Hartmut Brandt
· 05.07.2017
Wir erklären,wie sich Bewuchs an Unterwasserschiff und Propeller auf die Fahrleistung von Verdrängern und Gleitern auswirkt
Für den Erwerb und Betrieb eines Sportbootes sind gegenwärtig weniger emotionale, sondern zunehmend rationale Argumente entscheidend. Dennoch soll der Eigner auch ein wenig stolz sein auf die Leistungsfähigkeit seines Bootes und an höheren Geschwindigkeiten Spaß haben.
Um dies zu gewährleisten, sollen hier die Folgen und Auswirkungen verschmutzter, mit Algenbewuchs und Muscheln besetzter Unterwasserschiffe und Propeller auf die Leistungsfähigkeit einer Motoryacht dargestellt werden. Dabei handelt es sich sowohl um die Werterhaltung des Bootes, als auch – und dies ist sicher wesentlicher – um die Belastung der Umwelt, die erhöhten Betriebskosten und die Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit.
Bereits vor Jahren wurde in einem Fahrbericht von BOOTE (6/2000) zum gleichen Thema erläutert:
"Die Reise über die Adria nach Rovinj endete jedoch mit einer Pleite. Die Rio, ein 100%iger Gleiter, blieb selbst bei Vollgas ein Verdränger, an Gleitfahrt war nicht im Traum zu denken."
Sicher eine Folge des unsauberen Unterwasserschiffs und Propellers.Auch für die Berufsschifffahrt ist das Thema von besonderem Interesse. Viele Forschungsvorhaben zur Widerstandsbestimmung von unterschiedlichen Farbglätten und deren möglichem Bewuchs wurden experimentell und theoretisch bearbeitet.
So existiert unter anderem in der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam ein spezieller Versuchsstand für Reibungsmessungen, um die unterschiedlichen Widerstandsbeiwerte zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen, dass durch Bewuchs der Gesamtwiderstand von Frachtschiffen – und das gilt ebenso für Motoryachten – um bis zu 50 % (!) zunehmen kann.
Es ist allgemein bekannt, dass die Verschmutzung und der Bewuchs mit Algen, Muscheln und anderen organischen und anorganischen Bestandteilen am Unterwasserschiff von der jeweiligen Wasserqualität abhängig sind. In Süßwasser gibt es andere Probleme als in Seewasser. Die Wassertemperatur und der Salzgehalt so wie industrielle Verunreinigungen oder Überdüngung der See durch die Landwirtschaft, aber auch der Lichteinfall (Sonnenseite) sind nur einige Beispiele hierfür.
Ein besonderes Phänomen tritt zum Beispiel in den Berliner Gewässern auf: Dort muss schon nach wenigen Monaten mit einer Verkalkung der Oberfläche von Propellern gerechnet werden, die sich negativ auf den Wirkungsgrad des Antriebs auswirkt.
Wesentlich aggressiver in Bezug auf die Leistungsreduzierung ist die raue Oberflächenbeschaffenheit von Propellern und Unterwasserschiff durch Muscheln oder Seepocken, die eine erhebliche Größe und Mächtigkeit erreichen können. Leider kann auch ein Schutzanstrich den Bewuchs nicht völlig verhindern.
Erstaunlicherweise sitzen Seepocken sehr fest am Propeller und bleiben auch bei höheren Drehzahlen am Metallhaften. Hier hilft nur die mechanische Reinigung von Hand.
Nicht zu Unrecht sind die Bootsstände in etlichen Marinas der USA und gewiss auch in anderen Ländern mit einem Lift ausgestattet. Unterwasserschiff und Antrieb der Motoryachten befinden sich da durch bei Nichtgebrauch über der Wasseroberfläche. Häufig werden auch kleinere Motorboote nach jedem Einsatz aufgeslippt und an Land gelagert.
Zu den wichtigsten Widerstandsanteilen des umströmten Bootskörpers gehören Reibungswiderstand und Restwiderstand, der vor allem aus dem Wellenwiderstand besteht. Bei niedrigen Bootsgeschwindigkeiten spielt der Anteil des Wellenwider stands nur eine geringe Rolle.
Wir müssen uns vor allem um die Verringerung des Reibungswiderstands bemühen, dessen Umfang von der Oberflächenqualität des Unterwasserschiffes abhängig ist. Erst bei höheren Bootsgeschwindigkeiten, insbesondere in der Nähe der Rumpfgeschwindigkeit, nimmt der Wellenwiderstands anteil überproportional zu und überragt bei Weitem den Reibungswiderstand.
