Sören Gehlhaus
· 25.04.2023
Feadship dockte Projekt 710 im niederländischen Aalsmeer aus und will mit Pod-Antrieben, Biokraftstoff und einer Batteriekapazität von 4500 Kilowattstunden neue Verbrauchs- und Komfortstandards setzen.
Die schnörkellose Außengestaltung des britischen RWD-Studios offenbart keine Fase zu viel. Die größte Extravaganz sind die Flügelformen in den Aufbauten, die Feder-Anmutung unterstreichen Holzflächen. Sonst regiert die cleane Form: gläsernes Schanzkleid, integrierte Rettungsinseln, Rumpfklappen und ein Mast aus einem Stück. Das Hauptdeck-Fensterband läuft um den Bug und unterstreicht die Horizontalität. Allerdings sprechen die Rumpfklappe der Tendergarage und die auf den Bildern abgeklappte Mooring-Plattform gegen eine ausgedehnte Mastersuite im Vorschiff und für eine Panorama Lounge. Diese dürfte entweder über einen Flur oder das Unterdeck erreichbar sein. Vielmehr hat es den Anschein, als würden Eigner das Hauptdeck belegen und die Brücke auf dem obersten Deck verortet sein. Unterhalb des Hecks sind große Fenster ins Unterwasserschiff eingelassen. Ungewöhnlich ist die Ansiedelung eines Speisesalons auf dem Unterdeck, der sich über eine Rumpfklappe Wand zum Meer hin öffnet. MONK Design und RWD profitierten bei der Layout-Planung vom einstöckigen Motorenraum, den Feadship erstmalig auf einer Yacht dieser Größe realisierte.
Ein Novum ist auch der Einsatz des Biokraftstoffs HVO, den Feadship für Seatrials und Ablieferung als Reinkraftstoff bunkern will. Das Akronym steht für „Hydrotreated Vegetable Oil“, also hydriertes Pflanzenöl. Der Dieselersatz entsteht auch auf Basis gebrauchtem Kochöl und mittels einer katalytischen Reaktion und unter der Zugabe von Wasserstoff. Das soll 90 Prozent der Emissionen einsparen und wird von der Deutschen Bahn auf der Schiene erprobt. Im Gegensatz zu den Niederlanden darf HVO an deutschen Autotankstellen nicht als Reinkraftstoff angeboten werden.
Der Biokraftstoff fließt auf Projekt 710 in vier Generatoren von Caterpillar mit variabler Drehzahl. Der erzeugte Strom landet in zwei gegenläufigen Pod-Antrieben von Veth, in denen E-Motoren integriert sind und die auch als Ruder fungieren. Teil des dieselelektrischen Hybridantriebs ist eine Batteriebank mit einer Kapazität von 4500 Kilowattstunden – das ist 4,5-mal höher als auf Feadships erster Hybridyacht „Savannah“. Das erklärte Ziel: Effizienz maximieren, Vibrationen minimieren.
Genutzt wird zudem die Abwärme der maßgeschneiderten Generatoren mit variabler Drehzahl und der Klimaanlage, für die Wärme im Klimasystem, das Poolwasser, das Betriebswasser, die Vorwärmung der Motoren und vieles mehr zu nutzen. Über ein Wärmepumpensystem will man Wärme aus dem Meerwasser gewinnen. Feadship will bis 2030 eine (im Betrieb) emissionsfreie Yacht präsentieren. Die Niederländer setzen auf Wasserstoff als zukünftige Energiequelle, wollen diesen aber anders als Lürssen direkt nutzen und entsprechend in stark heruntergekühlten Druckbehältern lagern.