TestWellcraft 355 – Boot für alle Fälle

Ralf Marquard

 · 28.12.2022

Mit den drei Außenbordern ist die Wellcraft sportlich, aber auch immer sicher unterwegs
Foto: Tom King, Jean-Baptiste-D’Enquin
Die Wellcraft 355 in Bildern

Die neue „Adventure Performance Yacht“ aus dem Hause Wellcraft zeigt gute Fahreigenschaften und bietet ein schönes Leben an Bord

Wellcraft – seit 2014 zur Groupe Beneteau gehörend – hatte sich in den vergangenen Jahren auf Fisherman-Boote spezialisiert. Nun kommt die Werft mit der neuen Wellcraft 355, einer „Adventure Performance Yacht“, auf den Markt, die für eine Vielfalt an Bootsspaß steht und mit reichlich Leistung ausgerüstet ist. Maximal dürfen 1050 PS (3x Mercury 350 PS, siehe Fotos) an den Heckspiegel, wir fahren mit etwas weniger Power. An unserem Testboot hängen 3x 300 PS aus dem Hause Yamaha, die Motorisierung mit 3x Mercury 300 PS ist ebenfalls möglich.

Super Rundumblick bei langsamer Fahrt

Das Testrevier ist das Mittelmeer vor Ajaccio (Korsika). Wir erwischen einen Tag mit bestem Sommerwetter und einer mäßigen Brise. Abgelegt wird das Testboot sicher und exakt mit dem Joysticksystem (Standard bei allen Motorisierungen; gegen Aufpreis gibt es ein Bugstrahlruder, das zur sogenannten Trimlevel-2023-Ausstattung gehört). Später fahren wir das Boot mit der normalen Schaltung und der elektronisch gesteuerten Lenkung weiter. In langsamer Fahrt zwischen etwa 3 kn und 6 kn läuft es kursstabil und bietet vom Fahrerplatz aus – dem sogenannten Wheelhouse – einen super Rundumblick.

Weiter draußen schieben wir dann die Hebel nach vorn, und die Wellcraft hebt ab etwa 2400 U/min den Bug an und senkt ihn mit knapp 4000 U/min (ohne Trimmklappen) wieder selbstständig ab. Diese Übergangsphase kann man mit dem Einsatz der Trimmklappen (Extra) noch spürbar verkürzen und so die Voraussicht verbessern. Bei 4000 U/min (27,1 kn) macht die Wellcraft eine gute Gleitfahrt, und hier errechnen wir auch die wirtschaftlichste schnelle Fahrt: Mit 4,73 l/sm ergibt sich mit dem 1000-l-Tank abzüglich 15 % Reserve eine Reichweite von akzeptablen 180 sm. Fast genau so weit (179 sm) kommt man mit knapp 31 kn. Bei Vollgas mit respektablen 44,2 kn sind es noch 125 sm.

Selbst Kurven lassen sich mit angepasster Geschwindigkeit bei Kabbelsee gut fahren

Auf Slalomkursen und beim Verreißen des Ruders reagiert der Rumpf gutmütig. In schnellen Kurven legt sich die Wellcraft normal auf die Seite, und bei Backbord-Kurven ist die Sicht nach innen durch das Kabinendach eingeschränkt. Das liegt natürlich an der Natur der Sache. Der Rumpf zieht zu beiden Seiten sportlich-dynamisch rum, und die Lenkung lässt sich dabei super leichtgängig drehen. Je weiter wir rausfahren, desto kabbeliger wird die See. Eine Dünung vom Vortag wühlt das Meer recht kräftig auf, was die Wellcraft mit etwa 30 kn jedoch in alle Richtungen weich und sicher überspringt. Und selbst Kurven lassen sich mit der angepassten Geschwindigkeit gut fahren.

Riss der Wellcraft 355 | Zeichnung: Marc-André Bergmann
Riss der Wellcraft 355 | Zeichnung: Marc-André Bergmann

Der Fahrer findet seinen Platz an einem Fahrstand mit zwei Schalensitzen an Steuerbord. Die Sitze lassen sich vor- und zurückschieben, das vordere Sitzpolster lässt sich hochklappen. Gleiches gilt für einen baugleichen Sportsitz an Backbord. Lenkung und Schaltung bedient der Skipper uneingeschränkt, das Trimmklappen-Bedienteil ist an unserem Testboot direkt hinter der Schaltung angeordnet. Durch den geringen Abstand kann es schnell passieren, dass man beim Drücken der Trimmklappenschalter auch gegen die Schalthebel kommt und sie unbeabsichtigt verstellt. Ein Manko, das die Werft abstellen will.

