Peter Laessig
· 03.07.2016
Der Name ist Programm: Italienisches Design und deutsche Motorentechnik machen die Pershing zu dem, was der Name verspricht: Eine Rakete auf dem Wasser.
Pershing zählt seit Jahren zur Ferretti-Gruppe. Und wie bei jeder renommierten Firma üblich, gibt es auch hier eine Sport-Abteilung. Deren Fokus bestimmten von Anfang an Geschwindigkeit, gutes Aussehen, bestmögliche Qualität und ein gehöriges Maß an Luxus.
Das alles wird seit dem Gründungsjahr 1985 unter dem Namen Pershing realisiert. Obwohl klein angefangen, bewegt man sich heute ausschließlich in der Oberklasse und baut Boote von 50 Fuß bis über 100 Fuß Länge (16 bis 35 Meter). Eines davon ist unser Testboot, Pershing 70. Sie gibt es mit zwei oder drei Kabinen, der gleichen Anzahl an Bädern plus Kabine und Bad für die Crew.
Wie alle Pershings ist auch unser Testboot mit Oberflächenantrieben ausgerüstet. Pershing vertraut da allein auf Arneson. Die und alle anderen Oberflächenantriebe haben den Vorteil, dass sie nicht so tief im Wasser liegen und damit von Hause aus schneller als herkömmliche Antriebe sind. Der geringere Widerstand macht’s. Das charakteristische dieser Antriebe ist ihr Wasserschweif, der sogenannte rooster tail oder Hahnenschwanz, der in voller Fahrt hinter dem Boot sichtbar ist.
Er entsteht, weil die Propellerblätter teilweise aus dem Wasser ragen und das Wasser weithin sichtbar nach hinten wegschleudern. Für effektives Ausnutzen der Antriebskraft treten diese Antriebe immer paarweise auf, da die von den Propellern erzeugte Seitenkraft annähernd gleich groß wie deren Vortriebskraft ist. Um die Seitenkräfte zu kompensieren, ist eine Doppelinstallation mit rechts- und linksdrehenden Propellern Pflicht.
Unser Testboot ist mit zweimal 10-Zylinder-Diesel-Motoren von MTU ausgestattet, die aus jeweils 22,3 l Hubraum zusammen eine Leistung von 3246 PS auf die Propellerwellen stemmen. Diese werden wiederum von zwei mächtigen Rolla-Propellern in Vortrieb umgewandelt.
Pershing verrät uns nicht deren Dimensionen, denn, so die Argumente, Konkurrenz liest mit. Wir haben mal unseren Kalkulator bemüht und errechnet, dass die Propellerdurchmesser größer als 100 cm sein müssen und die Steigungen bei wenigstens 150 cm liegen. Wenn man sich nun einmal, lapidar gesagt, der Propeller-Effizienz widmet und wie sie umgesetzt wird, müsste das Boot bei der geringsten Motordrehzahl (630 U/min) theoretisch knapp über 12 kn schnell fahren. Gemessen haben wir 8 kn. Wenn man sich dagegen die Werte bei Vollgas (2450 U/min) ansieht, macht der Unterschied zwischen theoretischer (47,4 kn) und gemessener Geschwindigkeit (47 kn) nicht mal einen halben Knoten aus.
Was das langsame Fahren angeht, gibt es vier Möglichkeiten: Mit beiden Antrieben oder einem normal voraus, oder mit den beiden an der Schaltbox schaltbaren Programmen Trolling 1 und 2. Bei Trolling 1 werden die Getriebeausgangsdrehzahlen um 25 Prozent und bei Trolling 2 um 50 Prozent abgesenkt. Heißt, im ersten Fall mit 6 kn und im zweiten mit 4 kn Fahrt unterwegs zu sein.
Der Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt geschieht bei der Pershing 70 recht zügig und ohne, dass sie sich allzu viel vertrimmt. Der Übergang geschieht innerhalb von 200 U/min und ist gefühlt mit einem sprunghaften Tempoanstieg verbunden, also bis 12 kn oder 1400 U/min als Verdränger, ab 1600 U/min oder 22 kn Fahrt als Gleiter. Ab dann geht es nur noch ungestüm voran.
Das Anfahren mit Oberflächenantrieben ist von der Handhabung anders als mit Z-Antrieben. Während Z-Antriebe ganz beigetrimmt werden, trimmt man die Oberflächenantriebe in die Nähe der Wasseroberfläche. Sie brauchen im Gegensatz zu herkömmlichen Propellern Luft. Und das gestaltet die ganze Sache für denjenigen, der nicht täglich damit umgeht, etwas schwierig. Aber Pershing hat eine perfekt arbeitende Trimmautomatik eingebaut, die auch dem ungeübten Fahrer
>>>Man nehme nur das Beste! Das Ergebnis: eine edle Fahrmaschine
das Hantieren mit Oberflächenantrieben bestens gelingen lässt, zumal die Trimmautomatik noch die Steuerung der Trimmklappen mit einbezieht. Ansonsten müsste man sich mit vier Joysticks plus zwei Gashebeln abmühen und noch auf den Verkehr aufpassen. Dessen ungeachtet hat das konventionelle Ruder fast nur noch symbolischen Wert, da die Steuerung des Bootes ebenfalls mittels eines Joysticks erfolgt.
Zuviel Automatik? Im Gegenteil! Wenn das Boot Fahrt aufgenommen hat, beginnt der eigentliche Spaß: Mit Daumen und Zeigefinger wird bestimmt, wo es lang geht. Und das macht richtig Laune, wenn man die Pershing 70 präzise und zielgenau zwischen den Markierungsstangen in der Adria hindurchfädelt. Die Kurvendurchmesser sind eine Frage der Geschwindigkeit, in voller Fahrt ist man mit etwa 500 m dabei. Man merkt auch nicht, dass man mit etwa 45000 kg Masse unterwegs ist, und die Geschwindigkeit bekommt man am Fahrstand nur mit, wenn man die Instrumente beobachtet.
Das ändert sich, wenn man hinaus ins Cockpit tritt. Während man im mittleren Bereich des Cockpits und auf der großen Sonnenliege vom Fahrtwind dank der Flügel über den Seitendecks nicht allzu viel mitbekommt, bläst er einem auf Höhe der Seitendecks mit voller Sturmstärke entgegen. Dass man es mit einem Sportboot zu tun hat, erkennt man auch anhand der Werftdaten, in denen die Marschfahrt der Pershing 70 mit 40 kn bei 2200 U/min angegeben wird.
Unsere Messergebnisse belegen, dass man schon mit 36 kn bei 2000 U/min "wirtschaftlich" unterwegs ist und die 3500- Liter-Tankfüllung für eine theoretische Reichweite von 250 sm plus 15 % Reserve langt. Das ist uns nicht genug und bedeutet, dass man Tankstopps gut planen oder in Verdrängerfahrt unterwegs sein muss.
Hinsichtlich der gesamten Verarbeitung im, auf und um das Boot herum gibt es nicht das Geringste auszusetzen. Unser Urteil: Spitzenklasse.