Johannes Erdmann
· 18.07.2021
Einst entworfen, um keine Kielwasser zu hinterlassen, ist der Wellenbinder „Nixe“ heute auch noch völlig lautlos unterwegs. Dank moderner Technik und eines sparsamen Elektromotors
Sie war in einem Käseblättchen annonciert", erinnert sich Menno Wolters, "bei uns zu Hause, in der Nähe von Freiburg." Ein Ort, an dem man sicher nicht vorzugsweise nach solch einem hölzernen Motorboot suchen würde. Doch der Wellenbinder-Riss gefiel dem heute 78-Jährigen auf Anhieb, vor allem die lange und schmale Form, die aus Mahagoniplanken mit Kupfernieten geklinkerte Außenhaut und die bronzenen Beschläge. "So was sieht man nicht alle Tage", fand Wolters, "Das wäre ein schönes Ausflugsboot für unseren Sommerwohnsitz." Ein Hausboot an der Dove-Elbe. Schnell war klar: "Das Boot muss ich mir anschauen."
Drei Stunden Fahrt später, über die französische Grenze und hinunter zum Fluss Saône, lag das Boot vor ihm am Steg: elegant und wohlgepflegt, aber auch tatsächlich überaus schmal und mit sehr geringem Freibord. Der Verkäufer stammte ebenfalls aus der Ecke Freiburg, besaß ein Ferienhaus und hatte das Boot einige Jahre auf der Saône genutzt. Von ihm erfuhr Wolters auch ein paar mehr Eckpunkte über die Geschichte der "Nixe", aber nicht viele: "Sie wurde 1950 irgendwo in der DDR gebaut. Wo genau, konnte er mir nicht sagen."
Das Boot reiht sich zwar optisch in die Reihe der klassischen Wellenbinder ein, die in den VEB-Werften in Serie gebaut und allesamt nach Fischen oder Vögeln benannt waren wie Forelle, Skalar, Seeadler oder Sturmvogel. Ein Typenschild besitzt "Nixe" leider nicht mehr, und sie sieht auch ein klein wenig anders aus als die Boote, die in den Archiven der VEB-Werften gelistet sind. "Ob dieses hier ein Einzelbau war?", fragt sich Wolters. Vier Jahrzehnte nach dem Bau hat das Boot Anfang der Neunzigerjahre ein ziemlich umfassendes Refit erfahren und ein neues Deck bekommen. Der Pflegezustand ist heute wirklich hervorragend.
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Der Wellenbinder geht zurück auf den deutschen Bootsbauer Claus Engelbrecht, dessen Mitarbeiter Arthur Tiller den Entwurf später überarbeitet und erweitert hat. Bei Tillers Wellenbinder handelt es sich um eine Serie von Rundspantern mit einem Längen-/Breitenverhältnis zwischen 1 zu 5 und 1 zu 10. Die lange und schmale Form beruht auf dem Ziel, ein Boot zu konstruieren, das keine Wellen wirft. Das sollte gelingen, indem sich die vom Unterwasserschiff erzeugten Wellen mit den Wellen von Bug und Heck überlagern und gegenseitig auslöschen.
Neben diesem besonderen Effekt hat die ausgeklügelte Rumpfform aber einen zweiten Vorteil: eine relativ hohe mögliche Fahrtgeschwindigkeit bei verhältnismäßig kleiner Motorisierung. In den Bootsunterlagen seiner "Nixe" fand Wolters wie zur Bestätigung zwei Aluminiumplaketten, die dem Boot eine Teilnahme an den Motorbootrennen in Bad Saarow der Jahre 1956 und 1957 bescheinigen. "Damals hatte das Boot noch einen Seitenbordmotor", las Wolters in den alten Papieren. Ein Motor, der damals vor allem mit den König- und Tümmler-Modellen im Osten noch große Beliebtheit fand.
"Nur eines passte beim Kauf in Frankreich überhaupt nicht zum Bild", lacht Wolters und blättert im Bilderalbum seines Refits ein paar Seiten zurück, "am Heck war ein klobiger, alter, knatternder Zweitakt-Außenborder montiert." Ein Stilbruch. Aber keiner, der sich nicht durch das Drehen zweier Knebelschrauben gegen den Uhrzeigersinn und einen leichten Ruck beheben lassen hätte. Der 6-PS-Johnson entpuppte sich zudem nicht nur als optische Belästigung, sondern auch als äußerst unpraktisch, "Ich bin nicht mehr der Jüngste und musste zum Anwerfen immer übers Heck klettern", erklärt Wolters, "das musste geändert werden."
