Porträt Wally WHY200Neue italienische Welle

Martin Hager

 · 26.01.2023

Porträt Wally WHY200: Neue italienische WelleFoto: Alberto Cocchi
Bolide im Rausch: Den Rumpf des 118 Tonnen verdrängenden Crossover-Modells entwarf und optimierte Konstrukteur Laurent Giles in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren der Ferretti-Gruppe für Verdränger- und Gleitfahrt.

Mit der 27 Meter langen WHY200 schafft es die Kultmarke Wally wieder einmal, im Mittelpunkt zu stehen. Der 7,66 Meter breite Dreidecker vereinigt Verdränger mit Gleiter-Genen und trumpft mit dem Wohnraum einer 50-Meter-Yacht auf. BOOTE EXCLUSIV fuhr das Luca-Bassani-Design vor Cannes.

Ein Wakesurfboard müsste man jetzt haben, denke ich plötzlich, als ich aus dem Salon auf die Hecksee der brandneuen Wally WHY200 blicke, die im Rahmen unserer dreistündigen Probefahrt einen großen Bogen über den Golfe de la Napoule schlägt und offensichtlich gerade dabei ist, ihr eigenes Wellensystem zu verlassen, um in den Gleitmodus zu wechseln. Wie bei vielen Halbgleitern ist auch bei der von Grund auf neu entwickelten WHY200 der zu überwindende Wellenbuckel erstaunlich hoch, dabei aber zudem perfekt geformt. Zu beiden Seiten eröffnet sich eine rund 1,50 Meter hohe und ansprechend steile Welle und lässt den Wellenreiter und Wakesurfer in mir gleichermaßen frohlocken. Natürlich ist kein Surfbrett aufzutreiben, zudem fehlt mir für solcherlei sportliche Spielerei während einer Probefahrt die Zeit. Nach rund einer Minute ist der Wellenzauber ohnehin vorbei, und der 118 Tonnen verdrängende Bolide rauscht mit 23 Knoten Topspeed und flacher Hecksee in Richtung der Südseite der Île Sainte-Marguerite vor Cannes, wo wir uns im Detail und in Gesellschaft von Wally-Gründer Luca Bassani und -Geschäftsführer Stefano de Vivo auf der Yachtneuheit umschauen können.

Erscheinung: Mit ihrem 4,70 Meter hohen  Negativsteven zieht  die 7,66 Meter breite WHY200 die Blicke  auf sich.
Foto: Gilles Martin-Raget

Doch zuerst muss eine Frage gestellt werden: Warum WHY? „Why WHY? Das ist einfach zu beantworten“, entgegnet Wally-Mastermind Luca Bassani ob seines kleines Wortspiels gut gelaunt. „WHY steht nicht etwa für die 58 Meter lange Wally Hermès Yacht, die wir 2009 vorgestellt haben, sondern für Wally Hybrid Yacht.“ Das „Hybrid“ sei aber nicht wie in der Branche üblich schlicht auf das Propulsionspaket bezogen, sondern solle die Verschmelzung verschiedener Rumpf- und Nutzungskonzepte beschreiben. Der Wally-Manager Stefano de Vivo ergänzt: „Die WHY200 präsentiert eine neue Gattung von Yacht: Zusammen mit Konstrukteur Laurent Giles entwickelten unsere Ingenieure einen komplett neuen Rumpf, der sowohl perfekt in langsamer Verdrängerfahrt funktioniert als auch im Gleitmodus.“

Ein 4,70 Meter hoher Steven eröffnete neue Möglichkeiten

Selbstverständlich sollte sich die Neuheit auch in das bestehende Modellportfolio der für seine innovativen Konzepte bekannten Marke einfügen. Optisch herauszustechen und sich nicht an altbekannte Stylingregeln zu halten war schon immer das Ziel von Luca Bassani, dessen Entwürfe und außergewöhnliche Ideen sicher zu den am meisten kopierten der Branche zählen. Doch nicht nur Designaspekte stehen bei Wally ganz oben auf der Prioritätenliste, auch rein nautische Gesichtspunkte müssen zu einhundert Prozent dem strengen Auge und Verstand von Bassani genügen. „Wir legten bei der langwierigen Entwicklung der WHY200 größten Wert auf eine bestmögliche Stabilität und herausragende Seegangseigenschaften.“ Gemeinsam mit dem britischen Konstrukteur Laurent Giles entstand der mit 7,66 Metern Breite außergewöhnlich ausladende Rumpf mit scharfen Rumpfkanten in der massigen Bugsektion, die gewaltige 4,70 Meter in die Höhe ragt und der Neuheit ihren bulligen Look verleiht.

