Ralf Marquard
· 15.09.2022
Der Daycruiser bietet der Crew nicht nur ausgewogenen Fahrspaß, sondern auch noch reichlich Platz zum Relaxen, sowohl unter Deck als auch an der frischen Luft
Neben der Neuentwicklung von Booten gehört natürlich auch die stetige Weiterentwicklung der verschiedenen Bootstypen zu den Aufgaben einer Werft. So auch bei unserem Testboot, einer Sun Cruiser 730 aus dem Haus Atlantic Marine. Die polnische Werft hat beispielsweise die seitlichen Fenster und Bullaugen auf den neusten Stand gebracht; auch das Cockpit wurde im Vergleich zum vorherigen Modell (BOOTE 10/14) vergrößert, und eine U-Bank (mit seitlichen Klapppolstern) hat Einzug gehalten. Außerdem wurde der Leistungsbereich erhöht: So darf jetzt ein 350-PS-Mercury anstatt des vorher maximal zulässigen 300-PS-Außenborders installiert werden.
Wir fahren die Sun Cruiser 730 mit einem 250-PS-Honda. Er sitzt fest verbolzt am soliden Spiegel und beschleunigt das Testboot maximal auf gut 40 kn. In der Beschleunigungsphase zwischen Verdränger- und Gleitfahrt (ab 2000 bis gut 3000 U/min) benötigt das Gespann nur wenige Sekunden, der Bug hebt sich dabei an – die Sicht bleibt aber trotzdem recht gut erhalten. Gute Gleitfahrt macht das Testboot ab etwa 3500 U/min. Hier liegt nach Auswertung unserer Testergebnisse auch die wirtschaftlichste Gleitfahrt. Bei einem Verbrauch von 1,52 l/sm errechnet sich eine Reichweite von 145 sm plus 15 % Reserve. Ein Wert, der dem BOOTE-Standard entspricht. Vollgaspiloten haben rein theoretisch einen Aktionsradius von 106 sm, bevor es an die Reserve geht.
Testrevier war die Ostsee, die sich am Testtag mit kleinen Kabbelwellen zeigte. Diese „bügelt“ der Rumpf mit Vollgas problemlos weg, das Boot setzt weich ein, und Spritzwasser wird weit abgewiesen. Fährt man eine enge, schnelle Kurve (Powertrimm down), zieht der Rumpf spurtreu seine Runden und zeigt keinerlei Anzeichen von Einhaken oder Schaukeln. Die Fahrt beendet dann der luftschnappende Propeller, was mit getrimmtem Außenborder noch spürbar früher passiert. Dann heißt die Devise: kurz Gas wegnehmen und neu anfahren. Auf dem Slalomkurs schwingt das Testboot sicher und immer kontrollierbar über die Längsachse. Bei abrupten Lenkbewegungen setzt das Heck weich ein, und die Sun Cruiser fährt ohne Nachschwingen kursstabil weiter. Die Hydrauliklenkung erledigt in allen Situationen einen guten Dienst. Ergo: sehr sichere und gute Fahreigenschaften.
Die Motorleistung von 250 PS eignet sich ebenfalls für den Spaß hinter dem Boot, etwa Wakeboarden. Praktisch: Zum Einhängen der Zugleine sitzt auf unserem Testboot ein optionaler Wasserskizugbügel. Geht es auf den Kanal oder andere langsam zu fahrende Reviere, läuft der Rumpf recht ordentlich geradeaus, und der Kurs muss nur wenig korrigiert werden. Gewichtsverlagerungen von einer Person haben nur mäßigen Einfluss auf die Kursstabilität. Hafenmanöver? Direktes Umsteuerverhalten und enge Wendekreise garantieren eine gute Manövrierfähigkeit.
Weitere Hilfe und Sicherheit gibt auf unserem Testboot das optionale Bugstrahlruder. Die Steuerung besteht aus Sportlenkrad und leichtgängiger Hydraulikeinheit. Ebenfalls leichtgängig und exakt: die elektronische Schaltung von Honda. Als Instrumentierung installiert der deutsche Importeur auf dem Testboot Honda-Display, Tankanzeige und einen Garmin-Plotter (Aufpreis). Die elektrischen Verbraucher schaltet man über gut positionierte Druckschalter mit Leuchtkranz (Kontrollfunktion).
