Ralf Marquard
· 12.03.2015
Balt 818 Titanium: ein Halbgleiter aus Polen, mit dem vierköpfige Familien oder zwei Pärchen auf Entdeckungsreisen gehen – abseits des Mainstream.
Nicht dem Mainstream folgen, scheint das Credo der Balt-Werft zu sein, denn unser Testboot, die Balt 818, besitzt schon ein ganz eigenwilliges Aussehen mit ihrem Spezial-Hardtop. Ein weiterer Exot, der aus den Werfthallen von Balt kommt, ist die Suncamper 30 (siehe dazu Boote 03/12). Auch ein Boot, das sehr für die praktischen Dinge des Bordlebens und eine größere Crew kon-struiert wurde.
Übertragen auf die Titanium heißt das: sechs Kojen, eine Nasszelle, ein Pantryblock, große Seitenfenster, ein überdachtes Cockpit, eine geteilte Badeplattform, Sonnendeck auf dem Bug, unterschiedlich breite Seitendecks und mit Langschaftaußenborder frei zu motorisieren.
Fahren und Manövrieren
Theoretisch ist damit auch eine führerscheinfreie 15-PS-Version möglich, in diesem Fall darf das Fahrgebiet jedoch nicht zu ruppig und von kräftiger Strömung beeinflusst werden, da keine Reserveleistung zur Verfügung steht. Unser Testboot rüstet der Händler mit einem 40 PS-Mercury–Außenborder aus, der in kritischen Situationen und auf Langstrecken mehr Power zur Verfügung stellt. Er schafft es jedoch nicht, die Balt in den Halbgleiterbereich zu bringen und damit in eine flottere Gangart zu schalten. Die Werft em-pfiehlt als schnelle Fahrt 13,5 kn, die man mit einem größeren Motor erreicht. Em-pfohlen werden maximal 90 PS. Für unseren schwächeren Testmotor hat sich der Eigner jedoch bewusst entschieden, denn auf den Gewässern rund um Brandenburg – auf denen das Boot hauptsächlich unterwegs ist – darf man nicht schnell fahren.
Wer so gemütlich reist, möchte möglichst wenig Sprit verbrauchen, leise unterwegs sein und den Propeller so wählen, dass der Motor wenig dreht. Da ist jedoch bei unserer Testkombination (Motor/Propeller) übertrieben worden: Bei Vollgas erreichten wir maximal 4300 U/min, was viel zu gering ausfällt, denn Mercury rät zu mindestens 5500 U/min für den Vierzylindermotor. Auf Dauer ist der Motor damit überfordert. Das ist in etwa mit einem Auto zu vergleichen, das ständig im sechsten Gang den steilen Berg hochfährt.
Als wirtschaftliche Fahrt haben wir 6 kn bei 3000 U/min errechnet, was kurz unterhalb der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit liegt. Mit einer Tankladung ergibt sich eine Reichweite von 120 sm plus 15 % Reserve, das ist für diese Art von Boot wirklich beachtlich.
Proportional zur Geschwindigkeit verhält sich die Kursstabilität. Je schneller unser Testboot wird, desto stabiler wird auch die Fahrt. Am besten erstmal einpendeln lassen und dann nur wenig gegensteuern, damit man nicht übers Ziel hinausschießt. Dabei fällt auf, dass die Ruderanlage (nicht von der Werft installiert) etwas Spiel hat und man nicht besonders feinfühlig unterwegs ist. Das hat auch der Händler Tino Böttcher erkannt und will in diesem Punkt nachbessern.
Enge Wendekreise und direktes Umsteuerverhalten sind ein Garant für gutes Manövrieren. Wind hat jedoch spürbaren Einfluss auf die Manövrierfähigkeit, und das gegen Aufpreis erhältliche Bugstrahlruder auf der Balt 818 erweist sich als praktisches Zubehör. Schnelle Rückwärtsfahrt beendet ein luftschnappender Propeller um 3500 U/min. Schwellwasser hält sich dabei in Grenzen und läuft in keine Öffnung oder gar ins Cockpit. Unspektakulär verlaufen ebenfalls schnelle, enge Kurvenfahrten, bei denen sich die Balt Titanium mäßig auf die Kurvenaußenseite legt und sanft in die eigene Welle einschwingt.
Der Fahrer sitzt dabei auf einem gut gepolsterten Schalensitz, der sich in alle Richtungen verstellen lässt, und man somit immer eine optimale Sitzposition findet. Steuerrad und Schaltung hat er von dort gut im Griff. Für den Beifahrer bietet sich die längs zur Fahrtrichtung eingebaute Cockpitsitzbank an; Halt geben Reling und Scheibenrahmen.