Im Gleitzustand ist wiederum Letzterer für die Leistungsfähigkeit der Motoryacht von entscheidender Bedeutung.
Egal ob in Verdränger oder Gleitfahrt, der Reibungswiderstand wächst mit dem Quadrat der Fahrtgeschwindigkeit. Mithilfe eines Reibungsbeiwertes (CF), der in vielen Untersuchungen mit glatter Oberfläche und unterschiedlichen Rauigkeitstiefen bestimmt wurde, kann der Anteil des Reibungswiderstands anhand folgen der Werte berechnet werden:
► Größe der Fläche des benetzten Unterwasserschiffs
► Bootsgeschwindigkeit
► Lauflänge der Strömung am Unterwasserschiff
► Oberflächenbeschaffenheit des Unterwasserschiffes (Tiefe der Rauigkeit, Reibbeiwert: CF)
► Kinematische Zähigkeit des Wassers
In verschiedensten Testserien wurde an unterschiedlichen Körperformen nachgewiesen, dass der Widerstandsbeiwert mit Zunahme der Rauigkeit (Bewuchs) bis auf das Doppelte und mehr anwachsen kann. Im Vorschiffsbereich wirken sich die Verunreinigungen besonders nachteilig aus. Welche Ursachen hat das?
An der Körperoberfläche des Unterwas- serschiffs bildet sich auf einem sehr kurzen Vorschiffsbereich zunächst eine „laminare", dann eine „turbulente Grenzschicht" aus. Diese wird umso dicker, je länger die Lauflänge ist. Die laminare Grenzschicht ist besonders dünn, die Stromlinien verlaufen unmittelbar an der Bootsoberfläche und können Unebenheiten nicht abdecken.
Ähnliches gilt für die ersten Meter der turbulenten Grenzschicht. Daher sollte gerade dieser Bereich des Unterwasserschiffs möglichst glatt sein. Die Fachwelt spricht von „hydraulisch glatten" Oberflächen. Streicht man leicht mit dem Finger über die Oberfläche und bemerkt keine Unebenheiten, so ist diese Bedingung weitgehend erfüllt.
Genug der Theorie! Am Beispiel eines Motorboots mit 7,90 Meter Wasserlinienlänge, welches als Verdränger unterwegs ist, soll gezeigt werden, wie sich Verunreinigungen auswirken. Für die Ermittlung der Reibungsbeiwerte und der zulässigen Rauigkeit werden 5 Knoten Rumpfgeschwindigkeit gewählt.
Unter Berücksichtigung dieser Annahmen dürfen am glatten Unterwasserschiff im Mittel Rauhigkeitstiefen von 0,03 mm (3/100 mm – und im Vorschiffsbereich noch geringer!) nicht überschritten werden. Das setzt eine sehr glatte Außenhaut voraus.
Erhöht man die zulässige Rauigkeitstiefe im Mittel auf einen Millimeter, verdoppelt sich bereits der Anteil des Reibungswiderstands. Bereits bei dieser noch relativ geringen Zunahme der Oberflächenrauigkeit muss mit einem Geschwindigkeitsverlust von etwa 0,8 Knoten gerechnet werden. Unberücksichtigt bleibt hierbei eine (wenn auch geringe) Abweichung des Restwiderstands.
Mit weit höheren Einbußen muss gerechnet werden, wenn größere Rauigkeitstiefen und Unebenheiten vorliegen. Wie bereits erläutert, gilt dies ganz besonders für den vorderen Bereich des Unterwasserschiffs. Es lohnt sich also, für eine glatte Oberfläche zu sorgen.
Bei hohen Bootsgeschwindigkeiten im vollen Gleitzustand überwiegt in den meisten Fällen der Reibungswiderstand nicht unerheblich den Restwiderstand. Die Qualität der Oberfläche hat also – auch wenn der Anteil des benetzten Unterwasserschiffs geringer ist als beim Verdränger – eine herausragende Bedeutung.
Unabhängig davon sei daran erinnert, dass der Reibungswiderstand mit dem Quadrat der Bootsgeschwindigkeit wächst und bei hohen Geschwindigkeiten besonders stark ansteigt. Werden in Gleitfahrt die oben beschriebenen Rauhigkeitstiefen berücksichtigt, ergeben sich daraus weitaus höhere Fahrtverluste als beim Verdränger.
