchen Fahrleistungen, geschweige denn mit welchem Komfort im Praxisbetrieb dann noch zu rechnen ist, soll dieser Test klären.
Vorweg: Anders als bei unseren normalen eintägigen Bootstests nutzten wir die Voyager für einen mehrtägigen Törn auf ihrem Heimatrevier, der Müritz. Von Rechlin ging es über Klink nach Waren, in den Classee und schließlich in den Bolter Kanal. Alles in allem eine Strecke von rund 50 Kilometern in drei Tagen. Gespart wurde dabei bewusst weder an Geschwindigkeit noch dem Einsatz der elektrischen Infrarotheizung, dem E-Herd, dem E-Boiler oder dem Wasserkocher für Tee, Kaffee und die Wärmflasche für die Fotografin. Und das Wichtigste: Das Landstromkabel blieb die gesamte Zeit unbenutzt.
Bevor wir zu den Fahrleistungen kommen, einige Worte zur Aufteilung und zum Layout. Wie der Namenszusatz „900e“ schon erahnen lässt, handelt es sich um ein 9-Meter-Boot. Im überdachten Cockpit finden drei bis vier Personen ausreichend Platz. Fest installiert ist jedoch nur der Fahrersitz. Der Rest der Reisegruppe nimmt auf klappbarem Campinggestühl und an einem ebensolchen Tisch Platz.
Was wir bei anderen Sportbooten bemängeln würden, findet hier unser Einverständnis. Der Grund: Bei maximal 12 km/h Topspeed ist mit keinerlei übermäßigen Fliehkräften bei abrupten Kursänderungen zu rechnen, fest montierte Sitze sind deshalb nicht unbedingt nötig. Der Fahrstand ist karg, aber funktional ausgestattet. Ein Multifunktionsdisplay für Motordaten und Navigation, ein Ruderlagenanzeiger sowie das Bedienpanel für das 1,5-kW-Bugstrahlruder müssen reichen – und tun es für das Charterrevier auch. Lenkung und Schaltung sind gut angeordnet und einfach zu bedienen. Große Personen würden sich jedoch etwas mehr Beinfreiheit zwischen Steuerrad und Fahrersitz wünschen.
Vom Cockpit geht es achtern komfortabel drei Stufen hinab zur rutschsicheren Badeplattform mit Leiter, Heckdusche und Rettungsring. Den Salon erreichen wir über den Niedergang und sind überrascht. Große senkrechte Fenster zu allen Seiten machen das Bootsinnere geräumig, hell und freundlich. Die Aufteilung ist durchdacht und zeigt die jahrelange Erfahrung der Werft im Charterbootsbau. Die Küchenzeile an Steuerbordseite läßt, mit Ausnahme eines Backofens, keine Wünsche offen. Induktionskochfeld, 80-l-Kühlschrank, Edelstahlspüle und ausreichend Stauraum in diversen Schubfächern sind absolut törntauglich. Gesessen und gegessen wird gegenüberliegend an Backbord. Der hier befindliche große Tisch ist höhenverstellbar und bietet Platz für vier Personen.
In der – nicht abtrennbaren – Vorpiek befindet sich eine Doppelkoje mit Platz für zwei Personen. Links neben dem Aufgang geht’s in die passend zum Boot dimensionierte Nasszelle. Auch sie ist funktional mit Pump-WC, Waschbecken und Ablagen ausgestattet und bietet wie der gesamte Salon Stehhöhe von zwei Metern. Eine Dusche ist nur als Option zu bekommen, was zu Abzügen in der B-Note führt. Eine Außendusche am Heck ist dagegen Standard.
Die Eignerkabine finden wir im Heck. Sie erstreckt sich über die gesamte Bootsbreite und wird über Bulleyes belüftet und belichtet. Das 1,8 Meter breite und 2 Meter lange Bett ist bequem und gut gepolstert. Weniger komfortabel ist der Zugang zur Kabine nur in arg gebückter Haltung möglich. Hier würde man sich für betagte Crewmitglieder (wie den Tester) den ein oder anderen Haltegriff wünschen. Als Wärmequelle an kalten Tagen dient eine an der Heckwand installierte Infrarotheizung.
Das Deck der Voyager 900e ist dank durchgängiger Antirutschstruktur sicher zu begehen, Halt geben umlaufende Handläufe am Kabinendach und die Edelstahlreling auf dem Vorschiff. Kabinen- und Fahrstanddach bleiben den Solarflächen vorbehalten und dürfen nicht betreten werden. Ein Ankerkasten, drei Klampen auf jeder Seite sowie zwei Lenzpumpen (Hand und Elektro) und eine gut dimensionierte Scheuerleiste sorgen für aktive und passive Sicherheit.
