Die Gäste, die sich zur Yachtbesichtigung am Steg versammeln, hatten sich auf „This is it“ gut vorbereitet. Fotos, Pläne und Renderings angeschaut und sich vor allem gewundert. Was könnte das sein? Ein gläsernes Ei, ein Raumschiff, das sich verirrt hat? Und wo ist vorne, wo das Hinterteil?
Als es losgeht mit der Besichtigung, klärt sich die letzte Frage umgehend beim Betreten des knapp 44 Meter langen Kats. Die ausladende Heckpartie ist nach achtern offen, die hohen, weit nach hinten gezogenen Schanzkleider schirmen sie seitlich vor Wind und Blicken ab. Zwei Treppenaufgänge führen zum Cockpit mit XL-Bar, zwischen den Rümpfen schwebt ein verglaster, spitz zulaufender Pool, auf Höhe des Oberdecks wölbt sich ein schräg gesetzter Balkon mit transparenter Balustrade hervor. Und dann dieses runde Gewächshaus, das sich an Backbord, neben dem Aufgang zum Oberdeck, über zwei Etagen zieht. Dieser Auftakt ist gelungen.
Nach Angaben des Vercharterers IYC ist „This is it“ aktuell der größte Motorkat auf dem Markt, ein Innenraumvolumen von 750 Gross Tons spricht für sich. Ab 350 000 Euro pro Woche können sich zwölf Gäste auf dem dieses Jahr abgelieferten Tecnomar-Gefährt verwöhnen lassen. Über die Preisgestaltung in der Hauptsaison wurde intern viel diskutiert. „Ich tippte auf 450 000“, verrät Michel Chryssicopoulos, Marketingleiter bei IYC, und damit lag er richtig. „Es kommt ja schließlich auf das Serviceniveau an, das die Crew bietet.“ Und auf die Armada an Toys, fügt er noch hinzu, verzichtet aber darauf die lange Liste – angeführt von einem Technohull Alpha 50 Chaseboot – in allen Einzelheiten aufzuzählen.
Der übliche Luxus ist gewährleistet, inklusive generöser Mastersuite mit anfangs entdeckter Terrasse. Doch in erster Linie dürfte die zahlenden Gäste das Design und damit verbundene Ambiente beeindrucken. Mittlerweile hat sich der Verursacher unter die Besucher gemischt, Gian Marco Campanino – Artdirektor bei der Italian Sea Group (TISG), zu der auch Tecnomar gehört – gibt gern Auskunft über den spektakulären Entwurf und vor allem das Interieur. „Das ist der erste Wurf“, sagt er und kann es selbst kaum glauben. „Die perfekte Situation für Konstrukteure und Designer. Der Auftraggeber ließ uns die größte Freiheit, die man sich vorstellen kann.“
Kein detailliertes Briefing, kein Rebriefing. Der Eigner, der zuvor „Geco“ (55 Meter, Admiral) besaß und damit ein eher traditionelles Charterschiff, wollte Altbekanntes über Bord werfen und war bereit für Experimente. Er sagte einfach: „Ich möchte etwas anderes, etwas Besonderes. Und bitte einen Katamaran, kein Mono.“ Ansonsten gewährte er Carte blanche – ein weißes Blatt, auf dem sich die Kreativen austoben sollten. „So etwas passiert nicht sehr oft“, sagt Campanino. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der ganzen Freiheit hatte das Team einen Berg Recherche und harter Arbeit vor sich. „Es war nicht leicht“, betont der Designer, „aber ich bin happy, weil es so ist, wie es sein sollte.
„This is it“ – insofern trifft der Name voll ins Schwarze. Als Motto würde sich vielleicht „alles schräg, alles rund“ anbieten, denn an Bord sind Symmetrie, gerade Linien oder rechte Winkel fast Fremdwörter, zumindest auf den beiden Gäste-Etagen. Nicht nur die Außendecks sind „schief“ angelegt, auch die Mastersuite kommt fast ohne 90-Grad-Winkel aus, selbst die Galley bricht mit der üblichen Rechteckform. Das Mobiliar greift das Thema geschickt auf: So wurde die L-förmige Bar auf dem Hauptdeck scheinbar nach dem Prinzip Zufall in den Salon gesetzt, das Masterbett thront mitten im Raum und auch die Doppelbetten in den beiden angrenzenden VIP- Suiten stehen nicht akkurat längs in Fahrtrichtung.
Gefragt nach seinem Lieblingsraum an Bord, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „der Speiseplatz“. Der ebenfalls asymmetrische, eckenlose Raum liegt fernab des Salons, vorne im Anschluss an die Galley. Eine clevere Entscheidung, die sicher auch die Crew zu schätzen weiß. Mittig steht eine runde Tafel für zwölf Personen, an der Decke hängt ein schimmerndes Paneel mit einem großen Trichter über der Tischplatte, in dem sich die Beleuchtung verbirgt. So könnte ein Besprechungsraum auf einem luxuriösen Raumschiff aussehen. „Man könnte sich da auch G7 vorstellen, ein politisches Treffen mit all den politischen Schwergewichten“, schlägt Campanino lachend vor.
