Martin Hager
· 26.01.2023
Mit der 29,60 Meter langen „Aldabra“ sorgt ISA Yachts für frischen Wind im Segment der radikal auf Speed getrimmten Sportyachten. Die erste Einheit des Modells Super Sportivo 100 GTO prescht dank Deep-V und Jetantrieb mit 55 Knoten voran.
Wenn Marco Casali über seine Arbeit und seine Entwürfe spricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Dem sympathischen Designer bei seinen enthusiastischen Ausführungen zuzuhören ist eine wahre Freude. Es ist die pure Euphorie, die den yachtversessenen Römer steuert und die ihn typisch italienisch gestikulierend von seinen kreativen Ideen berichten lässt. Mit seinem Studio Too Design ist er schon lange ein Verbündeter großer Marken wie Bavaria und Itama, für die er zahlreiche Modelle entwarf und maßgeblich deren Image prägte. Als die Palumbo-Gruppe vor einigen Jahren die Werft ISA Yachts übernahm, träumte ihr Geschäftsführer Giuseppe Palumbo davon, den Bestseller der bekannten Marke – die ISA Sport 120 – zu ehren und neu zu erfinden. „So begann unsere Arbeit an der ISA Super Sportivo 100 GTO“, erinnert sich Marco Casali. „Ich präsentierte Sig. Palumbo eines meiner Konzepte, und er war begeistert – das war der Startschuss!“ Für die Ausarbeitung der sportlichen Deep-V-Rumpflinien engagierte die Werft das Studio Arnaboldi mit Sitz in Viareggio.
„Für hohe Geschwindigkeiten konzipierte Sportyachten sind mittlerweile ganz klar eine Nische im Superyachtmarkt, der ja an sich schon eine Nische ist“, erklärt Casali. Doch es gibt sie noch, die Kunden, die sich nach genau solch einem Format sehnen. „Aktuell spreche ich mit fünf potenziellen Käufern, die sich für eine ,Super Sportivo‘ interessieren, die nach ihren Vorgaben entstehen soll“, verrät der Designer. Auch der Eigner von „Aldabra“, der ersten Einheit, hatte überaus konkrete Vorstellungen. Das Layout des aus Karbon und GFK laminierten 85-Tonners verfügt über fünf Kabinen und zwei Kammern für die maximal vierköpfige Crew. Für einen schlanken Gleiter mit einer Länge von 29,60 Metern ist das ungewöhnlich, und dementsprechend klein fallen die einzelnen Suiten aus. Wer nun aufgrund der sportlichen Erscheinung davon ausgehen mag, dass „Aldabra“ als Dayboat oder maximal als Weekender genutzt wird, der täuscht sich – ganz offensichtlich. „,Aldabra‘ ist rund um ihren Liegeplatz auf Sardinien viel und ausgiebig im Einsatz“, lässt Marco Casali wissen.
Ein weiterer Sonderwunsch lässt sich am besten mit nackten Füßen ertasten. „Aldabra“ verzichtet auf Teakdeck und schmeichelt den Zehen stattdessen mit Seadek, einem weichen Material, das sonst eher auf Standup-Paddle-Boards oder Windsurfbrettern zum Einsatz kommt. „Das coolste Material, das aktuell auf dem Markt zu finden ist“, schwärmt der Designer. „Supersoft, leicht zu reinigen und um ein Vielfaches leichter als Teak oder synthetisches Teak.“ Der Eigner bestand auf das neue Decksmaterial, ein Glücksgriff für ISA Yachts. „Wir brauchen mutige und innovationsfreudige Eigner, die uns dazu bringen, eine Richtung einzuschlagen, in die wir ohne sie nicht gehen würden“, sagt die Marketingchefin der Palumbo-Gruppe, Virginia de Carlo. „Nur so entwickeln wir uns weiter.“
Neben der eher verschachtelten Raumaufteilung auf dem Unterdeck verblüfft das Hauptdeck mit einer gegensätzlichen Nutzung des verfügbaren Raums. Im Zentrum des loftartig offenen Salons „thront“ ein Steuerstand, der ganz bewusst an die Kommandobrücke des Raumschiff Enterprise erinnert. „Ich wollte schon immer eine Brücke im Star-Trek-Stil entwerfen – das war mein Traum“, freut sich Marco Casali beim Anblick der zwei großformatigen Furuno-Displays, die elegant auf einem scheinbar frei schwebenden Karbonpodest installiert wurden und den Kapitän mit allen wichtigen Bordinformationen versorgen. Achtern stehen sich zwei längliche Sofas mit in der Höhe verstellbaren Tischen gegenüber, sechs „Donald“-Stühle von Poltrona Frau komplettieren den Bereich bei Bedarf zum geselligen Dinner-Ensemble.