Schon während das Boot auf dem Trailer nach Hamburg rollte, wurde deshalb ein Plan gefasst: Die "Nixe" sollte elektrisiert werden und einen Elektromotor bekommen. "Eigentlich dachte ich an einen Außenborder", sagt Wolters, "doch dann bin ich auf einen Unterflurmotor von Aquamot gestoßen, der mir ideal erschien, weil er die klassischen Linien nicht stört, aber das Boot mit modernster Technik in das 21. Jahrhundert schiebt."
Die Wahl fiel auf ein Modell mit 2000 Watt und 24 Volt. "Der Antrieb lässt sich per Seilzug direkt steuern, so kann ich mir ein Ruderblatt sparen", erklärt Wolters.
Den Einbau entschied sich der Ingenieur allein zu bewerkstelligen. "Mit etwas handwerklichem Geschick war das keine schwierige Aufgabe", ordnet er ein. "Der Lieferumfang glich auch einem Bausatz, in dem alles enthalten war, was ich benötigte." Nachdem der ideale Ort für die Installation lokalisiert war, bohrte Wolters zunächst mit einer Lochsäge von 80 mm durch den Rumpf. Anschließend passte er zwei keilförmig gesägte Verstärkungsbretter aus abgelagertem Eichenholz an die Planken an, um dem Rumpf an dieser Stelle eine Verstärkung zu geben. Gleichzeitig erhielt die Hülse, in der der Motorschaft geführt wird, dadurch eine größere Auflagefläche.
Zur Installation des Antriebs wurde nun lediglich der Schaft in die schwingungsdämpfende Führungsbuchse eingesetzt und mit einem Klemmring fixiert. Als Nächstes fanden dann die Batterien, die Bedienelemente und die Elektronik ihre Montageorte. "Ich habe etwa zwei Monate daran gebaut", sagt Wolters, "aber auch nur, weil ich jeden Tag höchstens zwei Stündchen gebastelt habe." Die Wasserung in der Dove-Elbe und die erste Probefahrt der "Nixe" waren ein großer Augenblick für den Tüftler. "Das Boot liegt gut im Wasser", sagt er, "und mit zwei bis drei Personen an Bord erreicht es eine Geschwindigkeit von zwölf km/h."
Ein Beweis dafür, dass Tillers Entwurf des Wellenbinders auch mit modernen Elektromotoren zusammen funktioniert. Dabei hätte der Schiffbauingenieur bereits damals selbst gern solch einen Motor installiert. In seinem Vortrag über deutschen Motorbootbau im Jahr 1934 war das allerdings noch nicht abzusehen. Da erklärte er: "Das leider auch heute noch sehr hohe Akkumulatorengewicht und der sich daraus ergebende beschränkte Aktionsradius des Elektromotorbootes setzten seiner allgemeinen Ausbreitung fast unüberwindliche Hindernisse entgegen.
Auch heute noch ist es dem Bootskonstrukteur unmöglich, ein Elektromotorboot mit Akkumulatorenkraftquelle so leicht und daher so schnell zu bauen wie etwa ein gleich starkes Benzinmotorboot." Die Zeiten ändern sich, und heute ist die Technik einen bedeutenden Schritt weiter. Die Reichweite mit den beiden 200-Ah-Batterien ist gut dimensioniert für einen längeren Ausflug den Fluss hinauf. "Mit sechs bis sieben km/h können wir vier Stunden fahren", so Wolters. Ein Quantensprung.
Doch nach zwei Saisons überlegt Wolters nun trotzdem, die "Nixe" an einen jüngeren Eigner abzugeben. "Für meine Zwecke wäre vielleicht ein pflegeleichtes Tuckerboot eine bessere Wahl", sagt er. Wer die "Nixe" auf der Dove-Elbe – oder künftig vielleicht einem anderen Revier – lautlos an sich vorbeigleiten sieht, der kommt jedenfalls unweigerlich ins Staunen. Denn irgendwie wirken die wunderbaren Linien und der hölzerne Rumpf in Verbindung mit dem modernen Elektromotor so, als hätten sie schon immer zusammengehört.