Bavaria Virtess 420 Fly

Peter Laessig

 · 11.05.2013

Bavaria Virtess 420 FlyFoto: Bavaria Yachtbau
Bavaria Virtess 420

Flybridge made in Germany: Mit der Virtess-Modellreihe steigt auch Bavaria aus Giebelstadt in diesen Markt ein – und die neue 420 macht Lust auf mehr.

Bavaria Virtess 420Foto: Bavaria Yachtbau
Bavaria Virtess 420
Test Bavaria Virtess 420 Fly
Foto: Werft

Wenn man die Entwicklung der Bavaria-Werft der letzten Jahre mitverfolgte, ist der Bau eines Flybridge-Bootes die logische Konsequenz. Noch nicht richtig auf dem Wasser, heimst die Virtess 420 Fly schon Preise ein, so den Nautical Design Award 2012, der jedes Jahr für das Boot mit dem innovativsten und anspruchsvollsten Design vergeben wird. Damit nicht genug, ist sie auch für den wichtigsten Preis der Branche, den European Powerboat of the Year 2012/13, nominiert.

Mutig präsentiert Bavaria der Öffentlichkeit zwei nahezu zeitgleich gebaute Vorserienmodelle. Dass man sich damit vorerst neben erhofftem Lob auch einiges an Kritik einfängt, ist Kalkül. Man sah jedoch die gesammelte Kritik als Chance zu Produktverbesserungen, die ab Baunummer 3 in die Serienproduktion fließen. Spannend und ungewöhnlich erscheint auch die Tatsache, dass Bavaria die Virtess 420 mit gleichen Rümpfen für IPS- und
Z-Antriebe baut. Daneben stehen drei Holzoptionen, zwei Sidepaneel-Farben, vier Fußbodenmaterialien und zwölf Polstervarianten zur Auswahl, die ganz nach Geschmack kombiniert werden können.

Ende Oktober 2012 testeten wir exklusiv die mit so viel Vorschusslorbeeren Bedachte, nämlich die Baunummer zwei im Oslofjord. Erster Eindruck: Die Proportionen stimmen. Wo Bavaria bislang eher etwas rund daherkommt, erscheint die Virtess 420 Fly insbesondere beim Rumpf ungewohnt schlank. Einmalig ist, dass man auf der Virtess 420 Fly das Cockpit komplett offen gestalten kann, wenn man die zweiteilige Sitzbank samt Tisch dort hin- und herschiebt. Darüber hinaus bildet die etwas abgesetzte Badeplattform samt Cockpit und Salon nahezu eine Ebene. Unauffällig und filigran fügt sich die Sambatreppe zur Flybridge ins Bild.

Nicht minder stark ist die Wahrnehmung, wenn man das Boot durch die verschiebbare Salonglastür betritt: an Backbord ein Sideboard mit anschließender Pantry, gegenüber L-Sitzbank mit elektrisch in der Höhe verstellbarem Tisch plus zwei Hocker, die zu Stühlen aufgeklappt werden können; vor der Sitzgruppe der erhobene Fahrstand. Genug Licht und Luft sorgen für ein Wohlfühlklima, nichts stört das Auge, alle Spaltmaße stimmen, die Holz- und Polsterarbeiten sind ohne Fehl und Tadel.

Über drei Stufen geht es hinunter in den Wohnbereich, in dem der Eigner in der Bugkabine logiert und dort über ein eigenes Bad mit Dusche und WC verfügt. Seitlich vom Niedergang, unter den eine Waschmaschine passt, geht es in die Unterflur-Gästekabinen. Beide Kabinen sind vom Grundriss annähernd gleich bemessen und verfügen über je zwei vollwertige Kojen. Während die Kojenmaße gleich groß ausfallen, unterscheiden sich die Stehhöhen. An Steuerbord steht es sich insgesamt bequemer als an Backbord, wo man sich auch mal bücken muss, um auf die innere Koje zu gelangen.

Zwischen Bug- und Backbordkabine ist das Tagesbad mit Dusche und WC untergebracht. Was die Räumlichkeiten angeht, fallen beide Bäder mehr als ordentlich aus, und in den Kabinen kommen keine Beklemmungen auf. Dass in Schränken, unter Kojen, in Schapps und unter dem Fußboden reichlich Stauraum angeboten wird, ist Bavaria-Standard.

Wir fahren das Testboot mit zwei Volvo Penta D6-370 mit Z-Antrieben und optionaler Joystick-Steuerung. Letztere lässt das Boot in alle Richtungen problemlos ma-növrieren. Aber auch nur mit den Schalthebeln allein plus Bugstrahlruder (Extra) gibt es keine Probleme. Laufen beide Motoren auf Knopfdruck synchron, ist der Geradeauslauf garantiert. Die langsamen Passagen fahren wir mit 6 kn, um die vom Boot erzeugten Wellen auf akzeptabler Höhe zu halten.

