Erich Bogadtke
· 02.03.2014
Comitti Venezia 28 Sport: Bei ihrer Ausstattung nimmt sich die Werft den weltgrößten Automobilhersteller zum Vorbild: „Nichts ist unmöglich.“
Das ist doch ’ne Riva aus Kunststoff – oder? Wer sich wie Comitti von den Klassikern aus Sarnico inspirieren lässt, darf sich nicht wundern. Auch wenn die hundertfach gestellte Frage nach der Herkunft die Comitti-Macher hin und wieder nervt, ein bisschen schmeichelt es auch dem Ego, ständig mit den Bootsbau- Künstlern vom Lago d’Iseo "verwechselt" zu werden.
Elegante Formen, ein flaches Vordeck, eine in Edelstahl gerahmte Windschutzscheibe, ein tiefes Cockpit und eine bequeme Sonnenliege, alles wie früher. Denkste! Weil alles irgendwo auch noch bezahlbarsein muss, baut Comitti mit Ausnahme der Wooden Line (6,50 und 7,50 m) seine Schönheiten aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Mahagoni und Teak gibt es bei der Venezia 28 Sport nur als Möbel, schicke Applikation und auf der Badeplattform und dem Cockpitboden.
Egal welches Material die Bootsbauer in die Hand nehmen, die Verarbeitung ist in jedem Fall exzellent. Dass man in Como im 21. Jahrhundert angekommen ist, zeigt sich in der Gestaltung des Unterwasserschiffes und des Antriebes. Flacher Boden und Wellenanlage, das war einmal. Wer auch im Rauwasser schnell, komfortabel und wirt-schaftlich unterwegs sein will, braucht einen Rumpf mit tiefem V-Spant und Sprayrails, leistungsstarke, elektronisch geregelte Motoren und Z-Antriebe mit Doppelpropeller. Die Venezia 28 Sport hat all das im Angebot.
Auch wenn die nicht gerade lange Liste der Standardausrüstung etwas anderes vermuten lässt, bei der Ausstattung nimmt man sich den weltgrößten Automobil-hersteller zum Vorbild: "Nichts ist unmöglich." Die Crux ist nur, dass sich die italienischen Bootsbauer ihre Flexibilität gut bezahlen lassen. Wie auch immer, die mit einem starken Schlepper – 3,5 t Anhängelast sollten es schon sein – problemlos trailerbare Venezia 28 präsentiert sich im Test als ein erstklassig verarbeiteter Klassiker, an dem nicht nur Wasserskiläufer und Sonnenanbeter ihre Freude haben. Ist es einmal spät geworden, bietet die Schlupfkabine ausreichenden Komfort für eine Übernachtung.
Fahren und Manövrieren
Wer schafft, braucht Kraft. Das gilt auch für die Motoren der Venezia 28. Im Angebot sind fünf großvolumige V-8-Benziner (320 bis 425 PS) und zwei Turbodiesel (270 und 300 PS), die ihre sechs Zylinder in Reihe stellen. Leistungsprimus und unser Testmotor ist MerCruisers 496 MPI HO. High-Output (HO) sind 425 PS, die von den aus Edelstahl gefertigten Doppelpropellern des Bravo-Three-Antriebes in Schub verwandelt werden. Der "Hohe Ausstoß" macht die Test-Venezia im Volllastbereich 47,8 kn schnell. Respekt!
Dabei sind die erreichten 4600/min ein Indiz dafür, dass die montierten 28er-Props eine Nummer zu groß sind. Weniger Steigung wird nicht unbedingt den Speed, wohl aber die ohnehin schon beeindruckende Beschleunigung verbessern. Vorausgesetzt die Trimmposition des Z-Antriebes stimmt. Zu viel davon (Antrieb zu weit angehoben) lässt den Bug stark ansteigen und macht damit den Übergang zur Gleitfahrt zum Blindflug. Richtig getrimmt (Antrieb down) geht es mit Weitblick zügig voran und ohne Propellerventilation durch enge Kurven und Kreise.
Dabei legt sich das Boot richtig auf die Seite, zeigt aber selbst bei Tempo 40 (kn) keine Tendenz zum Einkaken oder Aufschaukeln. Das Gefühl der Sicherheit wird nicht nur in diesen Situationen durch die superleichte und dennoch direkte Servolenkung verstärkt. Da können die straff gepolsterten Sitze für Fahrer und Beifahrer wegen des fehlenden Seitenhalts nicht mithalten.
Den "Kreisverkehr" im Hafen und Verdrängerfahrt meistert die Venezia mit Bravour. Soll heißen, sie dreht auf engstem Raum, lässt sich auch in Rückwärtsfahrt direkt umsteuern und läuft selbst mit kleinen Geschwindigkeiten ohne große Heckwelle stur geradeaus. Lob, weil komfortabel und sicher, verdienen auch MerCruisers elektrische Getriebeschaltung und die aufstellbare Sitzfläche, die den Fahrer beim Manövrieren bequem stehen lässt.