Fast ebenso begeistert stellt er sich später neben die Salonbar, ein spezieller Wunsch des Eigners – und ein Platz, der einen enormen Anteil an der Unterhaltung der Gäste haben soll. Der Hingucker ist hier ein Kronleuchter der etwas anderen Art: ein langes, ineinander verschlungenes Band aus goldenen Metallstangen mit dazwischen platzierten Kristallen – eine Sonderanfertigung aus Tschechien. Speziell erscheint auch die Wandverkleidung in der Lounge, gegenüber des halbrunden Sofas. „Elefantenleder“, kommentiert Campanino, „echtes“.
Durch alle Gästetagen ziehen sich schimmernde Oberflächen, vor allem Gold und Bronze für Wände, Decken und Tischgestelle. Als klassische Farbe oder Flüssigmetall. Ein weiterer Fokus für das Designteam war das Licht in den Räumen. In die Kreation des perfekten Ambiente haben sich die Köpfe nahezu hineingesteigert. Und so stellt Campanino überzeugend klar: „Alles wird durch das Licht geschaffen.“
Nach nur sechs Monaten standen die Pläne für „This is it“. „Dann machten wir uns an das Finetuning der Details“, berichtet Campanino. Immer wieder spuckten die 3-D-Drucker Modelle des Kats aus, „um die Form und das Volumen zu checken“. Die Miniatur-Yacht in die Hand zu nehmen, ist durch nichts zu ersetzen, „Man muss es einfach in echt sehen“, schwört der Designer. Auf die Frage, was im künstlerischen Prozess am schwierigsten war, antwortet er ohne lange nachzudenken: „die Linien“.
Und erklärt auch gleich, warum. Allein die Tatsache, dass für die Wintergarten-Optik rund 600 Quadratmeter Glas verbaut wurden, stellte die Konstrukteure und Handwerker vor enorme technische Herausforderungen. Zum Glück konnte die dafür engagierte Firma Sunglass aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Gigantische, gebogene Flächen lieferte sie auch schon an die Baustelle der Hamburger Elbphilharmonie. „Exterieurs sind schwieriger als Interieurs, aber auch interessanter“, setzt Campanino zu einem Exkurs an. „Sie sind technischer, da ist viel zu beachten. Dafür sind Interieurs heikler“. Er muss es wissen, schließlich ist der Designer eigentlich Konstrukteur und krempelte aus einem ganz einfachen Grund sein Berufsleben um: Passion. Vor zwölf Jahren wechselte er die Seiten, ging zur Italian Sea Group, wo viele Jahre „sehr harter Arbeit“ folgten. Doch noch immer schätzt er sich glücklich, in diese Welt eintauchen zu dürfen.
Der Eigner wollte mit „This is it“ in vieler Hinsicht Konventionen brechen. Katamarane verbinden viele normalerweise mit sportlichen Segelyachten, Tecnomars „Spacecat“ sollte dieses Prinzip aufgreifen, aber auch eine „Villa am Meer“ sein, mit dem Niveau eines Sieben-Sterne-Hotels. Trotzdem sollten Performance und Fahreigenschaften stimmen. „Das musste ich immer im Kopf haben und möglichst leichte Materialien verwenden“, gibt Campanino zu. „Da hatte ich diverse Grenzen.“
Fragt man einen weiteren Experten nach der Leistung, hat Kapitän Nikolaos Kechagias nichts auszusetzen. „Ich denke, wir werden die angegebenen 19 Knoten Topspeed übertreffen“, bemerkt er zuversichtlich. Damit sollte er recht behalten, im aktuellen Datenblatt stehen 21,5 Knoten. Für ihn stimme auch die Stabilität. „Ziemlich gut“, sagt er bescheiden, „wenn die Tanks alle voll sind, wird es noch besser.“ Die Planungs- und Bauphase hat er aktiv mitbegleitet, hatte noch vor der Ablieferung reichlich Gelegenheit, den Kat zu testen und sich auf der Brücke sowie in seiner angrenzenden Kabine einzurichten. Es kann gut sein, dass er sich an den Steuerstand auf dem vorderen Oberdeck etwas gewöhnen muss. Selbst die von Team Italia bestückte Kommandozentrale lässt an Geschichten aus dem Weltall denken: Die Bildschirme und Bedienelemente ruhen auf filigranen Stützen und scheinen fast über dem Boden zu schweben.
„Es fühlt sich an wie auf einer Segelyacht“, erzählt der Kapitän über seine ersten Reiseerfahrungen. „Wenn das Wetter gut ist und kaum Wind weht, hört man nichts. Absolut nichts. Vielleicht ein wenig das Wasser plätschern.“ Zu Anfang sei ihm das merkwürdig vorgekommen, und er musste immer wieder nach vorne an die Panoramafenster treten und sich davon überzeugen, dass in dem schwimmenden Raumschiff alles mit rechten Dingen zugeht. Aber das tut es.