Das Achtercockpit wird vollständig von einer XL-Liegewiese eingenommen, auf der sich ganz bequem fünf Sonnenhungrige nebeneinander dem Müßiggang hingeben können. Wenige Schritte dahinter, am Spiegel, realisierte die Werft eine komfortable Sitzbank für bis zu vier Personen, auf der man unter Fahrt ein besonderes Gespür für die hohen „Aldabra“-Reisegeschwindigkeiten entwickeln dürfte. „Highspeed zum hautnah Erleben, sozusagen“, kommentiert Marco Casali. Ein bis zu vier Meter langer Tender findet in der Heckgarage Platz und wird mittels eines Schlittensystems über die Badeplattform gewassert.
Da auf Seitendecks verzichtet wurde, führt der einzige Weg auf das offene Vorschiff durch den Salon und eine Flügeltür im Jumboformat. „Vorn erwartet den Eigner und seine Gäste eine riesige Portugieserbrücke – das hat es auf einer Sportyacht noch nie gegeben“, so Casali. Dieses in das Deck eingelassene und dadurch geschützt gelegene Frontcockpit besteht aus zwei U-förmigen Sofas, auf dem Deck davor erstreckt sich eine weitere Liegefläche für Sonnenhungrige.
Wie beim Bau einer Sportyacht anzunehmen, stand ein strenges Diätregime auf dem Bauplan der ersten Super Sportivo 100 GTO. Den Rumpf laminierte die Werft in Ancona nass aus GFK mit Kohlefaserversteifungen, das Deck entstand komplett aus den hochfesten schwarzen Fasergelegen. „Normalerweise werden Prototypen schwerer als die Vorhersagen der Konstrukteure“, erklärt de Carlo. „Bei ,Aldabra‘ waren wir drei Tonnen leichter!“ Um den 29,60-Meter-Gleiter auf seinen Topspeed zu beschleunigen, geben drei MAN-Zwölfzylinder ihre Leistung von je 1490 Kilowatt an zwei Waterjet-Antriebe plus einen Booster-Jet weiter. „,Aldabra‘ ist ein Kraftpaket, ohne Zweifel“, bestätigt Marco Casali. Um die Motoren mit ausreichend frischer und kühler Luft zu versorgen, entwarf das Too-Design-Team Lufteinlässe, wie sie sonst eher bei Formel-1-Boliden oder Offshore-Rennbooten zum Einsatz kommen. Die zwei Lüftungsöffnungen liegen mittig vor dem flachen Antennenmast und sorgen dafür, dass 30 Prozent mehr Luft im Maschinenraum ankommt, wodurch die kraftvollen MAN-Aggregate dauerhaft mehr Leistung bringen.
Und der Verbrauch? Gegenfrage vom schmunzelnden Designer: „Fragst du auch, wie viel dein Ferrari verbraucht?“ Die Super Sportivo verbrenne weniger als ihre Mitbewerber, und das aus einem einfachen Grund: Sie sei deutlich leichter. Dadurch komme sie mit kleineren Motoren auf die gleiche Geschwindigkeit.
Und, wie ist es nun, mit 55 Knoten auf „Aldabra“ zu reisen? „Es fühlt sich fantastisch an, doch man spürt die Geschwindigkeit nicht“, legt Marco Casali überzeugend dar. „Dank der Jetantriebe gibt es keine Vibrationen, und der scharf geschnittene Deep-V-Rumpf zerpflügt das Meer selbst bei größerem Wellengang geschmeidig und unaufgeregt.“
In Zeiten, in denen Eigner immer mehr Lebensraum und Platz aus ihren Yachtmetern herausholen möchten, ist diese kompromisslose Rumpfform durchaus ein Charakteristikum. „Die Super Sportivo 100 GTO ist eben kein bulliger ,SUV‘ oder gläsernes ,Haus auf dem Meer‘, sondern sie ist ganz klar eine Sportyacht. Wir haben sie so entworfen, dass sie auch bei mehr als zwei Windstärken noch problemlos aus jedem Hafen auslaufen kann und dann immer noch ihre Leistung bringt. Ehrlich gesagt sind nicht mal fünf Windstärken ein Problem. Dann bleiben jedoch die allermeisten Yachten in der Marina – was fantastisch ist, da ,Aldabra‘ dann die schönsten Buchten für sich allein hat“, kommentiert der römische Designer zufrieden.