Unter Fahrt fühlt es sich in der rundum verglasten Bugsuite an, als würde man über das Meer fliegen

„Durch die Höhe und Form des Stevens hatten wir auf einmal komplett neue Möglichkeiten“, schwärmt Luca Bassani. „Also setzten wir uns zusammen und überlegten, was wir mit diesem fantastischen Raum im vorderen Schiffsteil machen wollen.“ Im Einklang mit einer Designphilosophie, die zum einen darauf abzielt, Form und Funktion durch ein unverwechselbares und wiedererkennbares Erscheinungsbild zu vereinen, und andererseits, ein unvergleichliches Yachterlebnis im Einklang mit dem Meer zu garantieren, entschied sich das Designteam, den Steven mit einer Mastersuite zu füllen, die ihresgleichen sucht. Der Raum des Eigners nimmt das gesamte vordere Hauptdeck der WHY200 ein, misst 37 Quadratmeter und bietet dank eines 270 Grad umlaufenden Fensterbandes großartige Aussichten auf das Meer und die vorbeiziehende Landschaft. Bisher gibt es nur wenige – deutlich größere – Yachten, die mit Buglounges dieses Kalibers auftrumpfen, dazu gehört beispielsweise die 78-Meter-Feadship „Venus“ des Apple-Gründers Steve Jobs. „Unter Fahrt fühlt es sich hier vorn an, als würde man über das Meer fliegen“, kommentiert Stefano de Vivo überschwänglich, während wir durch die Kabine gehen, die ein mittig platziertes Doppelbett dominiert.

Bekannte Gene: Die kantigen Karbonaufbauten erinnern an die WallyPower. Das Achtercockpit und die Badeplattform nutzen die gesamte Breite.Foto: Alberto Cocchi
Bekannte Gene: Die kantigen Karbonaufbauten erinnern an die WallyPower. Das Achtercockpit und die Badeplattform nutzen die gesamte Breite.

Davor wurde ein kleines Sofa auf der Mittschiffslinie in halbhohe, umlaufende Sideboards integriert, auf denen jedes Kind beim Beobachten von mitschwimmenden Delfinschulen größte Freude haben wird. Achtern der Kabine schließen sich zwei geräumige, gespiegelte Badezimmer für sie und ihn an, bevor es in den über 60 Quadratmeter großen Salon geht, der mit zwei L-förmigen Loungeecken, einer L-förmigen Bar inklusive Galleyzeile und der zentral gelegenen, komplett aus Karbon gefertigten und in die Rumpfstruktur integrierten Wendeltreppe spärlich möbliert wirkt. Doch hier haben Eigner selbstverständlich freie Hand und können „den Raum nach ihrem Gusto füllen“, wie Bassani beteuert.

Eignersuite, Salon und Cockpit sorgen mit rund 150 Quadratmetern Fläche für ein offenes Loft-Feeling

Durch eine elektrische Glasschiebetür geht es in Richtung Heck in das Achtercockpit, das mit 46 Quadratmetern ebenfalls überdurchschnittlich geräumig ausfällt. Steuerbords steht hier ein Speisetisch für acht Gäste, der Raum gegenüber bleibt leer. Den größten Teil des Cockpits nehmen zu beiden Seiten des fünfstufigen Niedergangs in Richtung Badeplattform XL-Sonnenliegen ein. Für eine moderne Optik sorgt das in breiten Planken verlegte Teakdeck, das formschön und in einem sanften Radius über den gesamten Spiegel bis zum Beachclub verlegt wurde. Klappen die beiden seitlichen Schanzkleider vor Anker elektrisch nach unten, vergrößert sich die Fläche der „Terrasse am Meer“ auf 32 Quadratmeter. Zudem wird so der Zugang zu den zwei seitlichen Garagen frei. Hier staut die Crew ein beachtliches Arsenal an Tendern und Toys, darunter einen 4,05 Meter langen Williams-Jettender, Waverunner, Seabobs, Stand-up-Paddleboards und natürlich Tauchequipment. Als Gangway, getauchte Badeleiter oder „Sprungturm“ integrierte die Werft einen Transformer von Opacmare in die Badeplattform und garantiert so größtmögliche Flexibilität mit nur einem System.

