ReportageSo entstehen bei Ilensee Boote klassische Runabouts

Jan-Ole Puls

 · 24.12.2025

Die fertige Ilensee 16 beim Fotoshooting. Besonders gut zur Geltung kommen dabei die warme Holzfarbe und die optisch passenden Polster. Auf Wunsch passt die Werft die Polsterfarbe auch individuell an.
Foto: AMX Studio

Moderne Werften nutzen fast nur noch Kunststoff. Holz dagegen fristet ein Dasein in der exklusiven Nische. Wie bei Ilensee Boote, wo kleine Kunstwerke aus dem natürlichen Werkstoff entstehen. Wir haben die Werft besucht.

​Holzboote werden rar! Fast jedes moderne Boot besteht heute aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Serienwerften wie Hanse, Bavaria, Beneteau oder Axopar beherrschen den Markt mit diesem Werkstoff. Holz findet, wenn überhaupt, nur noch im Innenausbau Verwendung – dann meist als dünnes Furnier über Sperrholz oder Sandwichplatten. Ein paar Ausnahmen gibt es noch. Vor allem einige skandinavische Traditionswerften greifen hin und wieder auf Vollholz zurück. Doch die meisten Hersteller nehmen davon nach und nach Abstand. Das geht so weit, dass zum Beispiel die niederländische Luxuswerft Zeelander GFK-Teile so lackiert, dass die Handläufe aussehen wie Holz. Die Maserungen werden mit einem dünnen Pinsel und viel Geschick einfach aufgemalt und sehen täuschend echt aus.

Verliert der Bootsbau damit sein Gesicht oder seine Handwerkskunst? Vielleicht nicht zwingend, aber ganz sicher Emotionen, Gemütlichkeit, Wärme und handwerkliche Raffinesse. Er gewinnt jedoch auch an Modernität und Vielfalt. In Kunststoff können Formen gefertigt werden, die in Holz so nicht möglich wären. Außerdem schont es die Abholzung von Wäldern. Ob der Bootsbau in GFK umweltfreundlicher ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt und ist ein anderes Thema. Diese Diskussion möchten wir hier nicht aufmachen. „Alles nur noch Joghurtbecher“, werden hartgesottene Bootsbauer und Liebhaber vermutlich sagen.

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Kann Holzbootsbau modern sein?

Kai-Uwe Eilts sieht das ähnlich. Allerdings verschließt er sich nicht der Realität des 21. Jahrhunderts. Stattdessen meint er: Holzbootsbau kann auch modern sein. CNC-Fräsen, Epoxidharz und moderne Lacksysteme machen es möglich, dass die traditionelle Handwerkskunst auch heute noch Berechtigung findet. Was dabei entsteht, ist weit mehr als ein schwimmendes Objekt. Es ist ein Stück Kunst, mit eigener Geschichte und vor allem etwas, das man heute nur noch selten in Häfen sieht.

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Es ist 8.30 Uhr, als wir die kleine Halle in Schleswig an der Schlei betreten, die direkt an Kai-Uwe Eilts Wohnhaus angrenzt. Im Radio läuft „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin, aus einer Ecke hört man die Melodie mit Pfeifen.

Für mich ist es ein besonderes Gefühl: Wieder in einer Werft zu stehen ist wie eine Reise in meine Vergangenheit. Ich selbst bin gelernter Bootsbauer. Es gibt für mich kaum ein schöneres Gefühl, als in einer Werkstatt zu stehen, in der man spürt, dass hier mit Leidenschaft gearbeitet wird. Das Projekt, das Eilts zeigt, hört auf den Namen Ilensee 16, ein klassisches Runabout. Diese Boote sind selten, aber sie existieren, etwa bei Boesch oder Riva. Eines haben sie gemeinsam: Wer eins besitzen will, braucht Geduld und, noch wichtiger, ein großes und tiefes Portemonnaie. Neu kaufen? Das geht kaum. Genau das will Kai-Uwe Eilts ändern. Sein Ziel: ein solches Boot zu bauen, das bezahlbar, verfügbar und trotzdem besonders ist.

Kai-Uwe Eilts und seine Verbindung zum Bootsbau

Klar, die große Masse spricht er damit nicht an. Doch bei Liebhabern wird er auf Begeisterung stoßen. Aufgewachsen auf der Nordsee­insel Norderney, arbeitete Kai-Uwe rund zwanzig Jahre bei der Werft Dübbel & Jesse. Die war einst ein führender Hersteller von Regattayachten aus Aluminium, hat aber beispielsweise auch die „Kathena Nui“ des Weltumseglers Wilfried Erdmann gefertigt. Auf Norderney baute Eilts Yachten bis zu 88 Fuß Länge, meist Segelboote. In dieser Zeit verliebte er sich in Holz, den lebendigen Werkstoff, der riecht, klingt und sich anfühlt wie kein anderer.

Vor einigen Jahren zog er mit seiner Frau aufs Festland, besser gesagt nach Schleswig. Der Plan: kürzertreten, nur noch die Projekte annehmen, auf die er wirklich Lust hat, und mehr Zeit fürs Leben haben. „Das hat nicht funktioniert“, sagt er lachend. Im Gegenteil, neue Ideen und die Arbeit lassen ihn einfach nicht los. Gemeinsam mit Rainer Kuhlmann, einem CNC- und Modellbau-Experten, entstand Schritt für Schritt die Idee zur Ilensee 16. Erst war es ein Konzept, dann ein 3D-Modell, schließlich eine fertige Zeichnung. Rund 1.000 Stunden später stand der erste Prototyp in der Halle.