Da die benetzte Oberfläche des Unterwasserschiffs von Gleitbooten sehr unterschiedlich ist, sind allgemeingültige Angaben hierzu wenig aussagekräftig.
Ergänzend sei eine Ausnahme erwähnt. An Streben, Wellenböcken und dergleichen mit sehr kurzer Lauflänge bildet sich laminare Strömung aus; deren Ablösung beim Verlassen des Körpers verursacht einen erhöhten Widerstand. Deshalb ist in diesem Ausnahmefall eine raue Oberfläche erwünscht, die eine turbulente Grenzschicht auslöst und den Ablösungsbereich einschränkt.
Ein allgemein bekanntes Beispiel hierfür: die Oberfläche eines Golfballs, die mit Vertiefungen versehen ist. Wäre sie glatt, würde der Golfball genau wegen der hier dargestellten laminaren Ablösung der Strömung nur eine kürzere Strecke fliegen.
Alle bisher diskutierten Leistungsverluste durch Bewuchs am Unterwasserschiff gelten nur, sofern der Propeller nach wie vor blank ist und nicht ebenfalls durch Verunreinigungen beeinträchtigt wird. Leider sind die Folgen durch Verschmutzung der Propellerflügel besonders nachhaltig, da sich gleichzeitig die Schubkraft (Propeller wirkungsgrad) verringert.
Werden Rauig keiten am Unterwasserschiff und Propeller nicht berücksichtigt, sind gravierende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit von Booten unvermeidlich. Untersuchungen im Kavitationstank haben gezeigt, dass schon relativ geringe Beläge am Propellerflügel einen Schubverlust bis zu 30 % bewirken können.
Besonders empfindlich sind hier die Bereiche der Eintrittskanten und Saugseiten. Unter den gleichen angenommenen Vorausset zungen wie zuvor beschrieben führt dies bei einem Verdränger zu einer zusätzlichen Geschwindigkeitseinbuße von 0,6 Knoten.
Somit muss bei einer Basis geschwindigkeit von 5 Knoten für den Bewuchs am Unterwasserschiff und Propeller mit einem Fahrtverlust von bis zu anderthalb Knoten gerechnet werden. Um dies auszugleichen, müssen Propellerdrehzahl und Antriebsleistung entsprechend erhöht werden. Das wiederum ge schieht auf Kosten der Wirtschaftlichkeit und belastet zugleich die Umwelt stärker.
Tödlich für den Wirkungsgrad eines Propellers ist massiver Pockenbewuchs. Er kann dazu führen, dass die Schubkraft nahezu völlig zusammenbricht, weil am Flügel kein oder nur noch sehr geringer Auftrieb erzeugt wird. Jeder, der schon einmal Seetang oder Ähnliches am Propeller aufgefangen hat, kennt dieses Problem aus eigener Erfahrung.
Um den Reibungswiderstand an Körperoberflächen zu verringern, die bereits hydraulisch glatt sind, werden verschiedene Maßnahmen diskutiert und erprobt. Bekannt ist die Haifischhaut als Träger eines Wasserfilms an der Oberfläche. Die Reibung findet in diesem Fall zwischen dem Film und der Oberflächenströmung statt, was tatsächlich den Reibungswiderstand verringert.
Mithilfe von Folien wurde die ses Phänomen an Booten erzeugt. Bewährt hat sich das Verfahren jedoch nicht, da sich die mikroskopisch kleinen Poren im Gegensatz zur Haifischhaut in kürzester Zeit zusetzten.
Bei einem weiteren Verfahren, der so genannten AirstepTechnologie, werden Luftanteile unter den Bootsboden geleitet. Auch durch diese Methode kann der Reibungsanteil verringert werden, denn die in die Grenzschicht geleiteten Luftpartikel bewirken einen geringeren Anteil an Reibungswiderstand als eine turbulente Grenzschicht aus massivem Wasser.
So sollen auch die neuen AIDA Kreuzfahrtschiffe mit einem Belüftungsver fahren ausgerüstet werden. Man verspricht sich davon, dass sie wirtschaftlicher und umweltschonender eingesetzt werden können.
Schließlich befassen sich Forschung und Industrie mit der Entwicklung immer neuer Aufträge (Farben, Beschichtungen, Folien ...), die den Bewuchs verhindern, aber zugleich umweltverträglich sind und darüber hinaus den Reibungswiderstand auf ein Minimum reduzieren.