Für eine gute Sicht nach vorn muss der Beifahrer seitlich am Kabinendach vorbeischauen oder sich strecken, um durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Letztere ist an den Unterseiten verschraubt und mit einem ausreichend großen Scheibenwischer auf der Fahrerseite ausgerüstet. Die Smartcraft-Motorinstrumente lassen sich in allen Fahrstellungen ungehindert ablesen. Wer den zusätzlich installierten Plotter hinter dem Lenkrad problemlos ablesen will, stellt sich am besten hin. Zum Einschalten von Lampen und Co. installiert die Werft gut erreichbare Wippschalter mit englischer Beschriftung.
Die dazugehörigen Batterien 2 x 100 Ah (Bordnetz) und 1 x 74 Ah (Starter) stehen in Kunststoffkästen mit stabilen Gurten. Gut erreichbare Hauptschalter und Sicherungen machen die 12-V-Anlage komplett. Landanschluss und Ladegerät bekommt man gegen Aufpreis. Alle drei Tanks sind im Boot sicher befestigt und ihre Leitungen sowie die gesamten Installationen ordentlich und fest verlegt. Einziges Manko: teilweise nur eine Schraubschelle an den Benzinschlauchanschlüssen.
Wohnen und Ausrüstung
Unterdeck befindet sich im Bug die größte Koje von allen, gefolgt von Unterflurkoje bis zur Salonkoje, die mit wenigen Hangdriffen aus der Sitzgruppe (vier Personen) entsteht. Diese hat jedoch Abmessungen, die nur für zwei Kinder ausreichend sind. Die Polster haben eine bequeme Festigkeit, es fehlt jedoch die Unterlüftung. Allen Crewmitgliedern muss außerdem klar sein, dass die Räume nur durch Vorhänge voneinander getrennt sind.
Die Pantry steht im lichtdurchfluteten Salon und besitzt eine für diesen Bootstyp gute Ausrüstung, genügend Stauraum und eine große Arbeitsfläche. Nach achtern schließt dann die Nasszelle mit Pump-WC (serienmäßig ohne Fäkalientank) und Waschecke an. Die Räumlichkeit bietet für eine 1,80 m große Person genügend Platz und ein Bullauge zum Lüften. Eine Dusche ist auf unserem Boot nicht installiert, aber wie der Warmwasserboiler problemlos mitzubestellen.
Eine Etage höher im Cockpit schützt das Hardtop vor zu viel Sonne oder Regen. Wer den Raum komplett abschließen möchte, muss für die Persenning-Seitenteile extra zahlen. Sonnenanbeter gehen auf das Vordeck und Badelustige auf die geteilte Plattform mit langer Leiter. Auf das Vordeck kommt man ganz bequem über das Steuerbord-Seitendeck, da dieses spürbar größer ausfällt als das an Backbord (0,28 m zu 0,12 m).
Antislipstrukturen geben hier ebenso Bewegungssicherheit wie die stabile Reling, deren Befestigungspunkte fachmännisch verstärkt sind. Überhaupt macht die Verarbeitung des Bootes rundum einen sehr ordentlichen Eindruck.
Vier Klampen spendiert die Werft serienmäßig – die besonders beim Einhandschleusen benötigten Mittelklampen auf unserem Boot gehören aber zur Sonderausstattung. Dass hier der Handfeuerlöscher und zwei elektrische Bilgenpumpen zur Ausstattung gehören, gefällt uns – auch das selbstlenzende Cockpit gibt zwar ein gewisses Maß an Sicherheit, bricht jedoch die Stromversorgung zusammen, hilft nur die Handlenzpumpe, die aber nicht zum Standard gehört. Wer das gesamte Paket auch auf der Straße bewegen möchte, benötigt noch mindestens einen 2,5-Tonnen-Trailer.
Fazit
Auf der Balt 818 Titanium haben vier Personen ordentlich Platz, um gemütliche Touren zu unternehmen. Allerdings sind die Räume nur durch Vorhänge voneinander getrennt, was die Privatsphäre einschränkt. Hervorzuheben ist die gute Verarbeitung ebenso wie das besondere Aussehen.
Werft: Balt-Yacht
Typbezeichnung: Balt 818 Titanium
CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 8,40 m
Breite: 2,70 m
Verdrängung: 1,80 t
Preis: 55.516,00 €