Rainer Bergmann
· 28.06.2011
TEIL 3 unserer Serie: Das Auf und Ab einer wechselvollen und dennoch erfolgreichen Entwicklung bis heute. Runabout und Limousine – die Zeit bis 1945.
Um die Jahrhundertwende etablierten sich Berlin und Umgebung als Werftzentrum, die norddeutsche Ehre rettete die Bremer Gegend mit Werften wie Rasmussen, Lürssen, die Vertens & Co oder Roland. Während sich die Bremer in ihrer Werbung eher hanseatisch zurückhaltend gaben, traten die Berliner weniger vornehm auf.
So warb die Spreewerft mit „Medas-Boote sind bekannt als erstklassige Fabrikate“, und die Siegfried-Werft versprach, „Spezialist für Motorboote aller Art“ zu sein. Zu den erfolgreichen Werftgründern zählten die Gebrüder Engelbrecht in Berlin-Köpenick, die vorwiegend sogenannte Salon-Motoryachten bauten. Die Mini-Vorläufer der heutigen Megayachten, wenn man so will.
Man verkaufte Einzelstücke nach Kundenwunsch, weil eine Massenbewegung wie in den USA fehlte. Die Kunden waren vor allem betuchte Leute, die ein Statussymbol spazieren fahren wollten. Der Kaiser war Vorbild. Demzufolge galten die ersten deutschen Motorbootclubs als elitär. Allen voran der erste 1907 von Wilhelm II. geförderte und noch heute bestehende Motoryacht-Club von Deutschland in Berlin, der als Zeichen seiner Alleinstellung später per kaiserlicher Kabinettsorder im schwarz-weiß-roten Clubwimpel ein goldenes Krönchen führen durfte.
Das verpflichtet, versteht sich. So residierten im Vorstand Vizeadmiral Exzellenz Aschenborn und Adalbert Graf von Sierstorpff. Zum offiziellen Repräsentanten-Ausschuss gehörte übrigens auch Paul Daimler, ältester Sohn Gottlieb Daimlers, bis 1922 technischer Leiter der Daimler- Motoren-Gesellschaft Berlin-Marienfelde.
Einer der seinerzeit maßgebenden Konstrukteure hieß Artur Tiller, der in seinem „Handbuch des Wassersports“ den Einzelyachtbau so beschrieb: „Der Konstrukteur muß bei jedem neuen Entwurf die verschiedensten Anforderungen des Auftraggebers vorsichtig gegeneinander abwägen.“
An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass eine große Mannigfaltigkeit der Bootsentwürfe die „Weltmeere“ beherschte. Von Serienfertigung à la Chris-Craft keine Spur. Im Design taten sich keine gravierenden Unterschiede zu amerikanischen Entwürfen auf.
Offene Sportboote, in Amerika als „Runabouts“ bezeichnet, hatten in der Regel zwei getrennte Sitzeinheiten. Eine vorn mit dem Steuerstand und eine ganz achtern hinter dem mittschiffs eingebauten Motor. Halb- und gedeckte Motorkreuzer, entfernt vergleichbar mit heutigen Kajütbooten.
Das halb gedeckte Boot mit festem Vordeck wurde als Autoboot angeboten. Besaß es ein Klappverdeck und versenkbare Seitenfenster, war es ein „Yacht-Cabriolet“. Nochmals weiterentwickelt, lief der Verkauf unter „Yacht-Limousine“. Ein Bootstyp in Deutschland mit Kajüte, die allerdings nicht, wie heute üblich, zum Wohnen und Schlafen, sondern für kürzere Pläsir-Fahrten bestimmt war.
Eine Design-Zäsur brachte das Ende des 1. Weltkrieges. Jetzt mauserten sich die eher hässlichen Gondeln zu vorzeigbaren Schiffchen. Der Backdecker löste den kastenförmigen Kajütaufbau ab. Die Kajüte steckte nun unter dem hochgezogenen Vordeck, Backdeck genannt. Alles Boote, die heute noch vielfach bei Oldtimer-Treffen zu sehen sind. In zwei Weltkriegen ging jedoch die stolze deutsche Freizeiflotte größtenteils unter.
Zwischen 1914 bis 1918 dienten große Yachten zwangsweise als „Hilfskreuzer“. Im 2. Weltkrieg requirierte die Wehrmacht Motorboote und zwang deutsche Werften mit dem Bootsbau auf den Kriegspfad. So Claus Engelbrecht, der zum Torpedoschiffbau verdonnert wurde, oder Max Schönherr, der Rettungsboote für die Kriegsmarine bauen sollte.
Auch die süddeutsche Rambeck-Werft blieb nicht verschont – das Oberkommando des Heeres gab unter anderem 150 Sturmboote „in Auftrag“.In den USA hatten die Werften ebenso Stress. In vorderster Linie „kämpfte“, wie könnte es anders sein, die größte Landeswerft an der Heimatfront.
Chris-Craft baute vor allem sogenannte „Army Command Boats“, „Air Rescue Boats“ und Landungsboote. Diese LCVR (Landing Craft Vehicle Ramp) kamen auch 1944 an der Normandieküste zum Einsatz. Im Gegensatz zu deutschen Bootsbauern durfte Chris-Craft aber nebenher weiterhin an seiner Freizeitflotte basteln: 1940 entstand der 25-Fuß-Sportsman, 1941 drei Runabouts, in Anlehnung an die Kriegslage mit „Torpedo-Bug-Design“ auch ein 16-Fuß-Hydroplane.
TEIL 4 folgt. Die ganze Reportage können Sie aber schon jetzt in der aktuellen Juli-Ausgabe von BOOTE lesen, die es jetzt am Kiosk gibt.