F.W. Pohl
· 12.02.2017
Diese Eigner sind Geschwister (!) und halten nichts von Protz und Pomp. Das Designer-Duo Claydon Reeves gestaltete darum die 34 Meter lange „Solis“ eher bescheiden, aber spannungsreich. Mulder baute den kleinen Verdränger für die große Reise.
Solis‘, der Name soll uns ständig an die Sonne erinnern", erklärten die Eigner. "‚Solis‘ bedeutet für uns wie die Sonne Mittelpunkt und Energiequelle zugleich." Die Eigner sind Geschwister. Sie hatten von Beginn an Vorstellungen in groben Zügen, wie ihre 30-Meter-Klasse auszusehen habe. Seefreundlichkeit, Verlässlichkeit und Komfort waren ihnen in jedem Falle wichtiger als Geschwindigkeit. Dass sich die Länge dann um ein paar Meter auf 34 vergrößerte, das gehört eigentlich zum üblichen Verlauf solcher Planungen und keineswegs zu den Abweichungen.
Eigner und Werft entwickelten Sympathien füreinander. "Solis" sollte eine Yacht für die Familie werden. Mulder Shipyard, 1938 gegründet, führt der Geschäftsführer Dick Mulder als Familienbetrieb. Den aktuellen Höhenflug beschleunigten Aufträge wie der für die 24 Meter lange "Eleonora" 2009 und die 28 Meter lange "Mimi". Mit "Solis" lieferte Dick Mulder im vergangenen Jahr sein aktuelles Flaggschiff an die Eigner. Den Auftrag verdankt er seiner Expansion. 2011 wählte die Werft einen Standort im Süden Hollands. Im Frühjahr 2013 dann ging in Zoeterwoude-Rijndijk die neue Werftanlage in Betrieb, mit zwei Hallen und einem Trockendock für Projekte bis 45 Meter Länge. So fand auch "Solis" den geeigneten Bauplatz für ihre Größe. Die Holz- und Metallarbeiten erledigt Dick Mulder in der eigenen Werft. Rumpf und Aufbau vergibt er an Subunternehmer. Beide Elemente des "Solis"-Rohbaus fügte die Werft 2014 zusammen.
Es war die Mischung aus Familienbetrieb und neuen Werkstätten, die nach Erkundung durch die Broker von International Yacht Register, William Molloy und Stephen White, in einigen anderen Werften Nordeuropas den "Solis"-Auftrag klarmachte. Die Gestaltung innen und außen, Styling und Interior, übernahm das Büro von James Claydon und Mike Reeves im englischen Lymington. Das Äußere zeigt einen steilen Vordersteven und eher gedrungen wirkende Aufbauten unter einem Hardtop über dem Sundeck. Die Zeiten des strahlenden Weißer-als-Weiß scheinen zu Ende zu gehen: Farbige Rümpfe liegen im Trend. "Solis" lackierte die Werft in einem hellen Beige. Von der Seite sieht ein geübtes Auge sofort die Splitlevel-Lösung für das Ruderhaus. Der Arbeitsplatz des Kapitäns schwebt ohne eigenes Deck über dem Salon und lässt sich auch unter dem Bimini vom vorderen Abschnitt des Topdecks aus erreichen.
Das Duo Claydon Reeves hatte vor der gemeinsamen Zusammenarbeit bereits in der Autoindustrie gearbeitet. Vielleicht führte das zur Entscheidung, nicht, wie oft gern gesehen, die üppige Fülle aller möglichen Materialien für die Innenausstattung zu präsentieren, sondern sich auf eine Reduktion der Holz- und Stoffsorten zu verlegen. In erster Linie nutzte das Duo Eiche, ohne Verfärbungen oder Spezialbehandlungen, ohne Bürstungen oder aufwendige Veredelungen. Sie verwendeten stattdessen neben den üblichen Behandlungen der Oberflächen verschiedene Verläufe der Maserungen, um Innenräume lebendig zu gestalten.
Der Aufwand hält sich also in Grenzen, gehorcht dafür jedoch klaren Regeln. Die Eigner verstanden ihre Yacht von Anfang an ganz natürlich als Mittlerin zwischen Wasser und Himmel. So gut wie möglich ließen Claydon Reeves darum diesen Gedanken in das Interior einfließen. Sie vermieden scharfe Kanten und Spitzen, bevorzugten weiche Formen und Rundungen besonders beim Mobiliar und eröffneten auch in den begrenzten Räumen so viel freie Blicke als möglich nach außen auf die See. "Überall ist die See gegenwärtig. Eigner und Gäste fühlen sich in ständigem Kontakt mit dem Wasser ringsum", so James Claydon.
Dabei erweisen sich großzügige Verglasungen als nützlich, ein Balkon und Stufen, die den Blick stets wieder auf die Umgebung der "Solis" lenken. In einer der beiden VIP-Kabinen, der zweiten vorn auf dem Hauptdeck, trägt ein besonders großes Skylight über dem Kingsize-Bett dazu bei. Claydon: "Hier funkeln nachts die Sterne der Milchstraße."
