Marcus Krall
· 17.07.2016
Die 85 Meter lange „Solandge“ ist ein Star des Chartermarktes. Für ihren erfahrenen Eigner war der Kauf bei Lürssen ein 22 Meter langes Upgrade.
Dieses Upgrade kann man durchaus als veritabel bezeichnen. 22 Meter mehr gönnte sich der Eigner mit dem Wechsel von der 63 Meter langen "Polar Star" (Ex-"Northern Star") zu "Solandge". Während er "Polar Star" gebraucht kaufte, ist "Solandge" indes ein Neubau vom Rendsburger Lürssen-Standort, wo die Yacht unter dem Projektnamen "Niki" entstand.
Nach ihrem ersten Karibikaufenthalt hat Kapitän Brett Fillis den Anker heute an prominenter Position vor Monaco gesetzt. An Bord warten Sylke auf dem Graben von Lürssen Yachts, Eignervertreter Richard Masters, Exterieur-Designer Kristian Pascoli von Espen Øino International und Robert Voges von Dölker +Voges. Zusammen mit der amerikanischen Designerin Aileen Rodriguez entwickelte Dölker + Voges das Interieur, wobei Rodriguez den kreativen und die Hamburger den architektonischen Part übernahmen. Entstanden ist eine fast eklektische Melange mit einer Vielzahl von Materialien. Allein 35 Steinarten sind verbaut, Hölzer haben so ungewöhnliche Namen wie etwa "Madrone Burl Pippi" oder "Vavona Redwood Cluster Burl". "Die Yacht", so erklärt Voges, "besitzt Einflüsse aus der ganzen Welt."
Doch der Reihe nach. Die Anreise mit dem Fjord-Tender aus dem Port Hercule dauert nicht lang, vermittelt aber trotzdem einen guten Eindruck des Exterieurs. "Solandge" ist exzellent in Weiß und Dunkelblau – der Lieblingsfarbe des Eigners – lackiert, wobei nicht allein der Rumpf dunkel schimmert. Kristian Pascoli und Espen Øino verordneten auch Teilendes Aufbaus einen blauen Look, wodurch die voluminöse "Solandge" (85 x 13,80 m) interessanter und sportiver wirkt.
Auffällig sind auch die großzügigen, achterlichen Außenbereiche sowie vier Balkone, zwei auf jeder Seite, die durch Ausbuchtungen der Struktur entstanden. Die unteren beiden gehören zur Eignersuite, die oberen zur Brücke. Kapitän Brett Fillis wird seine Außensteuerstände, die sich auf seinen Balkonen befinden, später ausdrücklich loben; fast mittschiffs angeordnet, möchte er sie beim Manövrieren nicht mehr missen.
Das Entree zur Yacht bildet indes wie üblich die geräumige Badeplattform, in die der Eigner eine Lürssen-Entwicklung integrieren ließ, wie sie unter anderem die 86 Meter lange "Quattroelle" (Heft 5/13) besitzt: Aus der Plattform klappt kopfüber eine Treppe und senkt sich mit einem genau terminierten Automatismus in die Tiefe, um Eigner und Gästen einen bequemen Einstieg zu ermöglichen.
Von ganz unten geht es nun nach ganz oben: Kapitän Fillis führt auf das Topdeck, das die Lürssen-Broschüre von "Solandge" passend als Nightclub tituliert: Unter dem Hardtop steht eine gewaltige U-förmige Bar mit 14 Sitzplätzen, achtern ein Chill-out-Zelt à la Nikki Beach und im Bugbereich ein Jacuzzi, der bei Bedarf zum Dancefloor mutiert.
Die Tanzfläche wird dabei von acht Edelstahlstangen gehalten und "schwebt" dann über dem Whirlpool. Für den richtigen Sound sorgt eine Dolby-Surround-Anlage und ein DJ-Pult, dessen Ausführung auch Großraum-Discotheken genügen würde. Steht den Gästen dagegen der Sinn nach Entspannung, kann die Crew vor dem Jacuzzi eine rund sechs Quadratmeter große Leinwand spannen, ein über dem DJ-Pult montierter Beamer projiziert dann das gewünschte Entertainment darauf. Als Ausweichmöglichkeit steht bei schlechtem Wetter übrigens ein Indoor-Kino zur Verfügung, das sich ganz unten auf dem Tankdeck befindet – dort wo auch der sogenannte "Tree of Life" seinen Anfang nimmt, von dem noch die Rede sein wird.
Ein Deck tiefer bietet die Yacht die nächsten Highlights, für die viele Chartergäste (Wochenpreis: ca. 1 Million Euro) sie lieben werden: Da ist zum einen der rund sechs Meter lange und zwei Meter
breite Infinity-Pool, der durch eine Glasscheibe einen freien Ausblick auf das Meer bietet; per Gegenstromanlage lassen sich hier etliche "Bahnen" zurücklegen. Ausgefeiltere Work-out-Möglichkeiten bietet hingegen das nur ein paar Schritte entfernte Gym an sieben Stationen – vom Laufband oder Crosstrainer blickt man ebenfalls achteraus.
Und dann präsentiert Brett Fillis, was viele Yachtdesigner und Sales-Manager seit Jahren prophezeien: Spa-Bereiche werden an Bord immer wichtiger.