Defrosterdüsen schützen die Scheiben vorm Beschlagen

Damit der Fahrer einen einfachen Zugang zum Seitendeck hat, bietet die Wellcraft einen Seitentür neben seinem Platz. So kann er beispielsweise vom Seitendeck aus den Joystick bedienen und das Boot sicher an- und ablegen. Wer diese Seitentür, die Hecktür, Fenster und Dachluken schließt, hat dagegen einen gut gekapselten Raum. Er lässt sich mit der optionalen Klimaanlage runterkühlen oder mit der Heizung (ebenfalls Extra) bei Schietwetter in eine gut klimatisierte Zone verwandeln. Besonders gefallen haben uns auf unserem Testboot die Defrosterdüsen, die mit warmer Luft die Scheiben vorm Beschlagen schützen. Von außen sorgen zwei Scheibenwischer mit Waschanlage für den klaren Blick. Die Instrumente (zwei Garmin-Monitore, ein Yamaha-Monitor) lassen sich gut ablesen und die Wippschalter mit Symbolen uneingeschränkt bedienen.

Konkurrenten der Wellcraft 355:

Axopar 37 Cross Cabin (Fin): 11,50 m lang, 2,80 m breit, Verdrängung 3770 kg (o.  M.). Mit 2x 350-PS-Außenborder: 257.655 €
Foto: Werft
Konkurrenten der Wellcraft 355

Um jetzt das Gegenteil vom abgeschlossenen Raum zu erreichen und den Salon mit dem Cockpit in einen großzügigen offenen Bereich zu verwandeln, lassen sich die hintere Tür und Scheibe weit öffnen. Dachluken und die Seitenfenster sorgen für Frischluft und geben ein großzügiges Wohngefühl. Fürs Cockpit lässt sich achtern Sitzbank oder eine Galley bestellen. Auch die Freunde des Angelsports können noch einiges an Zubehör ordern. Auf die geteilte Badeplattform geht es vom Cockpit über seitliche Zugänge, die vorbildlich mit Hecktüren ausgerüstet sind. Die Heckdusche gehört wie das Cockpitlicht zur Trim-Level-Ausstattung. Eine große Badeleiter lässt sich in die seitlichen Eingänge zum Cockpit (mit Türen) einhängen.

Bequem, schick, komfortabel

Einen tollen Sonnenplatz findet man im Bug, diesen erreicht man am einfachsten über das Steuerbordseitendeck, da dieses breiter ausfällt als auf der gegenüberliegenden Seite. Auf dem Vordeck findet man eine bequeme Dreier-Sonnenliege und eine Bank (lässt sich noch mit Einlegepolstern mit der Dreierbank verbinden). Direkt im Bug: ein Ankerkasten mit elektrischer Winde und Bugbeschlag.

Messergebnisse

Im Innenbereich verbringt man die Zeit im Wheelhouse auf einer L-Sitzecke mit Klapptisch. Gegen Aufpreis bekommt man auch einen Umbausatz, um die Sitzeinheit einfach in eine Koje umwandeln zu können. Gegenüber steht ein Pantryblock mit Kühlschrank (80 l), Spülbecken und Mülleimer (15 l). Wie das Essen zubereitet werden soll, entscheidet der Eigner selbst, denn Cerankochfeld, Mikrowelle und Gaskocher stehen auf der Zubehörliste. Ein sehr schicker und komfortabler Bereich befindet sich eine Etage tiefer. Dort steht eine Doppelkoje, die man zum Verlängern einfach herauszieht. Im Eingangsbereich sind an Backbord eine Bank und ein Schrank untergebracht, auf der anderen Seite ist die Nasszelle installiert, die für die Bootsgröße passend ausgerüstet und aufgeteilt ist.

Die Spritreinigung übernehmen drei Yamaha-Filterpatronen mit Wasserabscheider und Schauglas

Jetzt zur Technik: Die drei Motoren werden über Leitungen, die fachmännisch in Schutzrohren liegen, angeschlossen. Im Staukasten unter dem Cockpitboden und auch sonst liegen die Leitungen ebenfalls in Schutzrohren oder sind gebündelt und fest verlegt. Besonders gut gefallen haben uns bei der Elektrik die sicher verstauten Batterien und die elektronisch gesteuerten Hauptschalter (im Notfall auch von Hand zu schalten). Die Spritreinigung übernehmen vorbildlich drei Yamaha-Filterpatronen mit Wasserabscheider und Schauglas, die vom großen Staukasten unter dem Cockpitboden über Luken zugänglich sind. Weiteres Plus: die fernschaltbaren Sprithähne. Sollte doch mal ein Motor ausfallen, ist mit den zwei übrigen Motoren immer noch eine Gleitfahrt drin, und mit nur noch einem Motor lassen sich 8 kn noch angenehm fahren.