Im Rauwasser steht man, wenn überhaupt, nur auf Gegenwindkursen, wo Spritzwasser das leicht getönte Sicherheitsglas der stabilen Scheibe und der fehlende Scheibenwischer die Sache un-durchsichtig machen. Seegang, jedenfalls der bei drei Beaufort auf der Ostsee, ist kein Problem. Der stark aufgekimmte Rumpf läuft jederzeit kursstabil und setzt auch bei 40 kn weich ein.
Wo es langgeht, wie der Motor drauf ist und ob der Sprit noch bis zur nächsten Tankstelle reicht, kann der Skipper auf dem mit Rundinstrumenten und einem Touchscreen – der auch Schalterfunktionen übernimmt – ausgestatteten Armaturenbrett ablesen. Vorab sollte er jedoch wissen, dass im Volllastbereich zwischen Start und Tankstopp gerade mal 86 sm liegen. Klar, Kraft kommt von Kraftstoff. Vom Letztgenannten verbraucht der
8,1-l-V-8 in wirtschaftlicher Marschfahrt mit knapp 30 kn immerhin 1,77 l/sm. Berücksichtigt man 15 % des Tankinhalts als Reserve, kann der Skipper mit einer Reichweite von 134 sm planen, womit die Venezia mit dem großen Achtzylinder unter dem festgelegten Klassen-Standard (150 sm) der BOOTE-Tester liegt.
Motor, Tank, Elektrik
Dass sich der V-8er an seinem Arbeitsplatz dennoch wohlfühlt, liegt am guten "Betriebsklima". Der Motorraum ist, wie die Messergebnisse zeigen, gut belüftet und mit einem selbstverlöschenden Schaumstoff ausreichend schallisoliert. Hinzu kommt, dass es genügend Raum für Service und solide Fundamente gibt und Schläuche, Kabel und Bowdenzüge ordentlich verlegt sind.
Pluspunkte der Tankinstallation: der verarbeitete Edelstahl, Absperrhahn mit Fernbedienung, Inspektionsluk, Potenzialausgleich, ein Filter mit integriertem Wasserabscheider und Schlauchschellen im Doppelpack. Die Devise "Doppelt hält länger" gilt auch für die beiden 100-Ah-Akkus. Starter- und Bordstromkreis werden durch Dioden getrennt und über einen gut zugänglichen Hauptschalter aus- und eingeschaltet.
Sicherheit
Neben den Fahreigenschaften erfüllen das Cockpit mit rutschfestem Boden, Badeplattform mit Leiter, Fluchtluk, Motorraumgebläse, Handfeuerlöscher und die Löschanlage im Motorraum die Ansprüche der Tester. Kritisiert werden die Lenzeinrichtungen, die ohne Handlenzpumpe keinen ausreichenden Schutz bieten, das glatte, schwer zugängliche Vordeck, die fehlenden Haltegriffe (sollen ab sofort in Serie gehen) und die Positionslaternen ohne deutsche Zulassung.
Cockpit, Wohnen, Ausrüstung
Das in der Wegerung mit Kunstleder sauber ausgekleidete Cockpit bietet Raum für den Fahrstand, zwei Einzelsitze und eine gut gepolsterte Hecksitzbank, deren Konsole als großer Stauraum genutzt wird. Sonnenanbeter finden ihren Platz über dem Motorraum. Wer hingegen lieber im Schatten liegt, entdeckt in der Schlupf-kabine unter dem Vordeck eine V-Koje ohne Unterlüftung sowie einen kleinen, unterteilten Schrank, zwei Ablagen und an den Wänden das gleiche Kunstleder wie im Cockpit.
Sie wollen mehr als fünf solide Belegklampen, sechs Fenderösen, eine robuste Scheuerleiste aus Edelstahl, einen Steckmast und ein Bimini-Top? Unter der Überschrift "Sonderausstattung" gibt es schöne Dinge wie Kabrioverdeck, Hafenpersenning, Anker und Winde, Kühlschrank, ein elektrisches WC sowie eine Heckdusche. Sie erinnern sich gewiss: Nichts ist unmöglich.
Die Werft sagt...
Die trailerbare Venezia 28 Sport ist ein sportives Runabout in zeitloser Eleganz, gepaart mit moderner Technik. Die komplette Fertigung in meisterlicher Handarbeit und mit Liebe zum Detail ermöglicht individuelle Ausstattungswünsche, fernab der Standardoptionen. Sichere Fahreigenschaften und hervorragende Rauwassereignung garantieren trockenes Fahren auch beim Einsatz in Küstennähe.
BOOTE sagt...
Wenn es um Trailern, Eleganz und Fahreigenschaften geht, stimmen wir der Werft zu, auch wenn Rauwassertörns nicht immer trocken sind. In jedem Fall ist die Venezia 28 ein erstklassig verarbeiteter Daycruiser
mit sportlichem Charakter. Ob man als Retro-Liebhaber ein glattes, schwer erreichbares Vordeck akzeptieren muss, ist die Frage. Fakt ist, wer eine komplette Ausstattung haben will, muss Aufpreis zahlen.
Werft: Comitti SpA
Typbezeichnung: Comitti Venezia 28 Sport
CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 8,70 m
Breite: 2,49 m
Verdrängung: 2,45 t
Preis: 181.730,00 €