Klassische Form und moderne Technik ergeben einen Stahlverdränger der Sonderklasse. Wir fuhren die neue Boarncruiser 42 AC auf dem Sneekermeer.
Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass der Name "Retro Line" an unserem Testboot Programm ist. Seine Linien erinnern an die ursprünglichen Stahlverdränger und geben dem Boot ein traditionelles, aber auch hochwertiges Aussehen. Auf den zweiten Blick erkennt der Technik-Freak auf unserem Testboot
einen Radarrandom und die selbstausrichtende SAT-Antenne auf dem Gerätebügel, was auf eine Ausrüstung mit Geräten im gehobenen Standard hinweist. Allerdings stehen beide auf der Zubehörliste.
Wer die Boarncruiser unter Deck betritt, hat ein Aha-Erlebnis. Denn hier steht die Pantry nicht, wie sonst üblich, an einer Seite, sondern quer mittschiffs. Dort gibt es ein 4-Platten-Kochfeld, Kühl-Gefrierkombination (130 l), Mikrowellen-Ofen- Kombination, Dunstabzugshaube und genügend Staufläche. Mit zugedecktem Kocher und Spüle entsteht eine schöne Arbeitsfläche, eine weitere Fläche ist im Rücken des Smutjes an der Trennwand zur Sitzecke vorhanden.
An der Pantry vorbei führt der Weg in die Achterkabine, die dem Eigner vorbehalten ist. Hier findet man eine mit Lattenrosten erstklassig unterlüftete Doppelkoje, Flachbildfernseher, gute Stau- und Lüftungsmöglichkeiten
sowie den Zugang in eine eigene Nasszelle. Der Luftaustausch wird über Bullauge und Lüfter im Duschbereich gewährleistet. Letzteren trennt man mit einer transparenten Duschwand zu Toilette und Waschbecken. Die Bugkabine besitzt ebenfalls eine eigene Nasszelle, diese fällt jedoch kleiner aus und hat keine Duschabtrennung. Unter der Koje findet man einen vorbildlichen Lattenrost, und für die Unterhaltung sorgt, wie in der Achterkabine, ein Fernseher. Praktisch ist eine Stufe vor der Koje, die das "Entern des Bettes" einfacher gestaltet.
Außer der Pantryanordnung zeigt sich im Salon noch eine weitere Besonderheit: Die Sitzeinheit lässt sich samt Tisch hochund runterfahren, damit man auch im Sitzen durch die tief liegenden Fenster schauen kann. Die Frage, warum die Fenster nicht einfach tiefer angeordnet sind, beantwortet Wies Hokwerda, Geschäftsführerin von De Boarnstream (siehe dazu auch Stahlyachten Spezial ab Seite 51) so: "Das würde die Außenlinie kaputt machen." – Um sich gegen fremde Blicke von außen zu schützen, sind an dem Testboot Jalousien angebracht, die man per Fernbedienung hoch- und runterfährt. Letzteres gilt auch für den Fernseher, der sich in der Seitenwand versteckt.
Vom Salon ins Cockpit gelangt man über eine Treppe mit Handlauf bequem und sicher. Von der Badeplattform, mit Heckdusche und langer Leiter, die vom Wasser aus ausreichend einfach zu handhaben ist, führen gleich zwei Treppen ins Cockpit. Wer von dort aufs Vordeck gehen möchte, nimmt seinen Weg über breite Seitendecks, an denen es eine stabile Reling mit Tür für den Seiteneinstieg gibt. Auf dem Vordeck lädt ein bequemer Bugsitz zum Verweilen ein, und gegen Aufpreis können Sonnenhungrige sich den Wunsch nach einem Polster fürs Kabinendach erfüllen. Zurück ins Cockpit: Hier dominiert eine gut gepolsterte 3-er-Bank mit höhenverstellbarem Tisch.
An Steuerbord steht der Fahrstand, den – was auch für die gesamte Vorderfront gilt – leicht grau getönte Scheiben im soliden Rahmen vor Fahrtwind schützen. Bei Regen und feuchter Witterung sorgen drei Scheibenwischer und Defrosterdüsen für klare Sicht nach vorn. Um sich von oben gegen schlechtes Wetter zu schützen, spendiert De Boarnstream ein Kabrioverdeck mit großen Folienfenstern.Die Motorinstrumente sitzen waagerecht im Fahrstand, was das Ablesen für sitzende Fahrer einschränkt. Stehende haben nicht nur einen guten Blick auf die Motorinstrumente, sondern auch die Wippschalter hinter dem Lenkrad gut im Griff.