Ein Trend, bei dem "Solandge" ganz vorn mitschwimmt. Vielleicht ist ihr Spa sogar das weltweit größte auf einer Yacht bis 90 Meter Länge. Die Sauna an Steuerbord reicht jedenfalls für bis zu acht, das Hamam immerhin noch für bis zu sechs Gäste. Zum Wellness-Ensemble gehören außerdem ein Raum für Aromabäder, ein Massagezimmer mit entsprechender Liege und ein kleiner Friseursalon. Zwischen Hamam und Aromabad ließ der Eigner zudem noch ein raffiniertes Feature einbauen: Für den Saunaguss, also das Abkühlen nach dem Saunagang, steht dort ein Zehn-Liter-Becken mit Crushed Ice bereit, das sich nach der Nutzung auf Knopfdruck sofort wieder füllt. Samt Gym nimmt der Spa-Bereich rund die Hälfte des Brückendecks ein. Voraus liegt nur noch das Reich des Kapitäns sowie natürlich das Treppenhaus, in dem uns nun die Baumkrone des bereits erwähnten "Tree of Life" entgegenleuchtet. Diese Skulptur, die sich im Treppenauge vom Tankdeck bis auf das Brückendeck zieht, ist rund 16 Meter hoch und besitzt 1200 Lichtpunkte, die Regentropfen symbolisieren und die am Baum installierten Glasblüten zum "Blühen" bringen sollen. Stamm und Äste des "Tree of Life" bestehen aus goldfarbenem Komposit, innen steckt eine massive Stahlstange – ein spezielles, aber durchaus imposantes Ausstattungsdetail, das in Kalifornien entwickelt und in mehreren Etappen installiert wurde. Es begleitet uns auf das Owner’s Deck, auf dem der Eigner mit seiner Suite etwa die vorderen 50 Prozent der Interieurfläche belegt. Einer kleinen Lobby schließt sich ein privater Korridor an, auf dessen linker Seite das Bad der Eignergattin liegt. Hier strahlen Rosatöne, THG-Armaturen und verspiegelte Schränke in den verschiedenen Bereichen, die frau so benötigt: Ankleidezimmer, Schminktisch, Waschbereich, WC, Dusche und Badewanne. Auf der gleichen Fläche, gleich gegenüber an Steuerbord, bringt der Eigner selbst übrigens sein blau-weißes Bad und noch ein separates Office unter …
Voraus schläft das Paar in einer großzügig verglasten Halb-Rotunde mit Zugang zu einer privaten Terrasse samt Jacuzzi sowie den seitlich installierten Balkonen. Über dem mittig platzierten Bett hängt ein vielleicht 1,5 Quadratmeter großer Kristall-Leuchter, der – wie fast alle Möbelstücke auf "Solandge" – eine Einzelanfertigung ist.
"Der Eigner", so berichtet Interieur-Stylistin Aileen Rodriguez aus Fort Lauderdale, "wünschte sich eine sehr spezielle Yacht mit einer Fülle von ausgearbeiteten Finessen." Rodriguez, die den Eigner schon durch frühere Projekte kennt, traf sich mit ihm dafür etwa alle sechs Wochen. Über die Zusammenarbeit mit Dölker + Voges setzten dann die Innenausbauer von Sinnex und Vedder die Ideen in Eignersuite, Salon, Brücke, Gästekabinen, Treppenhaus und Spa-Bereich um.
Deutlich wird die Detailliebe auch im Main-Salon, der auf den ersten Blick dadurch überrascht, dass der Speisetisch längs im Zentrum des Raumes steht und nicht wie üblich am Kopfende des Salons. Unter drei Schonbek-Lüstern haben hier zwölf Gäste Platz, die von drei Chefs auf Sterne-Niveau verköstigt werden. Der Aperitif steht an der Bar an Steuerbord bereit, von wo der Blick auf zwei hinterleuchtete Amethyst-Paneele und zwei Vitrinen fällt, in denen Musikinstrumente aus Muranoglas schimmern. "Die Instrumente brachte der Eigner ganz früh ein", erklärt Robert Voges. "Sie mussten unbedingt an Bord, die Vitrinen sind genau angepasst."
Während der Eigner nach dem Dinner ein Stockwerk nach oben steigen oder fahren muss, erreichen seine Gäste ihre Kabinen auf dem Hauptdeck. Vier davon sind gleich groß und nur mit unterschiedlichen Farben (Blau, Violett, Kupfer, Gold und Grün) dekoriert; zwei beziehungsweise drei weitere Unterkünfte sind variabel angelegt.
Gleich am Anfang des Gäste-Korridors ließ der Eigner ein Office installieren, in dem die Crew bei Bedarf das Schlafsofa ausfährt, ein En-Suite-Bad ist sowieso vorhanden. Ähnlich sieht es bei den VIP-Suiten ganz vorn aus. Sie werden entweder einzeln genutzt oder zusammen über die ganze Yachtbreite – eine flexible Trennwand macht es möglich. Alle Kabinen profitieren dank ihrer Lage auf dem Maindeck von reichlich Tageslicht, das durch drei je 160 x 50 Zentimeter große Fenster einfällt.
Ein Deck tiefer, im Crewbereich, haben die Kabinen und Fenster zwar etwas kleineres Maß, sind aber trotzdem gut dimensioniert, sodass sich die 29-köpfige Mannschaft an Bord wohlfühlen kann. Achtern auf dem Unterdeck installierte Lürssen eine großzügige Garage für bis zu zehn Meter lange Tender und zahlreiche Toys sowie einen exzellent gestalteten und verarbeiteten Maschinenraum über zwei Ebenen. Im Zentrum stehen zwei Caterpillar-Maschinen mit je 2000 Kilowatt Leistung, die "Solandge" auf bis zu 17 Knoten bringen und sie bei zwölf Knoten 6000 Seemeilen weit fahren lassen.