Ab 11 kn oder 2200/min beginnt das Testboot zu gleiten, um ab 2600/min oder 17 kn in schnelle Gleitfahrt überzugehen. Die Vertrimmung des Testbootes fällt beim Übergang gering aus, was der guten Voraussicht dient. Die Motoren drehen bei Vollgas 100/min mehr als der Hersteller erlaubt, was aber angesichts der geringen Beladung in Ordnung geht. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt etwas mehr als 32 kn. Wirtschaftlich ist man mit dem Testboot in schneller Gleitfahrt bei einem Tempo zwischen 24 bis 27 kn unterwegs, wenn beide Motoren 3000 bis 3200/min drehen.

Der Dieseltank fasst 1200 l, die in langsamer Fahrt für etwa 830 sm plus 15 % Reserve reichen. In schneller Gleitfahrt beträgt die theoretische Reichweite knapp 230 sm und bei Vollgas knapp 210 sm, bis man sich nach einer Bunkerstation umschauen muss, um die Reserve zu erhalten. Damit erfüllt das Testboot unsere Forderung von 270 sm Mindestreichweite nur, wenn die Reserve aufgezehrt wird. Lob und Kritik bekommt der Schalldruck: Während im Salon bei geschlossener Tür unser Testgerät bei Vollgas nicht mehr als 77 dB/A anzeigt, wird die 85-dB/A-Komfortgrenze im Cockpit bereits ab 3000/min überschritten. Das will die Werft durch weitere Dämmung verbessern.

Das Thema Extremmanöver ist schnell abgehakt, da nichts Extremes passiert, wenn man das Boot bei Höchstgeschwindigkeit traktiert. Lediglich auf der Slalomstrecke bringt man es ungefährlich über die Längsachse zum Pendeln, und bei Kurvenfahrten reduziert sich am Salonfahrstand die Seitensicht, da das Salondach ins Blickfeld schwingt. Mangels Rauwasser müssen eigene Wellen herhalten, die von der Virtess 420 Fly klaglos bewältigt werden.

An beiden Fahrständen gibt es nichts auszusetzen. Fahrer und Co. sitzen auf einer gemeinsamen, nicht verstellbaren Bank, die jeweils zur Bootsmitte keinen Seitenhalt bietet. Auf der Fly stört das weniger als am Salonfahrstand. Dafür ist ein Haltegriff passend angebracht. Am Salonfahrstand zählen Scheibenwischer und Defrosterdüsen zum Standard, was nicht nur in nördlichen Fahrgebieten punktet. Der Weg auf die Flybridge führt über eine bequem zu begehende Sambatreppe. Oben bieten Sitz- und Liegegelegenheiten, was das Herz begehrt. Dass es oben auch eine ordentlich ausgestattete Pantry gibt, ist selbstredend.

Der Motorraum unter dem Cockpitboden fällt geräumig aus, da bei der Version mit Z-Antrieb vor den Motoren reichlich Platz bleibt. Den Dieselfluss regulieren Magnetventile, und Alarmsensoren (Extra) in den Kraftstoffvorfiltern warnen bei Wasser im Diesel. Feuerlöschanlage, elektrische und Handlenzpumpen gehören zur Serie. – In der Virtess 420 Fly "herrscht die Elektronik". Das beginnt beim Multitouchscreen an den Fahrständen, geht über die Relais-gesteuerten Batteriehauptschalter bis hin zur künftigen Überwachung des Bootes von zu Hause aus.

Fast alles von uns Kritisierte stand oder steht auf der "Noch-zu-tun-Liste" der Werft. Es sind eher Kleinigkeiten, wie beispielsweise der eine oder andere fehlende Handlauf, Verlegung von Kabeln und Rohren im Motorraum, Zugang zu Letzterem über die Leiter. Bavaria bietet die Virtess 420 Fly fahrfertig an und offeriert neben der Standardversion noch die Ausstattungspakete "Basis", "Advanced", "Nord" und "Süd".

Fazit: Das Boot ist gespickt mit praktischen Ideen und innovativen Lösungen, die alle aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Die Virtess 420 Fly hat das Zeug zum absoluten Klassenprimus, wenn die Werft es schafft, kleine Anfangsprobleme in den Griff zu bekommen.

Datenblatt: Bavaria Virtess 420 Fly

Werft: Bavaria GmbH

Typbezeichnung: Bavaria Virtess 420 Fly

CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern

Material von Rumpf und Deck: Kunststoff

Länge: 12,39 m

Breite: 4,21 m

Verdrängung: 11,40 t

Preis: 355.810,00 €