Der verglaste Oberdecksalon bietet beste Aussichten

Mit rund 150 Quadratmetern Lebensraum auf dem Hauptdeck erzeugt die Wally-Neuheit auf nur 27 Metern einen loftähnlichen Charakter, der sich in diesem Längensegment bis dato nicht eingestellt hat. Sie ist knapp einen Meter – 15 Prozent – breiter als die drei Meter längere Ferretti 1000, die ebenfalls letztes Jahr ihre Weltpremiere feierte. „Die WHY200 ist eine Yacht, die man definitiv live erleben und deren Interior man sehen muss, sonst versteht man das einzigartige Konzept und das erstaunliche Raumgefühl nicht“, sagt Stefano de Vivo. Einzig auf dem Unterdeck wirkt das interessante Cross-over-Modell geradezu gewöhnlich und ist damit vergleichbar mit anderen Halbgleitern dieser Größenordnung. An die Suite für VIP-Gäste ganz vorn im Bug schließen sich zwei identische Gästekabinen mit je einem Doppelbett an. Das dahinter gelegene Crewquartier nimmt in drei Kabinen mit zwei Bädern maximal fünf Personen auf.

Offene Räume: Das Designstudio A. Vallicelli & Co. wurde mit dem Interiorstyling betraut.Foto: BOOTE Exclusiv
Offene Räume: Das Designstudio A. Vallicelli & Co. wurde mit dem Interiorstyling betraut.

Zwei Decks darüber fällt die Wally wieder komplett aus dem Rahmen und verblüfft mit einer rundum verglasten Oberdecklounge, mit der sich die Interiordesigner um Andrea Vallicelli selbst übertroffen haben. Der mit einem U-förmigen Sofa und mehreren Beistelltischen minimalistisch möblierte Raum wird dank gläserner Oberlichter zusätzlich mit Licht geflutet. Große Scheiben und eine Glastür trennen den Oberdecksalon vom Naviop-Steuerstand, in dessen Mittelpunkt vier Simrad-Multifunktionsdisplays stehen. Auf dem zur Hälfte überdachten Achterdeck bittet der Eigner zum Al-fresco-Lunch oder -Dinner an einer Tafel für zehn Personen, drei angrenzende Sonnenliegen bieten sich zum Faulenzen an. An der Bar reicht die Stewardess gekühlte Drinks, während auf dem integrierten Grill die Scampi brutzeln.

Der numerische Namenszusatz leitet sich von den knapp 200 Gross Tons Innenraumvolumen ab

Der deutsche Eigner von Baunummer 1, auf der wir die Probefahrt erleben, war schnell begeistert von der innovativen Wally. „Er hatte bereits mehrere Pershing-Modelle, liebt es, schnell zu fahren, wollte sich aber verändern und möchte jetzt entspannter unterwegs sein. Wenn ihn der Wunsch nach Geschwindigkeit überkommt, kann er immer noch die Hebel auf den Tisch legen und mit 23 Knoten Topspeed in Richtung des nächsten Beachclubs preschen“, erzählt Bassani offen. Beherrscht er sich und bleibt bei einer Reisegeschwindigkeit von zehn Knoten, reichen die 12000 Liter Diesel in den Tanks für mehr als 1000 Seemeilen – eine ungewohnte Freiheit für Pershing-Kenner. Im Motorenraum der WHY200, deren numerischer Namenszusatz sich übrigens von den knapp 200 Gross Tons Innenraumvolumen ableitet, arbeiten neben zwei Seakeeper-Stabilisatoren und zwei Cummins-Generatoren vier IPS-Einheiten von Volvo Penta mit je 735 Kilowatt Leistung, die auf Wunsch durchaus für Surfspaß auf der Heckwelle sorgen.

Technische Daten Wally WHY200

  • Länge über alles: 27,03 m
  • Länge (Rumpfform): 23,98 m
  • Breite: 7,66 m
  • Tiefgang: 2 m
  • Verdrängung (halb voll): 118 t
  • Gross Tonnage: 199 GT
  • Material: GFK, Karbon
  • Motoren: 4 x Volvo Penta D13 IPS 1350
  • Motorleistung: 4 x 735 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 23 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 18 kn
  • Reichweite mit 10 kn: 1000 sm
  • Generatoren: 2 x Cummins Onan 40 kW
  • Kraftstoff: 12000 l
  • Navigation: Simrad
  • Konstruktion: Laurent Giles, Ferretti Group
  • Exteriordesign: Luca Bassani, Ferretti Group
  • Interiordesign: A. Vallicelli & Co.
  • Klasse: CE „A“
  • Werft: Wally, 2021
  • Startpreis: 9 Mio. Euro

Klar getrennt: Das Unterdeck ist mit einer VIP- und zwei Gästekabinen im Bug und einem achterlichen Crewbereich konventionell aufgeteilt. Die maximal fünfköpfige Crew verteilt sich auf drei Kabinen und nutzt zwei Bäder.Foto: Piaa
Klar getrennt: Das Unterdeck ist mit einer VIP- und zwei Gästekabinen im Bug und einem achterlichen Crewbereich konventionell aufgeteilt. Die maximal fünfköpfige Crew verteilt sich auf drei Kabinen und nutzt zwei Bäder.