Torsten Moench
· 07.02.2018
Können Billig-Antifoulings mit ihren Markenkonkurrenten mithalten? Wir haben es ausprobiert und beide Produktarten einem Praxistest unterzogen
Bewuchshemmende Farben fürs Unterwasserschiff, sogenannte Antifoulings, sorgen in Bootsfahrerkreisen immer wieder für Diskussionsstoff. Während die einen ausschließlich auf "Markenware" schwören, sind andere von den Vorzügen preiswerter No-Name-Produkte überzeugt.
Verständlich: Angesichts der Preisdifferenzen fragt sich nicht nur der "Geiz ist Geil"-Anhänger, inwiefern Aufschläge von bis zu 100 Prozent für Markenware gerechtfertigt sind. Vollends verwirrt ist dann derjenige, der einen Blick hinter die Kulissen des Angebots wirft. Oft entpuppen sich die vermeintlichen Billigheimer als Zweit- oder Drittlinien renommierter Farbenwerke.
Schnell liegt die Vermutung nahe, dass No-Name-Produkte die gleiche Qualität wie das teure Markenprodukt aufweisen und nur aus Marketinggründen in anderen Töpfen daherkommen. Aber trifft das wirklich zu? Ein Szene-Insider wiederum beschreibt die Zusammenhänge folgendermaßen:
"Erbseneintopf bleibt Erbseneintopf, das ist schon wahr. Doch richtig lecker wird es erst, wenn statt künstlicher Geschmacksverstärker auch Speck und Würstchen drin sind." Was gilt denn nun für Antifoulings?
Fünf Farben an einem Boot
Um der Sache auf den Grund zu gehen, ließen wir zu Saisonstart 2016 ein 40-Fuß-Boot von einem Profi mit fünf verschiedenen Antifouling-Produkten (Hempel Hard Racing, International Ultra EU, Nautical Eroding Antifouling, Epifanes Copper-Cruise und Yachtcare Eco SP) beschichten.
Jedes Produkt wurde sowohl auf der Sonnenseite des Rumpfs als auch auf der Schattenseite aufgebracht. Warum? Neben der Wasserqualität spielen Wassertemperatur und Sonneneinstrahlung eine entscheidende Rolle beim Bewuchs. Die Sonnenseite, insbesondere am Wasserpass, ist meist stärker betroffen als die gegenüberliegenden Schattenregionen.
Gleiches gilt für die Position am Rumpf: Da es sich bei unserem Boot um einen Halbgleiter handelt, werden die verschiedenen Rumpfregionen während der Fahrt unterschiedlichen Drücken und Strömungen ausgesetzt. Diese wiederum spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Selbstreinigung geht.
Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass man sein Boot von Zeit zu Zeit mit höheren Geschwindigkeiten bewegt, um übermäßigem Bewuchs vorzubeugen. Eigner, deren Boote die gesamte Saison über im Hafen liegen, müssen sich daher über starken Bewuchs nicht wundern.
Zwischen den einzelnen, etwa 2 qm großen Testfeldern ließen wir rund 5 cm breite Streifen unbehandelt, um gegenseitige Wechselwirkungen der einzelnen Farben zu unterdrücken.
Das so präparierte Boot, eine Pfeil 42, legten wir in unseren Stammhafen in Hamburg-Tatenberg. Übers Jahr gesehen war es rund 50 Stunden in verschiedenen Süß-, Salz- und Brackwasserregionen unterwegs. Überwiegend wurde es dabei als Verdränger (9 kn) gefahren, der Gleitfahrtanteil lag unter 10 Prozent.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass unsere Erfahrungen nur für heimische deutsche Gewässer gelten. Insbesondere Mittelmeerfahrern sei gesagt, dass dort in Bezug auf die Temperaturen, den Salzgehalt und die Wasserqualität komplett andere Rahmenbedingungen herrschen und sie im Zweifel immer zu Farben mit möglichst hohem Wirkstoffanteil (siehe dazu die jeweiligen technischen Merkblätter der Hersteller) greifen sollten.
Für die von uns verwendeten Produkte schlug die Stunde der Wahrheit nach dem Aufslippen im Herbst 2016. Zu unserer Überraschung waren alle Produkte ihrer Aufgabe gerecht geworden. Nach dem einmaligen Abwaschen mittels Dampfstrahler waren von allen Flächen die gröbsten Verunreinigungen durch Bewuchs verschwunden.
