Christian Tiedt
· 30.04.2011
Ein Projekt schweißt Generationen zusammen: Josh Braun und sein Vater Holger konstruierten ein Motorboot – mit klassischen und sportlichen Elementen.
Früher oder später stellt der (vorzugsweise männliche) Nachwuchs fest, dass er ein Motorrad braucht. Erfahrene Eltern sind darauf vorbereitet und legen gewöhnlich Alternativangebote vor. Die Finanzierung des Autoführerscheins zu gegebener Zeit, sofern der Sprössling im Gegenzug noch eine Weile mit seinem Jugendrad vorliebnimmt, ist ein gern getroffener Vergleich.
Bei Josh Braun aus Bergisch Gladbach war es so: Mit zehn, elf Jahren wollte er ein Kart haben, ein richtiges, mit Rohrrahmen und Motorradmotor. „Dann können wir ja gleich ein Boot bauen“, meinte sein Vater. Und Josh fand: „Stimmt, warum nicht ...“ Als Josh zwölf war, im Herbst 2003, ging es los. Erst arbeiteten sie in einer angemieteten Werkstatt, später unter dem eigenen Dach.
Bauskizzen gab es keine, versichert Josh: „Es ist wirklich zu 99 Prozent im Kopf entstanden. Und aus weiteren Schritten – einfach schauen, wie machen wir das jetzt, womit fangen wir an?“ Der Kopf, in dem das Projekt heranreift, gehört zu Vater Holger Braun, von Haus aus Karosseriebauer und Skipper. Das passt schon mal.
Ein Gleitboot mit Platz für drei bis vier Personen soll es werden, etwa 4 m lang und 1,40 m breit. Den Rumpf wollen Vater und Sohn von innen nach außen fertigen. Sie beginnen mit dem „Chassis“, der inneren Schalung des Bootes. Die ist aus Holz und bedarf einer Stabilisierung. Ein von außen aufgesetzter Gitterrahmen, aus Stahlrohren zusammengeschweißt, schafft die nötige Verwindungssteifigkeit, bringt aber auch ordentlich Gewicht auf die Waage. Rund 40 kg, schätzt Josh, etwa ein Fünftel des späteren Bootsgewichts inklusive Außenbordmotor. Hohlrohre zwischen Innenwand und Rahmen nehmen Lenk- und Schaltzüge sowie Stromkabel auf.
Nun machen sich Josh und sein Vater an die Konstruktion der Reling. Der Versuch, ein Edelstahlrohr im Schraubstock zu biegen, endet allerdings, wie Josh gesteht, mit einem „kleinen Löchlein“ in der Werkstattwand. Wie eine Feder sei das Rohr zurückgeschnellt. So geht’s also nicht. Eine geeignete Rohrbiegemaschine ist nicht aufzutreiben, aber ein Schweißbrenner. Jetzt endlich gibt das verflixte Rohr nach.
Auch das nächste Unternehmen verlangt Fingerspitzengefühl. Denn die Steuerkonsole, ein restauriertes Stück, braucht eine neue Scheibe. Aber wie lässt sich so ein Ding aus Plexiglas bloß passend krümmen? Im Backofen. Langsam erwärmen und dann sachte biegen. Josh und sein Vater kaufen 1 qm Plexiglas, was sich als schlau erweist. Denn 1 qm Plexiglas ergibt vier Scheiben und damit vier Versuche. Und als hätten sie’s geahnt: Erst Numero vier gelingt.
Aber das feine Süll stammt doch bestimmt aus dem Bootszubehörhandel. Nein, auch nicht. Das edel anmutende Teil hat seinen Ursprung in einer ganz profanen Küchenarbeitsplatte. Josh und sein Vater schneiden die 200 cm x 60 cm große Buchenholz-Platte in vier Bohlen, jede 200 cm lang und 15 cm breit. Hobel und Schleifer bringen die Bohlen in Form, Holzbolzen tarnen die Schraublöcher.
Beize und neun Schichten Klarlack sorgen für ein nobles Finish. „Da war einfach eins dieser Boesch-Boote unser Vorbild“, erzählt Josh. Und dass es viel Arbeit gewesen sei. „Immer wieder schleifen, polieren und noch mal Klarlack drauf ...“
Als Nächstes wird der Rumpf weiter aufgebaut. Josh und sein Vater verfüllen den Raum zwischen „Chassis“ und Rohrrahmen mit Styropor-Platten und Montageschaum. Dann bringen sie Armierungsmatten auf, die mit Betonfarbe gestrichen werden. Nach einer zweijährigen Projekt-Pause erhält der Rumpf seinen letzten Schliff – Stringer, drei Lagen glasfaserverstärktes Kunstharzlaminat, Gelcoat. Dann, in den Osterferien 2008, haben es Vater und Sohn geschafft. Das Boot ist fertig. Und Josh gerade einmal 16 Jahre alt.
Der Gleiter ist ein kleines Schmuckstück geworden. Beim Bau hat der Vater natürlich in vielem das Heft in der Hand behalten. Als es ums Schweißen des Rohrrahmens ging zum Beispiel. Aber er leitete Josh immer auch an, ließ ihn an einfachen Objekten üben. Und er machte es stets so, dass nichts die Begeisterung seines Filius trüben konnte.
„Ich habe so viel gelernt“, sagt Josh heute, „das ist wirklich unglaublich.“ Etliches an seinem Boot hat er selber zuwege gebracht. Anfangs waren es einfache Aufgaben, die er übernahm. Doch fortwährend schleifen, streichen, bohren, schrauben müssen – nervt sowas nicht irgendwann?
Einen „Durchhänger“ habe er schon gehabt, meint Josh, so mit 12 oder 13 Jahren. Da hätte er lieber mit den Freunden ein Baumhaus gebaut, statt mit seinem Vater an einem Boot zu werkeln. Aber die Phase hielt nicht lange an. Zu groß war Joshs Wunsch, ein eigenes Boot zu haben. „Das ist dein Boot, dein eigenes. Ich helfe dir beim Bauen, aber es ist deins ...“, habe der Vater immer betont. Dass Joshs Freunde die ganze Aktion ziemlich cool fanden, war auch so ein Ansporn.
Diskussionen gab es, klar. Josh wollte es eher ein bisschen schnittiger und sportlicher, sein Vater mehr klassisch, edel. Nun hat das Boot von allem etwas. Schwieriger war es mit dem Bootsnamen. Josh schwebte „No Limit“ oder „Speedy“ vor, dem Vater „Josh’i“. Der Gleiter blieb namenlos.
An seinem Heck hängt ein 35 PS starker Chrysler-Außenbordmotor. Der Antrieb stammt aus den 1980ern,
ist gleichwohl nagelneu. Die Brauns erwarben ihn bei einer Geschäftsauflösung, ein Schnäppchen, das bei Josh noch durch einen „richtig schönen Sound“ punkten kann. Auf 51 km/h habe der Außenborder sein Boot beschleunigt, berichtet Josh.
Beim Thema Fahreigenschaften gerät er ins Schwärmen: „Das Boot ist wendig und macht sehr viel Spaß, genau dafür wurde es gebaut.“ Es könne vielleicht etwas breiter sein, sagt Josh im Nachhinein, aber an der Konstruktion würde er nichts ändern: „Ich bin total begeistert, dass es so gut geworden ist.“ Und das für etwa 3000 Euro Materialkosten.
Auf Josh Brauns Schreibtisch steht ein Bild des Bootes. An dem Eigenbau muss sein Herz hängen. „Stimmt“, antwortet Josh leise. In diesem Jahr macht er Abitur. Und dann möchte er Schiffbau studieren.