Otam 70HT„Darth Vader” entpuppt sich als komfortables Powerformat

Sören Gehlhaus

 · 04.05.2023

„Darth Vader“: Wenn die 22,27 Meter lange und 52 Tonnen verdrängende Glasfaser-Kevlar- Konstruktion mit bis zu 50 Knoten über das Blau schießt, darf der Bugstrahler Sonne tanken
Foto: Alberto Cocchi

Die erste 70HT lieferte Otam an eine Eignerin, die genau wusste, was sie wollte. BOOTE EXCLUSIV schoss auf „Darth Vader“ über die Weiten des Mittelmeers und entdeckte hinter der düsteren Fassade ein komfortables Powerformat.

Zunächst ein düsterer Blick, dann ein offenes Lächeln. Ersterer Ausdruck verdankt sich dem Darth-Vader-Symbol auf dem Heckspiegel, die zweite Gesichtsregung kommt von Monica Rampezzotti, die am martialischen Fahrstand ihrer stahlgrauen Otam 70HT steht. Sie taufte das 50 Knoten schnelle Spaßgerät auf „Darth Vader“ und entwickelte das Star-Wars-Styling mit Werft und Designer Giuseppe Bagnardi. Die ungewöhnliche Paarung sorgte in Cannes für Verwunderung unter manch einem Steggänger. Denn auch der stahlgraue Grundton und die schwarzen Details in Form der Luftaus- und -einlässe im Rumpf sowie auf dem Hardtop reminiszieren den Turbosternjäger des Dunklen Lords der Sith.

Monica Rampezzotti ist der für ihre schnellen Powerformate bekannten Werft aus Genua seit vielen Jahren eng verbunden. Und doch musste sie 16 Monate auf ihre 50 Knoten schnelle Yacht warten. Für einen 22,27 Meter langen Kompositbau ist das eine lange Zeit, aber das hat seine Gründe, wie Otams Sales-Director Matteo Belardinelli zur Begrüßung erläutert: „Unsere Eigner bestimmen über jeden Zentimeter ihrer Yacht, das geht bei der Wahl der Rumpffasern los. Wir fangen erst an zu laminieren, wenn Gewicht und Topspeed festgelegt sind.“ Die Verteilung von Glas-, Karbon- und Kevlarfasern richtet sich auch nach dem Komfortanspruch des Kunden. Für entspannte Highspeed-Fahrten nahm die äußerst erfahrene Powerboat-Pilotin Rampezzotti eine Tonne mehr Gewicht in Kauf.

Solider Rumpf ergibt komfortables Speeden

Der überaus solide Unterbau von „Darth Vader“ besteht aus vier Teilen Kevlar und jeweils drei Teilen Glas und Aramat, einer festen wie schweren Aramidfaser, die auch für schusssichere Westen verwendet wird. Längs verlegte Karbonmatten finden sich nur im Deck und Hardtop wieder. Karbon ist leichter, aber ein sehr hartes Material, das Torsion und Schläge nicht gut absorbiert und noch dazu Lärm erzeugen kann. Bei jeder Otam ist vertraglich festgehalten, dass die Höchstgeschwindigkeit bis einschließlich drei Beaufort erfahrbar und erträglich für Mensch wie Material ist. Organizzazione Tigullio Assistenza Motoscafi nennt die Rumpf-Deck-Einheit einen Monolithen. „Viele Eigner kommen zu uns, nachdem sie eine Serienyacht besessen haben. Einige sind über 70 Jahre alt“, berichtet Belardinelli in seiner angenehm unaufgeregten Art unter Deck. Der Boden ist wie die Tanks direkt mit dem Rumpf verbunden, und alle Holzelemente werden für höchste Präzision am Bauplatz von Otam-Tischlern zugeschnitten – in diesem Fall nach Vorgaben der Eignerin Monica Rampezzotti.

Stil passend zur Krieg-der-Sterne-Saga

Unter Deck zeigen sich im Drei-Kabinen-Layout zahllose Verweise auf die Krieg-der-Sterne-Saga. Im Flur blickt einen Darth Vader von einem Airbrushwerk aus an; das Metallicblau seines Helms geht in eine oben taubenblau getünchte Wand über. Nach unten wechseln sich glänzende Bordüren aus schwarzen GFK- und Edelstahlstreifen mit hell gekalkter Eiche ab. So dunkel wie erwartet ist der Grundton nicht, den der aschgraue Lederboden vorgibt. Erst recht nicht achtern, wo sich eine Doppel- und eine Einzelkabine wiederfinden. Ins Anthrazitfarbene geht die vorn liegende Eignerkabine mit dem lederverkleideten Inselbett und einem Schwarz-Weiß-Bild des Wüstenplaneten Tatooine darüber. Das hinterleuchtete Helm-Logo des Hecks taucht im Bad wieder auf, dessen Duschkabine Teakstäbe zieren. Direkt hinter dem Steven liegt eine Kabine für zwei Besatzungsmitglieder, wobei die Eignerin gern selbst am Steuer sitzt. Das Armaturenbrett ließ Rampezzotti dem Helm von Darth Vader nachempfinden und mit zwei großen Raymarine-Displays versehen.