Geschützt wird die Fahrgemeinschaft von einer leicht getönten Kunststoffscheibe, die ein Handlauf umrahmt. Der Fahrer findet seinen Platz auf einem gut gepolsterten Schalensitz, der einen super Seitenhalt bietet. Er lässt sich in alle Richtungen verstellen und bietet dem Skipper alle Möglichkeiten, eine gute Sitzpostion zu finden. Der vordere Teil der Sitzfläche ist klappbar und ermöglicht damit auch das bequeme Fahren im Stehen – oder auf dem Polster hockend. Identischen Sportsitz hat der Beifahrer auf seiner Seite. Beide Sitze lassen sich aufgrund ihrer Drehbarkeit kinderleicht in die Sitzecke im Cockpit integrieren.
Eine weitere Lösung (Standardausführung): Anstelle der zwei Sportsitze wird ein Leaning-Post installiert, unter dem sich eine kleine Pantry befindet. Sie ist mit Spülbecken, 1-Flammen-Kocher und Stauraum ausgerüstet. Ein optionaler Kühlschrank lässt sich im großen Schrank in der Kabine (gleich im Eingangsbereich) unterbringen. Gegenüber ist eine Nasszelle untergebracht, die mit Chemietoilette (Marine-WC gibt es als Option), Waschbecken und Duschschlauch sowie Bodenablauf gut ausgerüstet ist. Die lichte Höhe im Eingangsbereich beträgt etwa 1,36 m und über der Toilette um die 0,84 m. Gelüftet wird der Raum über ein Bullauge. Gleiche Lüftungsmöglichkeit gibt es an beiden Seiten in der Bugkabine, deren Sitzeinheit man mithilfe des absenkbaren Tischs und eines Einlegepolsters in eine Doppelkoje wandelt.
Die Zeit im Freien verbringt die Fahrgemeinschaft im geräumigen Cockpit oder auf der bequemen Kingsize-Sonnenliege auf dem Vordeck. Wie bereits erwähnt, lässt sich auch im Heck eine Sonnenliege bauen. An Backbord ist der Durchgang zur geteilten Badeplattform. Das Sitzpolster der Bank lässt sich hier ruck, zuck hochklappen, damit man beim Ein- und Aussteigen nicht immer auf das Polster treten muss. Im Durchgangsbereich ist auch die Heckdusche in die Seitenwand eingelassen, und am Ende der Plattform schließt sich die 4-Stufen-Badeleiter an, die man vom Wasser aus recht gut ausklappen kann. Um sicher aufs Vordeck zu gelangen, nimmt man am besten die Backbordseite, da dort das Seitendeck spürbar breiter ausfällt als auf der anderen Seite. Bewegungssicherheit geben an Bord rutschfeste Bodenstrukturen, Handläufe und Reling. Zur serienmäßige Sicherheitsausrüstung gehören Feuerlöscher (in die Seitenwand eingelassen) und zwei elektrische Lenzpumpen. Die Handlenzpumpe und der Analogkompass gehören dagegen nicht zur Standardausrüstung. Die Tankanlage macht mit Spritfilter und Absperrhahn einen genauso guten Eindruck wie die elektrischen Komponenten mit geschütztem, aber dennoch gut erreichbarem Sicherungskasten, Wahlschalter (in einem eingelassenen Kasten an der Heckbank) und die gut verzurrten Batterien in Kunststoffkästen unter der Heckbank. Gleiches fachmännisches Können zeigen die Bootsbauer bei der Kunststoff-, Polster- und Möbelverarbeitung.
Die Atlantic Marine Sun Cruiser 730 zeigt mit der Testmotorisierung ausgewogenen Fahreigenschaften. Sie kann zwei Personen gut beherbergen. Für gemütliche Zeiten an der frischen Luft mit der Familie oder Freunden bieten sich das Cockpit und das komplett gepolsterte Vordeck an.