Als Navigationsinstrumente installiert die Werft serienmäßig LOG, Lot und Kompass. Beides lässt sich genauso gut ablesen wie der aufpreispflichtige Raymarine-Kartenplotter.Gesteuert wird an einem "schiffigen Lenkrad" mit Holzkranz, das man, wie auch die elektronische Schaltung, in allen Fahrpositionen gut erreichen kann. Die Einhebelschaltung ist kinderleicht zu bedienen, und die Motordrehzahl lässt sich damit präzise dosieren. Angesteuert wird ein Perkins-Sambre-Diesel mit einer Nennleistung von 209 PS. Bei 1000/min lässt er unser Testboot fast 3,5 kn schnell laufen, und die Reichweite liegt bei über 1000 sm.
In Marschfahrt, gut 7 kn, verbraucht der Diesel etwa 3,2 l/sm, was mit dem 800–l-Tank eine Reichweite von mehr als 210 sm plus 15 % Reserve ergibt. Vollgaspiloten kommen auf über 9 kn, allerdings dreht der Motor dann mindestens 300/min mehr (gut 2800/min, anstatt 2500/min), als der Motorenhersteller erlaubt. Hier muss der Propeller noch deutlich verändert werden. Lautstärke: Trotz der erhöhten Drehzahl bleibt der Wert mit 74 dB/A am Fahrstand deutlich unter der 85-dB/A-Grenze.
Wer in schneller Fahrt eine enge Kurve dreht, wird nicht unangenehm überrascht. Wie bei Stahlverdrängern üblich, legt sich der Rumpf auf die Kurvenaußenseite und schwingt sich weich in die eigene Welle ein. Die Steuerung bleibt dabei immer leichtgängig, was die vom Eigner unseres Testbootes erworbene "Power Steering" garantiert. Allerdings macht sich damit der Druckpunkt des Ruders kaum bemerkbar – das erfordert beim Einpendeln und Korrigieren des Kurses Einfühlungsvermögen und Geschick, besonders dann, wenn man aus einer Kurve den neuen Geradeauskurs finden muss. Im Hafen sorgen enge Wendekreise vorwärts und vor allen Dingen die installierten Bug- und Heckstrahlruder für ein gutes Manövrierverhalten.Bei etwa vier Windstärken läuft der Rumpf im Kabbelwasser unseres Testreviers, des Sneekermeers, über den gesamten Geschwindigkeitsbereich problemlos.
Kinderleicht lässt sich die Motorraumklappe per Knopfdruck öffnen. An den vorderen Bereich des Motors gelangt man gut für Servicearbeiten; um an die hinteren Ecken zu kommen, muss sich der Monteur, besonders an der Steuerbordseite, klein machen.Alle Leitungen befestigten die Techniker von De Boarnstream übersichtlich und fest in Schellen und Kabelkanal. Die Stromversorgung übernehmen eine Starter- (130 Ah) und drei wartungsfreie Bordnetzbatterien (insgesamt 390 Ah) sowie eine Inverter/Ladekombination (12 V/230 V) von Mastervolt. Die mehrfache Anzahl von Spritfiltern, fernabschaltbare Kraftstofffilter, eine im Motorraum vorhandene Feuerlöschanlage und zwei Handfeuerlöscher geben ein hohes Maß an Sicherheit. Bei der Lenzeinrichtung fehlt dagegen die Handpumpe. An Deck geben solide Griffe, Reling und rutschfeste Bodenstrukturen Bewegungssicherheit.
Um das Boot festzumachen, spendiert De Boarnstream sechs stabile Klampen. Diese verschweißt die Werft genauso gut wie den gesamten Bootsrumpf und das Deck. Eine unschöne Silikonnaht am Glasschrank in der Pantry sowie ein schwergängiges Salonluk und ebensolche Schrankverschlüsse sind Macken im Detail; die übrige Möbelverarbeitung macht mit glatten Oberflächen, geraden Spaltmaßen und runden Kanten einen ordentlichen Eindruck. Als Scheuerleiste verwendet die Werft eine Niroleiste, die edler als eine Wieling aussieht, bei Remplern jedoch härter zur Sache geht als ihre "weichere und wulstigere Schwester".
Fender befestigt man bequem an der ums ganze Boot laufenden Reling. Damit der Anker keine Kratzer am Rumpf hinterlässt, sitzt zwischen verstärkter Seitenwand und Anker ein spezieller Ringfender. Letzteren liefert die Werft ebenso serienmäßig wie die fernbedienbare elektrische Ankerwinsch, 30 Meter 8-mm-Ankerkette, Fußbodenheizung, Warmwasser und in Deutschland zugelassene Navigationsbeleuchtung. Fazit: Die Boarncruiser 42 Retro Line Aft Cabin ist ein klassisch gestylter Stahlverdränger, mit dem vier Personen bequem reisen.
Werft: De Boarnstream International Marine Group
Typbezeichnung: Borancruiser 42 Retro Line
CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern
Länge: 12,85 m
Breite: 4,30 m
Verdrängung: 19,50 t
Preis: 567.280,00 €