Pardo Yachts – an dieser Marke führt in diesen Wochen kaum ein Weg vorbei. Wer den America’s Cup vor Barcelona verfolgt hat, wird die Partnerwerft des italienischen Teams Luna Rossa bemerkt haben – die Pardo Endurance 72 agierte dort als Hospitality-Yacht. Kurz vor dem Cup präsentierten die Hersteller dann ihr neues Flaggschiff: die GT75, das dritte Modell der noch recht frischen Gran-Turismo-Reihe.
„Das hier ist die größte Pardo aller Zeiten“, begrüßt uns Marketingchef Fabio Lazzari an Bord von „Manta“, der Baunummer eins. Mit dem Eigentümerwechsel Ende 2023 zur Calzedonia-Gruppe ist Cantiere del Pardo in eine neue Ära gestartet. Die Pardo GT65 kam Anfang 2024, auch die zur Gruppe gehörende Marke Grand Soleil feierte Novitäten wie die 65 LC , bei VanDutch ist eine 75 in Planung. Ein Erfolg, der auch auf die kontinuierliche Weiterentwicklung und den markanten Stil der Werft zurückzuführen ist. Nicht ohne Grund ist jede gebaute Yacht direkt verkauft, und die Bauslots sind rar.
Die Pardo GT75 haben die Konstrukteure von Zuccheri Design zwischen der Walkaround- und der Endurance-Serie angesiedelt und dabei unverkennbar eine typische Pardo kreiert. Wie die meisten seiner Geschwister kommt der Zweidecker ohne Flybridge daher. Sein Charakter richtet sich an Eigner, die ihre Yacht wie eine Villa auf dem Meer nutzen möchten – mit penibel aufeinander abgestimmten Räumen, um jeden Winkel zu optimieren. Die Gestaltung des Innenraums und der Außenlinien übernahm Nauta Design. Schon Yachten wie die Lagoon Seventy8, die 180 Meter lange „Azzam“ oder die 25-Meter-Segelyacht „My Song“ stammen vom Zeichentisch der Mailänder Kreativen. „Die GT75 spiegelt unseren Stil wider, der auf modernen, klaren Linien und einem ausgewogenen Design basiert, das perfekt zur ästhetischen DNA von Pardo passt“, erklärt der Co-Gründer des Studios, Massimo Gino.
Die GT75 lässt sich flexibel aufteilen, sodass die Eigner ihre Yacht für gesellige Runden mit mehreren Gästen oder in einem privaten Ambiente nutzen können. Dafür hält die Werft zwei Basisvarianten bereit: Entweder kommt die Galley auf das Hauptdeck, wie bei „Manta“, oder sie wird auf dem Unterdeck platziert. In der Galley-up-Version befindet sich eine voll ausgestattete Küchenzeile auf der Steuerbordseite des Salons, wodurch das Kochen und die Zubereitung der Speisen in den Mittelpunkt des Bordlebens rücken.
Diese Anordnung ergänzt ein L-förmiges Sofa auf der gegenüberliegenden Seite, das sich dank variablem Tisch in einen Speiseplatz für bis zu acht Personen verwandelt. Alternativ macht die Galley-down-Version den Salon zu einer luftigen Lounge mit zwei gegenüberstehenden Sofas. Den Wohnbereich erweitern ein flexibles, halboffenes Dach, große Seitenfenster und eine Schiebetür am Heck, die einen nahezu ununterbrochenen Blick auf das Meer und die Umgebung ermöglichen.
Ein durchdachtes Feature im Übergang zwischen Lounge und Steuerstand ist ein klappbarer Flatscreen, der den Raum je nach Bedarf von einer entspannten Lounge in einen Entertainment-Salon umfunktioniert. Das offene Ruderhaus wirkt aufgeräumt und übersichtlich und muss sich auch optisch nicht verstecken, neben den üblichen Steuerhilfen wie Joystick und Bugstrahlruder finden drei große Garmin-Plotter ihren Platz. Der Kapitän sitzt auf einer Bank für bis zu drei Personen. Wenn das Sitzpolster hochgeklappt ist, kann er oder sie sich anlehnen.
Durch die an Backbord angeordnete Schiebetür betreten die Gäste das Seitendeck und gehen in Richtung Bug, wo eine Lounge mit Teakholz-Tisch sowie eine Sonnenliege warten. Das Besondere hier: Da der Bug nach vorne leicht abfällt, sind die Bordwände niedriger, sodass der Blick frei auf das Wasser fallen kann, ohne dass Beschläge oder Schanzkleider die Sicht einschränken – ähnlich wie bei einem Infinity-Pool. Dieses Design unterstreicht das Konzept der Offenheit der GT75 und verbindet funktionale Details mit ästhetischem Anspruch. Das gilt auch für den separaten Eingang zur Crewunterkunft vorne im Bug.