Verblüffend hoher Komfort an Bord der „Darth Vader“

Auch wenn große, massive Türen und Marmor in den Bädern einige Kilos und damit Knoten Topspeed kosteten, sind trotz der Verdrängung von 52 Tonnen immerhin noch 48 Knoten möglich. Mit anderen Propellern werden sogar 50 Knoten erzielt, beteuert Otam-Mann Belardinelli. Wir bewegen uns mit 43 Knoten und einem stattlichen Rooster-Tail über den Golf de la Napoule. Der Verbrauch: 393 Liter pro Stunde – und Motor, versteht sich. Auf den Oberflächenantrieb von Arneson mit seinen fünfblättrigen Rolla-Propellern wirken zwei zwölfzylindrige MTU-Diesel ein. Die jeweils 1472 Kilowatt leistenden Aggregate kamen in der ersten Saison auf 120 Betriebsstunden. „Besonders mag ich die komfortable Fahrweise. Im Sommer fahre ich immer selbst“, so Rampezzotti, die stets einen Kapi­tän an ihrer Seite hat. „Ich liebe schnelle Boote und Autos, auch deutsche“, lacht die Italienerin, die als Pilotin Offshore-Rekorde einfuhr und als Navigatorin neben dem legendären 2019 verstorbenen Fabio Buzzi saß, unter anderem beim 90-Knoten-Nonstop-Ritt zwischen Venedig und Monte-Carlo. Der Rumpf, den Umberto Tagliavini mit 21 Grad Aufkimmung konstruierte, geht selbst bei rapiden Kurvenfahrten durch die teils aufgewühlte See. Der Komfort ist verblüffend hoch.

„Darth Vader“ mit besonderer Konstruktion

Über die Besonderheiten der Konstruktionsweise berichtet Otams Sales-Director Matteo Belardinelli im Cockpit, während wir auf die Lerins-Inseln zusteuern: „Wir unterhalten uns in normaler Lautstärke, der Rumpf geht sehr ausgewogen durch die Wellen. Das ist das Schöne und die Folge der rigiden Rumpfstruktur.“ Bei niedrigeren Geschwindigkeiten arbeitet der optionale Kreiselstabilisator, ein Seakeeper 16, gegen unerwünschte Bewegungen des 5,30 Meter schmalen Gleiters an.

Monica Rampezzotti gehört übrigens einer Minderheit an. Nicht etwa bezogen auf die Lust der Otam-Eigner, selbst das Steuerrad in die Hand zu nehmen. Nein, die Genueser feiern mit ihrem kundenzentrierten Konzept und der soliden Bauqualität besonders hierzulande große Erfolge. Über Dreiviertel aller Ablieferungen gehen nach Deutschland. Von der 70HT wurden seit der Fertigstellung von „Darth Vader“ zwei weitere verkauft.

Matteo Belardinelli verrät zum Abschluss der Ausfahrt: „Auf schnellen Yachten gibt es keinen Plan B. Entweder sie sind solide gebaut, oder sie fallen irgendwann auseinander.“


Technische Daten

  • Länge über alles: 22,27 m
  • Länge (Rumpfform): 17,56 m
  • Breite: 5,30 m
  • Tiefgang (voll): 1,30 m
  • Verdrängung (voll): 52 t
  • Material: GFK, Kevlar
  • Motoren: 2 x MTU 12V 2000 M96X
  • Motorleistung: 2 x 1472 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 48 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 40 kn
  • Oberflächenantrieb: Arneson ASD 14L Generator:1 x Kohler 20,5 kW
  • Kraftstoff: 6500 l
  • Wasser: 1000 l
  • Navigation: Böning, Raymarine
  • Bugstrahler: Side Power QSH 400
  • Konstruktion: Umberto Tagliavini Exteriordesign:BG Design Firm
  • Interiordesign: BG Design Firm
  • Klasse: RINA „B“
  • Werft: Otam, 2021
Durchgang: Cockpit und Aufbau zieren L-Sitzflächen. Otam realisiert hier auch eine Walkaround-Umgebung, ohne achterne Liegefläche.
Durchgang: Cockpit und Aufbau zieren L-Sitzflächen. Otam realisiert hier auch eine Walkaround-Umgebung, ohne achterne Liegefläche.
Aufteilung: Im Bug schlafen zwei Marineros, vor Mastersuite und Galley. Die beiden Kabinen achtern haben eigene Bäder.
Aufteilung: Im Bug schlafen zwei Marineros, vor Mastersuite und Galley. Die beiden Kabinen achtern haben eigene Bäder.

Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 5/2022.


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