Dennoch ließen sich Unterschiede feststellen:
Bei der Reinigung taten sich zwei Farben durch einen besonders geringen Aufwand hervor. Sowohl die mit Ultra EU (International) als auch die mit Hard Racing (Hempel) beschichteten Flächen ließen sich im Nu säubern. Die Anhaftungen waren so gering, dass man sie mit einem feuchten Lappen und der bloßen Hand abwischen konnte. Insbesondere die sehr glatte Oberfläche des Hard Racing machte dabei einen guten Eindruck.
Gleiches gilt für den Bewuchs. Auch in diesem Punkt erzielten beide Markenprodukte die besten Ergebnisse. Sowohl die Sonnen- als auch die Schattenseiten zeigten nur geringen Bewuchs. An zweiter Stelle lagen die Produkte Epifanes Copper- Cruise und Yachtcare Eco SP. Beide wiesen an den Schattenseiten nur geringen Bewuchs auf, auf den der Sonne zugewandten Flächen konnten sich dagegen deutlich mehr Organismen ansiedeln.
Das Nautical Eroding Antifouling zeigte auf beiden Testflächen (Schatten und Sonne) deutlichen Bewuchs, der sich jedoch beim zweiten Dampfstrahldurchgang ebenfalls löste. Verglichen mit den vorgenannten Produkten landet es jedoch in diesem Testteil auf dem letzten Platz.
Ein weiteres Kriterium bei Antifoulings ist deren Farbbeständigkeit. Kein Produkt weist nach der Saison die gleiche Farbintensität wie zu Saisonstart auf. Durch die Abgabe der Wirkstoffe und das Auswaschen der Pigmente ändert sich übers Jahr der Farbton. Bei den von uns gewählten Schwarztönen ist eine leichte "Vergrauung" völlig normal. Mit Ausnahme eines Produkts blieb dieser Effekt bei allen Farben im akzeptablen Rahmen. Nur die mit dem Nautical Eroding Antifouling beschichtete Fläche war deutlich heller geworden.
Die Kostenfrage
Wie eingangs erwähnt, sind die Preisunterschiede bei Antifouling-Farben recht groß. Das teuerste Produkt in unserem Vergleich ist mit rund 70 Euro pro Liter das Epifanes Copper-Cruise. Laut Hersteller beträgt die Ergiebigkeit 10 qm pro Liter. Für rund 20 Euro pro Liter weniger bekommt man die Produkte von International (55 Euro pro Liter) und Hempel (50 pro Liter). Während die Ergiebigkeit der International-Farbe mit ebenfalls 10 qm pro Liter angegeben wird, soll ein Liter Hempel Hard Racing sogar für 12,5 qm Unterwasserfläche reichen. Die preiswerteste Farbe stammt mit rund 27 Euro pro Liter und einer Ergiebigkeit von 12,5 qm pro Liter von Yachtcare (Eco SP).
Fazit
Fassen wir die Einzelergebnisse zusammen, entsteht ein klares Bild: Die besten bewuchshemmenden Eigenschaften können wir nach unseren Erfahrungen den Antifoulingfarben von International und Hempel zuschreiben. Die letztgenannte sammelt aufgrund des geringeren Preises und der sehr glatten Oberfläche zusätzliche Pluspunkte.
Den zweiten Platz teilen sich Epifanes Copper-Cruise und Yachtcare Eco SP. Vergleicht man deren Preise, geht das Yachtcare-Produkt jedoch als eindeutiger Preis-Leistungs-Sieger hervor.
Weniger gut schnitt lediglich das Nautical Eroding Antifouling ab. Obwohl es "aus gutem Hause" stammt (Akzo Nobel), konnte uns dieses Produkt unter den beschriebenen Testbedingungen nicht überzeugen.
Bleibt die Frage: Kann billig auch gut sein?
Nach unseren Erfahrungen ja. Das Yachtcare-Produkt ist dafür ein geeignetes Beispiel – jedenfalls dann, wenn die Anforderungen in dem von uns gesteckten Rahmen bleiben. Wer sein Boot dagegen auf warmen, nährstoffreichen Gewässern bewegt, sollte nach unserer Überzeugung immer zum Produkt mit der besten Wirkung greifen – und das sind auch nach den Ergebnissen dieses Tests nun mal die Antifoulings der altbekannten Marken wie Hempel und International.
Dieser Artikel stammt aus der BOOTE-Ausgabe 3/2017.