Der Bauprozess bei Ilensee Boote

Im wirtschaftlich und präziser zu arbeiten, wird nicht jedes Teil einzeln per Hand gefertigt. Stattdessen fräst eine eigene CNC-Maschine ungefähr 250 Bauteile millimetergenau aus Sperrholz und beschriftet sie gleich mit. Der Rest wird händisch hergestellt. So entsteht unter anderem das Spantengerüst. Das zusammenzufügen ist teils Puzzle, teils Malen nach Zahlen. Es ist eine effektive Verbindung aus Handwerk und der Hilfe von Hightech.

Das Computerprogramm berechnet, wo Stöße liegen müssen, um wenig Verschnitt zu erzeugen und das Maximum aus jeder Sperrholzplatte zu gewinnen. Danach werden die Teile zusammengesteckt, verleimt und auf der Helling verklebt. Es folgt eine sechs Millimeter starke Sperrholzschicht, verstärkt mit zwei Lagen Glasfasergewebe. Sie sorgen für zusätzliche Stabilität und Wasserdichtigkeit. Für das edle Mahagoni-Finish wird die Ilensee zusätzlich mit einer 2,5 Millimeter starken Furnierbeplankung versehen. Diese bringen die Bootsbauer mit Epoxidharz unter Anwendung eines Vakuumverfahrens auf.

Anschließend folgt der Lackaufbau. 15 Schichten Klarlack sind für den unverwechselbaren, tiefen Glanz notwendig, der bei einem solchen Boot zum Pflichtprogramm gehört. Wenn Eilts darüber spricht, leuchten seine Augen. Man spürt sofort, wie viel Herzblut, aber auch purer Stolz in diesem Projekt stecken. Es ist offensichtlich: Dieser Prototyp ist sein Paradestück, und er zelebriert es ­förmlich.

Die Ilensee 16 im BOOTE-Test

Wir testen das Boot mit als Erste und sind begeistert. Natürlich gibt es noch kleine Kinderkrankheiten. So sitzt eine Klappe noch nicht perfekt, ein Brett wurde vom CNC-Programm ein paar Millimeter zu klein gefräst. Doch das ist Meckern auf höchstem Niveau. Viele Werften wären mit diesem Stand schon mehr als zufrieden. Eilts nicht. Er kennt jede Schwachstelle, hat sie längst in den nächsten Zeichnungen korrigiert. Die Ilensee 16 ist eben sein Baby, und für seine Kinder will man bekanntlich nur das Beste.

Apropos das Beste: Auch bei den Zulieferern setzt er auf Qualität und Regionalität. Laroma, ein Matratzen- und Polsterhersteller aus Schleswig, sorgt zum Beispiel für die Gemütlichkeit an Bord, während die Holm Segelmacherei die passgenaue Persenning liefert. Auch Segelmacher Sven Kraja von Frog Sails, ehemaliger Strandsegelweltmeister und ebenfalls Bootsbauer, sowie CTM, ein Großhändler und Technologieanbieter für Faserverbundwerkstoffe, kommen aus der Region im Norden Deutschlands.

Bei der Testfahrt fallen noch ein paar weitere Kleinigkeiten auf: In die eine Richtung lassen sich engere Kurven fahren als in die andere. Eine Einstellungsfrage der Motorlenkung, erklärt Eilts. „Beim nächsten Boot würde ich eine hy­drau­li­sche Lenkung verbauen. Das ist einfacher und fühlt sich auch besser an“, ergänzt der Bootsbauer. Geht das Boot in Serie, werden diese Details noch einmal perfektioniert. Davon abgesehen nimmt sie Kurven souverän und ohne dass das Heck einhakt. Auch bei 30 Knoten Fahrt liegt sie stabil, ohne an Grip zu verlieren. Sie gleitet mühelos an, ohne dass sich der Bug übermäßig hebt. Die Sicht ist im Sitzen so jederzeit sehr gut. An Bord des Testbootes ist noch ein 90-PS-Zweitakter verbaut. In der Serie wird es wahlweise ein moderner Viertakter oder ein Elektroantrieb sein. Bei der E-Version werden die Batterien direkt im Rumpf verbaut. Das ist in den Stringer- und Spanten-Zeichnungen schon berücksichtigt. Ein Verbrennungsmotor darf maximal 100 PS besitzen. Mehr braucht es auf einem 5,10 langen Meter Boot auch nicht.

Unser Topspeed lag so schon bei 32,2 Knoten. Mit einer optimierten Propeller-Steigung sind aber auch um die 40 Knoten machbar. Diese Geschwindigkeiten erreichte die Werft bei den ersten Testfahrten auf der spiegelglatten Ostsee. Zurück am Steg drehen wir uns noch einmal um. Wenn etwas so schön ist, muss man einfach stehen bleiben und noch einmal hinschauen.

Wer auffallen und ein Stück modernen individuellen Klassiker sein Eigen nennen möchte, sollte sich die kleine Werft in Schleswig einmal genauer ansehen. Denn die Ilensee 16 beweist: Traditionelle Handwerkskunst und moderner Bootsbau müssen sich nicht ausschließen. Im Gegenteil, beide harmonieren perfekt und das Ergebnis begeistert!


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