Die Verarbeitung des gesamten Bootes, der technischen Installationen und der Inneneinrichtung geben keinen Anlass zur Kritik. Kommen wir zur Technik und zum Fahrverhalten. Als Antrieb dient in der von uns getesteten Charterversion ein führerscheinfrei zu pilotierender 6-kW-Pod-Elektroantrieb von E-Propulsion mit rund 1.000 Newton Schub. Alternativ dazu lässt sich auch eine 10-kW-Version von Baltico ordern, die das Boot rein rechnerisch ein paar km/h schneller machen dürfte. Die theoretische Rumpfgeschwindigkeit liegt bei etwa 14 km/h. Unsere Messreihe mit dem 6-kW-Motor endet bei knapp 12 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die beste Fahrt lag bei 1.300 Umdrehungen und 10,5 km/h an.
Wer, entsprechende Sonneneinstrahlung vorausgesetzt, komplett autark fahren möchte, reduziert die Geschwindigkeit auf rund 8 km/h. Dann zieht der Motor 1,4 kW aus dem 24-kWh-Akku , was während unserer Tour exakt der per Solargenerator erzeugten Energiemenge entsprach. In dieser Fahrstufe wäre die Reichweite also tatsächlich theoretisch unendlich.
Zum Fahrverhalten ist zu sagen, dass die Voyager 900e zweifellos zu den gutmütigen Vertretern ihrer Art zählt. Die Wendekreise sind dank Pod-Antrieb und Bugstrahlruder extrem eng, Gewichtsverlagerungen während der Fahrt haben so gut wie keinen Einfluss auf die Kursstabilität. Wind dagegen schon. Bei mäßigem Seitenwind (3 Bf) musste der Kurs von Zeit zu Zeit korrigiert werden. Der niedrige Tiefgang von 0,6 Metern und vergleichsweise voluminöse Aufbauten fordern an dieser Stelle ihren Tribut.
An- und Ablegemanöver gelingen selbst auf engstem Raum problemlos. Und auch in Rückwärtsfahrt spielt der exakt zu dirigierende Pod-Antrieb seine Vorteile aus. Gespeist werden Motor und Bordelektrik aus einem 24-kWh-LiFePo-Akku mit ungefährlichen 48 Volt Betriebsspannung. Ohne jede Nachladung würde diese Energiemenge theoretisch für rund 70 km Marschfahrt bei 10 km/h ausreichen.
Während unserer dreitätigen Testfahrt sanken die Energiereserven zu keinem Zeitpunkt unter 65 Prozent. Und das, obwohl wir bewusst auf keinerlei Komfort wie Kühlschrank, abendliche Heizung oder den oben genannten Wasserkocher verzichteten. Die 2,4-kW-Solaranlage lädt bei Sonneneinstrahlung mit rund 1,8 bis 2 kW nach. Bei bedecktem Himmel sinkt der Wert auf 500 bis 700 W, bei Regen waren es dann nur noch magere 100 W. Um den Ladezustand von 75 Prozent (Hafennacht) auf 100 Prozent (bei Abfahrt) zu bringen, benötigten wir etwa 3 Stunden Sonnenschein.
Fassen wir zusammen: Es stand die Frage im Raum, ob es möglich sei, komplett autark Boot zu fahren. Die Antwort: im Sommer Ja. Mit der Voyager 900e ist den Konstrukteuren ein guter Kompromiss zwischen Größe, Effizienz, Geschwindigkeit und Wohnkomfort gelungen.
Und das zu einem Preis, der durchaus konkurrenzfähig ist. Rund 156.000 Euro sind für ein 9-Meter-Tourenboot aus deutscher Produktion zwar kein Schnäppchen, berücksichtigt man aber die ausbleibenden Tankrechnungen und geringere Wartungskosten, sind Vielfahrer schnell im Vorteil. Nach unseren Erfahrungen kommt die Voyager 900e dem Ideal eines nachhaltigen Tourenbootes für den Sommerbetrieb auf Binnenrevieren sehr nahe.
| Drehzahl U/min | Geschwindigkeit km/h | Verbrauch Watt | Reichweite km* |
| 550 | 5 | 275 | 436 |
| 1.000 | 8 | 1.400 | 137 |
| 1.300 | 10 | 3.400 | 70 |
| 1.500 | 11 | 5.000 | 53 |
| 1.560 | 12 | 6.000 | 48 |
* ohne Solarnachladung
Wer nachhaltig und mit geringen Betriebskosten auf Binnenrevieren unterwegs sein will, ist mit der Voyager 900e bestens bedient. Sie bietet einen guten Kompromiss aus Größe, Effizienz, Wohnkomfort und Anschaffungspreis.
(+) Autarker Antrieb
Gutmütige Fahreigenschaften
Guter Wohnkomfort
Geringe Geschwindigkeit