Das Lieblingsareal der meisten Besucher dürfte das Heck sein. Bei geöffneten Balkonen und ausgefahrener Plattform umfasst der Beachclub eine enorme Fläche von etwa 40 Quadratmetern – mit erhöhter Sonnenliege und U-Sofa für mehr als zehn Gäste, diese gelangen über drei Stufen zur Badeplattform. Die Pardo-Ingenieure integrierten hier eine Tansformer-Plattform von Opacmare, die sowohl als Gangway große Höhenunterschiede zum Kai überbrückt als auch mit vier Stufen den Weg ins Meer vereinfacht.
Unter der riesigen Cockpit-Liegefläche verbirgt sich ein wichtiges Bordaccessoire: Per Knopfdruck erscheint hinter der achterlichen Klappe ein 3,70 Meter langer Tender, der einfach gewassert und wieder eingeholt wird. So können die Gäste Landausflüge verlängern oder auch Sportarten wie Wakeboarden oder Wasserski betreiben.
Auf dem Unterdeck bietet die Pardo GT75 verschiedene Kabinenkonfigurationen. Die Standard- und von der Werft empfohlene Galley-up-Version sieht hier ein Drei-Kabinen-Layout vor: Neben dem VIP-Reich im Bug und der Mastersuite im Heck gibt es mittschiffs eine Gästekabine mit zwei Einzelbetten und gegenüber eine kleine Lounge mit U-Sofa – die Option, die sich auch an Bord von „Manta“ findet. Für eine Variante mit vier Suiten muss diese Sitzecke wegfallen. Wird die Galley nach unten verlegt, reduzieren sich die Schlafmöglichkeiten auf zwei oder drei Suiten. Nach der Besichtigungstour geht es für die Besucher auf einen Seatrial vor der südfranzösischen Küste. Die Motoren starten, und leise plätschert das Kühlwasser aus dem Auspuff.
Die Leinen sind schnell gelöst, und der Kapitän der „Manta“ steuert per Joystick aus dem Hafen von Fontvieille. Vorbei am monegassischen Fürstenpalast nimmt die Pardo Kurs auf das offene Mittelmeer. Den Vortrieb der „größten Pardo aller Zeiten“ garantieren jeweils drei Volvo-Penta-IPS-1050-Systeme in der Standardversion. Optional – wie bei „Manta“– kann auf die ebenfalls 12,8 Liter starke IPS-1350-Option aufgerüstet werden. Damit stehen statt 1.765 Kilowatt ganze 2.205 Kilowatt Leistung zur Verfügung.
Für die Dieselversorgung hat sich die Werft etwas Besonderes ausgedacht: Der Kraftstoff wird nicht wie üblich aus einem Haupttank, sondern aus einem in den Motorraum verlagerten 300-Liter-Tank gesaugt. Dieses Prinzip hat den Vorteil, dass der große Tank an anderer Stelle positioniert werden kann, bei der GT75 liegt er genau im Zentrum der Yacht. Der Schwerpunkt ist dadurch niedriger, was sowohl die Fahreigenschaften als auch die Seetüchtigkeit optimiert. Beim Beschleunigen und in der Kurvenfahrt macht sich dieser Vorteil sofort bemerkbar, „Manta“ liegt sehr ruhig im Wasser. Sie gleitet, ohne ihren Trimm merklich zu verändern oder den Bug anzuheben.
Vor dem Cap Martin dreht der Kapitän ausgiebige Runden, dabei fällt auf: Mit geschlossenen Hecktüren ist es beeindruckend still im Inneren der Yacht. Die Reisegeschwindigkeit liegt jetzt bei 20 Knoten, der Schallpegelmesser zeigt 60 dB(A) – ein Wert, der entspannte Gesichter hinterlässt. Zudem liegt der Verbrauch bei rund 11,4 Litern pro Seemeile, was für eine Yacht dieser Größe und mit einem Probefahrt-Gewicht von rund 56 Tonnen respektabel ist. Marco Gugnoni, Seniordesigner bei Cantiere del Pardo, nickt den Gästen zustimmend und zufrieden zu. Als Topspeed erreicht „Manta“ an diesem Tag, voll beladen und mit 14 Gästen an Bord, 33,8 Knoten. Sicher, es gibt schnellere Weekender, wie etwa die Wilder 60. „Aber das ist auch nicht der Anspruch dieser Yacht“, erklärt Elisa Corti aus der Pardo-Kommunikationsabteilung.
Die GT75 setzt sichtbar andere Schwerpunkte, sie ist eben nicht nur die größte, sondern auch die vielseitigste Yacht, die je bei Cantiere del Pardo gefertigt wurde. Sie kombiniert ein zeitloses Design mit einer Technik, die den Anforderungen auch jüngerer Eigner gerecht wird. An Bord von „Manta“ lässt sich gut erkennen, wie den Designern und Ingenieuren der oft komplizierte Spagat zwischen Tradition und Innovation geglückt ist.
Zum Schluss verrät Fabio Lazzari den Teilnehmern der Probefahrt noch, dass die GT75 erst einmal das Flaggschiff der Marke bleiben wird. Der Grund: Die Bauplätze der Werft sind ausgeschöpft, für größere Yachten müsste man die Hallen erst um- und ausbauen. Das wäre dann noch ein weiteres Großprojekt für Pardo.