Für die Bewegungssicherheit sorgen rutschfeste Bodenstrukturen und reichlich Handläufe sowie die Reling. Die Ausrüstung mit Handlenzpumpe und elektrischer Bilgepumpe sowie Feuerlöscher zeigt einen guten Sicherheitsstandard.

Fazit

Die Wellcraft 355 ist ein sportliches, sicheres Boot, mit dem es einfach Spaß macht, unterwegs zu sein – mit Freunden oder der Familie, um angeln zu gehen, mit dem Wakeboard rauszufahren oder Erlebnistouren zu unternehmen. Diese Touren dürfen auch problemlos länger ausfallen, da es zum Übernachten im Bug eine großzügige Kabine mit Doppelbett gibt. Außerdem lässt sich die Sitzecke im Wheelhouse gegen Aufpreis zur Koje wandeln.

Unser Testurteil

FAHREN & MANÖVRIEREN

  • + einfaches Manövrieren mit Joysticksystem und Bugstrahlruder
  • + sichere Fahreigenschaften in allen Situationen
  • Position Trimmklappenschalter

VERARBEITUNG & TECHNIK

  • + fachmännische Installationen
  • + gute Verarbeitung

SICHERHEIT

  • + Benzinfilter und Absperrhahn
  • + komplette Lenzanlage mit Hand- und elektrischer Pumpe

KOMFORT AN BORD

  • + große Bugsonnenliege
  • + gemütliche Doppelkoje, vielfältiges Wheelhouse

Technische Daten Wellcraft 355

Das Boot

  • Werft: Wellcraft/USA
  • Typ: 355
  • CE-Kategorie: B/10 Personen
  • Rumpf und Deck: Kunststoff
  • Länge über alles: 10,73 m
  • Breite: 3,30 m
  • Verdrängung (mit 3x 350 PS Außenb.): 7317 kg
  • Tiefgang: 0,84 m
  • Durchfahrtshöhe: 2,53 m
  • Kraftstofftank: 1000 l
  • Wassertank: 160 l
  • Fäkalientank: 83 l
  • Kojen: 4
  • Kojenabmessung: Bugkabine 2,00 m x 1,50 m; Steuerhaus 1,90 x 1,20 m
  • Stehhöhe: Bugkabine 1,88 m; über Koje 0,92 m; Steuerhaus 1,97 m; Nasszelle 1,88 m
  • Cockpitgröße: 1,55 m x 2,83 m
  • Sonnenliegen: Vordeck 2,83 m x 1,62 m
  • Freibord (bis Seitentür): 0,50 m
  • Seitenhöhe Cockpit innen: 0,77 m
  • Wendekreise (Bootslängen): vorwärts Stb. 1 1/4 Bb. 1 1/4; rückwärts Stb. 1, Bb. 1
  • Umsteuern von Stb. nach Bb.: etwa 2 s
  • von Bb. nach Stb.: etwa 2 s
  • max. Motorisierung: 3x Mercury 257 kW (350PS)
  • Testmotorisierung: 3x Yamaha 300hp V6, 221 kW (300 PS)
  • Preis (Standardboot mit Testmotoren): 440.538 €
  • Händlernachweis: www.wellcraft.com

Der Motor

  • Hersteller: Yamaha
  • Typ: 300hp V6
  • Leistung: 221 kW/300 PS
  • Volllastdrehzahl: 5000–6000 U/min
  • Zylinder: V6
  • Hubraum: 4169 ccm
  • Kraftstoff: Benzin
  • Kühlung: Wasser/Einkreis
  • Generator: 12 V/70 A
  • Getriebeübersetzung: 1,75: 1
  • Testpropeller: Saltwater Serie II, 3-Flügel 17

Standardausrüstung

  • Elektrische Lenkung mit Joystick
  • 3 Schalensitze
  • Seitentür
  • Bank Steuerhaus
  • Tisch
  • Doppelkoje
  • Spiegel
  • Bugbank und -liege
  • Kühlschrank
  • Spüle
  • Toilette
  • Dusche
  • Waschbecken
  • geteilte Badeplattform
  • Badeleiter
  • Hecktüren
  • Bügel mit Fenderhalter
  • Handläufe
  • Reling
  • Luken
  • Klampen
  • selbstlenzender Ankerkasten
  • Batterien
  • Batteriehauptschalter
  • Landanschluss mit Ladegerät
  • Boiler
  • Fäkalientank
  • elektrische und manuelle Lenzpumpe
  • Feuerlöscher
  • Scheibenwischer
  • Motorinstrumente
  • Kompass
  • Navigationsbeleuchtung

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