Ralf Marquard
· 26.01.2014
Brioni 44: Das Boot mit dem „gewissen Etwas“ zeigt sich formschön und mit schickem Interieur. Wir fuhren sie auf dem Rhein in der Nähe von Worms.
Am Anfang stand der in einer Interessengemeinschaft von Skippern mit Erfahrung gewachsene Wunsch nach einem "perfekten Boot". Da dieses nicht so einfach zu finden war, entstand der Gedanke, selber eines konstruieren, und bauen zu lassen. Dafür holte man sich einen Bootsbauarchitekten mit über 25-jähriger Erfahrung. Herausgekommen ist die Brioni 44, eine Yacht mit harmonischen Formen und vielen interessanten Detaillösungen.
Unter Deck ist sie in drei Kabinen aufgeteilt: Es gibt den Salon mitFahrstand sowie eine Bugkabine mit Doppelbett und die Unterflurkabine, die man in zwei unterschiedlichen Ausführungen mit zwei oder drei Kojen bekommt. Wir fuhren die Dreier-Version mit Doppelbett und Einzelkoje, wobei man Letztere mehr als Sofa bezeichnen kann, das sich gut für Pausen oder Lesestunden nutzen lässt.
Ein besonderer Clou ist der Blick von der Doppelkoje aus: In der Niedergangstreppe vom Salon in den unteren Schlafbereich baute die Werft Scheiben ein, die gemeinsam mit einem Spiegel in der Bugkabine die Sicht Richtung Cockpit ermöglichen. Direkt in den Fußraum des Salons schaut man durch drei Scheiben, die seitlich oberhalb der Doppelkojen installiert sind. Dreigeteilt fällt die Stehhöhe der Mittelkabine aus. Im Eingangsbereich beträgt sie gut 2,00 m, im Bereich der Einzelkoje hat man etwa 1,33 m und direkt über der Doppelkoje noch um 1,00 m Kopffreiheit. Man muss also in die Kojen klettern. Wer drin ist, will sie nicht mehr missen, denn die Plätzchen sind urgemütlich. Dazu tragen unterlüftete, feste Polster und ein angenehmes Ambiente bei.
Letzteres gilt auch für die Bugkabine, in der man über den gesamten Bereich eine Stehhöhe von 1,92 m findet. Den Einstieg ins Bett erleichtert pro Seite eine Stufe. Besonderes Highlight sind hier drei Fenster (mit Mückennetz und Jalousie) in der Decke, die die Kabine mit Licht durchfluten und für guten Luftaustausch sorgen. Staumöglichkeiten gibt es praktisch verteilt und gut erreichbar im gesamten Boot.
Begeistern kann auch die Nasszelle mit ihrem frischen Aussehen, interessanter Beleuchtung und einer großzügigen Aufteilung. Ausgerüstet hat man sie mit elektrischem Pump-WC, Waschbecken und Duschecke (mit Vorhang getrennt). Zu kritisieren ist eine störende Stufe im Fußbereich der Toilette.
Im Salon erwartet die Fahrgemeinschaft eine gemütliche Sitzecke mit Couchtisch, für die Unterhaltung sorgt ein Entertainmentcenter mit Audio-/Videoanlage und Fernseher. Gegessen wird vorzugsweise im Cockpit an einem großen Tisch, der sich für den Umbau in eine Sonnenliege (zusammen mit der Heckbank) absenken lässt. Weitere Sitzmöglichkeiten bieten drei freistehende Hocker. Zum Zubereiten der Speisen bleibt man ebenfalls im Cockpit. An Backbord steht ein Pantryblock mit 2-Platten-Induktionsfeld, mittelgroßer Spüle, reichlich Staumöglichkeiten und, als besonderes Bonbon, einer DeLonghi-Kaffeemaschine. Im Rücken des Smutje brachte die Werft einen Kühl- und einen Gefrierschrank sowie weiteren Stauraum unter.
Hauptsächlich findet somit das Bordleben im Cockpit statt. Wer in unseren Breiten unterwegs ist, muss auch mal mit "Schietwetter" und kühlen Temperaturen rechnen. Dann ist ein Kabrioverdeck, das den gesamten Cockpitbereich in ein gemütliches Wohnzimmer wandelt, ein Muss. Manko: Verdeck und Heizung stehen, wie auch eine Klimaanlage für südliche Reviere, auf der Zubehörliste.