An diese Regeln hatte sich auch das Farbschema anzupassen. Es reflektiert seine Umgebung auf dem Wasser und berücksichtigt dessen Farbpalette: See, Strand und Sand. Das Farbspektrum reicht darum vom akzentuierenden Türkis über alle möglichen Schattierungen bis zum Dunkelblau. Das Dekor hielt Claydon und Reeves schlicht. Es sollte nicht vom Panorama ablenken. Die Anordnung der Räumlichkeiten folgt weitgehend den Standards. Gäste, die mit dem Tender anreisen und an der Badeplattform festmachen, erreichen den Salon über eine breite Treppe hinauf zum Cockpit. Besonders im achterlichen Bereich ermöglicht die Salonverglasung von der Decke bis zum Boden beste Aussichten. Hier beherrscht eine Sitzgruppe mit hellen Polsterstoffen und sandfarbenem Teppich auf Eichendielen die Szene.
Weiter voraus im Speisebereich mit Tisch und Stühlen für acht Personen steigert ein Balkon an Steuerbord das Gefühl, dass Innen und Außen zusammengehören. Die großen Glasflächen lassen sich steuerbords aufschieben, das Schanzkleid klappt ab, und der Blick richtet sich über den Tellerrand bis zum nächsten Strand, ein wunderbarer Platz auch für den Sundowner. Die acht Sitzplätze rund um den Speisetisch reichen für Eigner und Gäste aus, denn mehr Schlafplätze bietet "Solis" nicht. Sie genügen den Geschwistern und verteilen sich auf zwei VIP-Suiten und zwei Doppelkabinen auf dem Ober- und dem Unterdeck.
Die beiden VIP-Unterkünfte unterscheiden sich gründlich voneinander. Die eine, die mit dem Sternenhimmel über dem Bett auf dem Hauptdeck, liegt näher an der Sonne, kann es dafür dank des umlaufenden Freidecks in der Breite nicht mit der anderen VIP-Suite auf dem Unterdeck aufnehmen. Der steht nämlich die komplette Rumpfbreite vor dem Motorraum zur Verfügung. Große Fenster lenken den Blick sofort auf die Wasseroberfläche. Auch hier und in den beiden Doppelkabinen vor dieser VIP-Suite bilden Möbel und Textilien das Thema See, Strand und Sand ab.
Ein Deck über der VIP-Suite mit der Milchstraßen-Perspektive erwartet das geteilte Topdeck Eigner und Gäste. Hier macht es sich achtern ein kreisrunder Pool mit Liegefläche gemütlich. Eine Bar am vorderen Ende knapp unter dem festen Bimini umrandet ihn mit vier Hockern und verspricht lauschige Happy Hours. Zwei Stufen höher voraus stehen ein beschattetes halbrundes Sofa samt Speisetisch mit Grill und Bar unter dem Bimini zur Verfügung.
Hinunter und zurück zum Hauptdeck führt ein bequemer seitlicher Niedergang. Das Hauptdeck lässt sich dank eines umlaufenden Freidecks komplett umrunden, vorbei am Balkon auf der Steuerbordseite. Auf dem Vorschiff erlaubt eine Leiter oberhalb der Ankertechnik den Zugang zur vorderen Liegefläche über der VIP-Kabine, nach achtern reicht das Laufdeck vorbei an der Salonverglasung direkt bis ins Cockpit.
Von dort aus fällt dann die breite Freitreppe ab zur Badeplattform. Den Tender staut die Crew hinter der Treppe in einer Lazarette, die für das Boot eine Länge von 5,50 Metern bietet.
Was fehlt an Bord? Nicht jeder braucht gleich ein Kino oder eine Kraftkammer mit einem halben Dutzend Gym-Geräten. Die Cockpitsofas lassen sich in eine komplette Liegefläche verwandeln und ersetzen so einen Beachclub auf der Höhe der Wasserlinie. Um Eigner und Gäste kümmert sich inklusive Kapitän eine siebenköpfige Crew, die wie üblich im Vorschiff wohnt. Dass die Geschwindigkeit ihrer "Solis" für die Eigner nicht im Vordergrund steht, lässt auch die Motorisierung erkennen. Die beiden Caterpillar entwickeln zusammen eintausend Kilowatt für eine geradezu kontemplative Reisegeschwindigkeit von zehn Knoten. Der sparsame Verbrauch ermöglicht auch mit 34 Metern Länge transatlantische Reisen.
Dick Mulder meint, dass letztlich seine Investition in die neuen Werftanlagen neben Qualität, Preis und kurzer Bauzeit den Ausschlag für den Auftrag gegeben haben. Mit den Designern Claydon und Reeves hat er gern zusammengearbeitet; die Kooperation mit dem englischen Büro für ein zweites und größeres Projekt hat bereits begonnen.