Gernot Apfelstedt
· 26.07.2012
Es war nicht nur ein außergewöhnliches Rennen gegen die Uhr – sondern ein Rekord für den guten Zweck: 1000 Meilen in 24 Stunden. Unmöglich? Von wegen!
Es sind manchmal kleine Dinge, die entscheidenden Einfluss auf die Biografie eines Menschen haben. Bei Hagen Jerzynski war es der Wunsch, größere Fische zu fangen, als er – noch jugendlich - mit seiner Angel in Berlin am Ufer stand. Mit einem Boot, so dachte er, hätte er bessere Chancen. Von seinem ersparten Taschengeld – aufgebessert durch Rasenmähen – kaufte er mit 16 Jahren sein erstes Boot.
Es war wie Liebe auf den ersten Blick. Hagen hatte das Hobby seines Lebens gefunden. Seitdem wuchsen die Motoren Jahr für Jahr, und seine Boote wurden schneller und schneller. „Schon immer war ich bekannt als absoluter Maniac des Bootfahrens. Es konnte nie schnell und verrückt genug sein“, sagt Hagen Jerzynski, heute 36 Jahre alt, über sich selbst.
Die Angel wanderte bald in die Ecke – sie hatte ihre „Bestimmung“ als Weichenstellerin offenbar erfüllt. Übrigens nicht nur, was die Bootsleidenschaft betrifft, sondern auch beruflich: Hagen wurde Landschaftsgärtner und betreibt seit zehn Jahren sein eigenes Gartenbauunternehmen.
Wenn’s ums Bootfahren geht, sucht Hagen stets neue Herausforderungen. Voriges Jahr hatte er sich vorgenommen, „einmal so lange Boot zu fahren, bis ich keine Lust mehr habe“. Wobei – um es vorwegzunehmen – er letzteres „Ziel“ natürlich nicht erreichte. 1015 Kilometer ritt er gemeinsam mit seinem Freund Jan Gerstenberg (31) in einer 19-Fuß-Marshan mit 175-PS-Yamaha auf dem Rhein ab – 17 Stunden inklusive Pausen. Es war der Vorgänger des „Spendenmarathons“ 2012 auf der Elbe.
Die Idee, den Highspeed-Langstrecken-Törn mit sozialem Engagement zu toppen, kam seinerzeit von Carsten Czech aus dem Boote-Forum, in dem Hagen seine Pläne offenbart hatte. Er bot an, die Website für die Aktion zu erstellen und den organisatorischen Part zu übernehmen. Gesagt, getan! Die pro Kilometer gespendeten Beträge kamen dem Tages-Kinderhospiz „KinderLeben“ in Hamburg zugute.
Von der Arbeit des Kinderhospizes ist Hagen Jerzynski so angerührt, dass er sich entschließt, erneut einen „Spendenmarathon“ für eine solche Einrichtung zu fahren. Diesmal für das Berliner Kinderhospiz „Sonnenhof“, vom dem er über Karat-Sänger Claudius Dreilich erfahren hat. Und die sportliche Latte soll dabei noch höher liegen. Nicht 1000 Kilometer, sondern 1000 Meilen an einem Tag, also 1609 Kilometer!
Diesmal auf der Elbe: vom Wallwitzhafen in Dessau flussaufwärts bis zur tschechischen Grenze, von dort wieder zurück nach Dessau, dann weiter stromabwärts über Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee, um Helgoland herum und wieder zurück nach Dessau. Ein verwegenes Unterfangen. Kritiker und Zweifler gibt es genug, das weiß Hagen. Deshalb will er – allein schon wegen des guten Zwecks – negative Schlagzeilen ausschließen und in puncto Sicherheit keine Kompromisse machen.
Das setzt perfekte Planung voraus, und die beginnt beim geeigneten Boot: Aus England besorgt er sich eine Ring 21, die in der ehemals größten Offshore-Rennserie der Welt, Honda Formula 4-Stroke, eingesetzt war. Entsprechend verprügelt sieht der Rumpf aus, als er bei Hagen Jerzynski in Neu-Venedig ankommt. So funktioniert der bootsverrückte Berliner sein Party-Zelt im Garten über den Winter kurzerhand zur beheizten Refit-Halle um. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Doch der Erfolg eines solchen Langstreckentörns steht und fällt mit einem leistungsstarken Motor. Im Renneinsatz hatte die Ring einen 150-PS-Honda am Spiegel, doch Hagen will für sein „Benefizkonzert“ unbedingt das neue Flaggschiff der Honda-Außenbordpalette: Honda BF 250 LU (die Langschaft-Version). In der Tat scheint dieser hochmoderne Honda wie geschaffen für die 1000 Meilen auf der Elbe, verfügt er doch mit BLAST (Boosted Low Speed Torque) über ein exklusives Steuerungssystem, das optimale Beschleunigungswerte und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen ermöglicht.
Dass Hagen seinen Wunschmotor wirklich bekommt, hat er in erster Linie dem Berliner Boots- und Motorenhändler Jürgen Dross zu verdanken, der sich beim Verkaufsleiter Marine von Honda Motor Europe (North), Andreas Hausmann, für Hagen Jerzynski stark macht. Hausmann gibt seine anfängliche Zurückhaltung unumwunden zu. Doch die soziale Komponente („da muss man als mitfühlender Mensch nicht lange nachdenken“) und die Garantie von Dross, die Aktion von technischer Seite zu unterstützen, überzeugen ihn. Bereuen sollte er es nicht …
Um den Durst des 250-PS-Honda bei größtenteils Fullspeed kalkulieren und die Spritversorgung auf der Strecke organisieren zu können, machten Hagen Jerzynski, Jan Gerstenberg und Jochen Diestler – der dritte Berliner im 1000-Meilen-Bunde, er sollte auf der ersten Etappe Hagens Co-Pilot sein – zwei Wochen vor dem „Spendenmarathon“ die Probe aufs Exempel. Sie düsten die etwa 550 Kilometer vom Dessauer Wallwitzhafen (Start, Ziel sowie Basecamp des Unternehmens „1000in1day“) bis zur tschechischen Grenze und wieder zurück – und hatten einen Kanister zu wenig dabei.
Kurz vor dem „Heimathafen“ war Ebbe im 120-l-Tank der Ring 21. Doch die Crew wusste sich zu helfen. Mit einem Zahnputzbecher sammelte sie die Reste aus allen Kanistern, aus denen während der Fahrt der Kraftstofftank des Bootes immer wieder per Pumpe nachgefüllt wurde. Es reichte genau, um mit dem letzten Tropfen den Steg in Dessau doch noch aus eigener Kraft zu erreichen. So etwas durfte am 16. Juni nicht passieren...
Die gesamte Reportage über die Rekordfahrt können Sie in der aktuellen August-Ausgabe von BOOTE lesen, die jetzt erhältlich ist!