Für ein erfrischendes Bad spendiert die Werft eine riesige Badeplattform, deren Leiter sich von allen Seiten perfekt bedienen lässt. Danach lädt eine Heckdusche zum Abbrausen ein. Wer sich im Bug entspannt sonnen möchte, kauft gegen Aufpreis eine Polsterauflage fürs Vordeck. Der Weg dorthin führt über ein rutschfestes Seitendeck mit solider Reling. Im Cockpit und auf der Badeplattform überzeugen ebenfalls rutschfeste Strukturen.
Nicht überzeugen können uns dagegen die offenen Heckeingänge, die, besonders für Kinder, eine große Gefahr sind. Pluspunkte bekommen die Feuerlöschanlage im Motorraum und drei elektrische Bilgenpumpen sowie eine Handlenzpumpe.
Positiv zu beurteilen sind außerdem die Fahreigenschaften des Bootes. Mitverantwortlich dafür ist Volvo Pentas IPS-Antrieb, der es beispielsweise nicht erlaubt, schnelle Kurven zu eng zu fahren: je höher das Tempo, desto größer der Radius. Slalomkurse und abrupte Lenkbewegungen nimmt die Brioni 44 leichtfüßig sicher fahrend hin. Die exakte Lenkung dreht man in allen Situationen kinderleicht.
Zeigen die Hebel der beiden Volvos ganz nach vorn, gleitet das Boot mit fast 40 kn übers Wasser. Nicht gerade die sparsamste Variante, dennoch kommt man bei einem Spritverbrauch von 4,33 l/sm mit dem 1500-l-Tank um die 300 sm weit, plus 15 % Reserve. Als Marschfahrt empfiehlt sich eine Geschwindigkeit um 23 kn (2500/min), wenn die Diesel zusammen knapp 3 l/sm benötigen und die Reichweite bei respektablen 430 sm liegt.
Damit die Brioni immer in der besten Lage bleibt, installiert die Werft Trimmklappen, die man für eine bessere Voraussicht in der Übergangsphase von Verdränger- in Gleitfahrt benötigt. Außerdem ist deren Einsatz für die langsameren Gleitgeschwindigkeiten von Vorteil, da das Testboot die Nase erst mit mehr Speed selbstständig wieder herunternimmt.
Über Rhein-Wellen läuft der Rumpf ohne harte Schläge problemlos; Spritzwasser wird weit abgewiesen. Ebenso stressfrei gestalten sich Hafenmanöver mit dem IPS-Joystick-System. Auch langsame Verdrängerfahrt ist so möglich, die meisten Skipper fahren jedoch schon aus Gewohnheit mit der normalen Schaltung und herkömmlichen Ruderanlage.
Platz findet der Fahrer im Salon auf einem stramm gepolsterten Sportsitz mit Armlehnen, für die Fahrt im Stehen am hochklappbaren Sitzteil. Verstellmöglichkeiten sind in alle Richtungen vorhanden. Doch reicht die Höhenverstellung für einen 1,80 m großen Fahrer nicht aus, die Füße auf den Boden zu stellen, sie baumeln in der Luft. Der "Bodenkontaktliebhaber" fährt also im Stehen, was außerdem die Dominanz der Armaturentafel
im Sichtfeld verringert. Seitlich und nach achtern blickt man durch große Scheiben.
Instrumente liest der Fahrer uneingeschränkt ab, die Bedienelemente erreicht er passabel. Dazu gehört auch die elektronische Doppel-Einhebelschaltung, mit der IPS und Motoren gesteuert werden, die auf soliden Fundamenten stehen. Man erreicht die beiden Volvos über eine geteilte, große Klappe im Cockpitboden.
Serviceleute finden dort reichlich Platz für ihre Arbeit sowie fest und übersichtlich ausgeführte Installationen. Besonders zu erwähnen sind die beiden Bakterienfilter, die vor den normalen Reinigungspatronen von Volvo Penta sitzen. Elektronisch und manuell zu bedienende Hauptschalter sowie einfach zu erreichende Automaten runden das gute Bild der Technik ab.
Die Verarbeitung zeigt sich insgesamt ordentlich. Zu den kleinen Fehlern gehören die teilweise unsauberen Silikonnähte und der fehlende Schutzanstrich an schwer zugänglichen Innenseiten. Apropos Schutz: Wer ohne Fender anlegt oder "den Dalben küsst", ist vor Schrammen nicht gefeit; denn es gibt, bis auf den überstehenden Seitendeckbelag (Teak), keine Scheuerleiste.
Fazit: Die Brioni 44 zeigt viele praktische Details und besitzt damit das "gewisse Etwas". Vier Personen reisen mit ihr gut und komfortabel.
Werft: Vanga Yachts
Typbezeichnung: Brioni 44
CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 13,51 m
Breite: 3,93 m
Verdrängung: 8,70 t
Preis: 712.334,00 €