Ralf Marquard
· 17.11.2011
Pegazus Escapade 600: Einsteiger-Kajütboot mit einer ganz besonderen Dachkonstruktion. Gefahren haben wir das Testboot auf dem polnischen Necko-See.
Hardtops haben in der Regel den Sinn, die Fahrgemeinschaft vor schlechtem Wetter oder übermäßiger Sonneneinstrahlung zu schützen. Aufgaben, die das Dach unseres Testbootes Escapade 600 auch übernimmt, doch hat der Konstrukteur Jaroslaw Zywalewski ihm noch eine weitere zugedacht: das Sonnenbaden.
Für das Dach gibt es ein Sonnenpolster, auf dem sich zwei Personen bequem niederlassen können, für Halt sorgt eine halbumlaufende Reling. Mit dieser Haltemöglichkeit können sich dort oben sogar Personen während der Fahrt aufhalten, so der Konstrukteur. Eine Lösung, die wir kritisch sehen, auf jeden Fall sind Schwimmwesten zu empfehlen. Unsere Testbesatzung fühlte sich nach eigenen Angaben indes „wohl und sicher“.
Fürs sonstige „Dasein an der frischen Luft“ installiert die Werft eine Heckbank mit ausreichend festen Polstern, die man mit wenigen Handgriffen zu einer weiteren Sonnenliege oder Notkoje wandelt. Ein ovaler Tisch auf einem Standrohr sorgt für passende Abstellmöglichkeit für Getränke und Snacks. Um die gemütliche Kaffeerunde zu erweitern, lassen sich Beifahrer und Fahrersitz nach achtern drehen. Heißgetränke und kleine warme Speisen bereitet man an einem 1-Flammen-Gaskocher (479 Euro) zu, der praktisch hinter einer Klappe in der Wegerung an Steuerbord sitzt, hinter den Kocher passen noch Messer und Schneidebrett. Gegenüber findet man das Handwasch-/Spülbecken; eine Kühlmöglichkeit brachte die Werft am Kabineneingang mit einer herausziehbaren „Kühlschublade“ (1189 Euro) unter.
In der Kabine sorgen weiche Polster für einen ausreichend gemütlichen Sitz- und Liegekomfort. Gegen Aufpreis bekommt man Chemieklo (in die Bank integriert), TV und Radio. Staumöglichkeiten verteilt der Konstrukteur unter und an Deck passend zum Bootstyp.
Wer ein kühles Bad nehmen möchte, kann das von der Badeplattform an Steuerbord aus tun. Dabei hilft eine Drei-Stufen-Ziehbadeleiter, die sich unter einem rutschfesten Deckel (Trittfläche Badeplattform) versteckt. Diese Klappe ist vom Wasser aus nur schlecht zu öffnen. Um sich das Salzwasser nach dem Baden abzuspülen, gibt es eine Heckdusche (Paket mit Cockpitspüle 789 Euro) mit kaltem Wasser.
Am Spiegel unseres Testbootes hängt Suzukis DF 150. Er beschleunigt das Boot auf respektable 38,3 kn. Der Motor dreht mit 5900/min im oberen Bereich der zugelassenen Volllastdrehzahl, was ein Zeichen für eine gute Propellerabstimmung ist. Dass nicht nur Geschwindigkeit und Prop passen, sondern auch der Tankinhalt von 137 l, zeigt die Reichweite von 108 sm zuzüglich 15 % Reserve in wirtschaftlicher Fahrt mit 23,1 kn (4000/min). Bei Vollgas sind es etwa 1/4 weniger.
Der Übergangsbereich von Verdränger- in Gleitfahrt liegt zwischen 2200/min und 3400/min. Mit ganz an den Spiegel getrimmtem Außenborder steht der ansteigende Bug für etwa zwei bis drei Sekunden im Blickfeld, bevor die kursstabile Gleitfahrt beginnt. Beifahrer und Fahrer haben eine passable Voraussicht, die Fahrgemeinschaft auf den hinteren Plätzen verfügt dagegen über keinen direkten Blick nach vorn. Wer den Power-TrimmKnopf (in Richtung „up“) zu lange drückt, merkt das schnell an einem wippenden Boot (bei uns knapp 1/2 ohne Passagier auf dem Dach). Die Wasserskiwelle hat für Amateure eine ansprechende Höhe.
In schnellen Backbord-Kreisen zieht der Rumpf, ohne zu schaukeln, seine Runden. Nach Steuerbord neigt die Esacapade dagegen an der engsten Stelle zum Schaukeln, und man nimmt freiwillig Gas weg. Die einfache Wende ist jedoch problemlos zu fahren. Slalom und das Verreißen der Lenkung quittiert der Rumpf mit sicheren Fahreigenschaften. Die Lenkung zeigt sich bei den schnellen Manövern ausreichend leichtgängig.
Rauwasser gab es während des Tests auf dem polnischen Necko-See nicht – Wellen von anderen Booten überspringt die Escapade problemlos.
Im Hafen überzeugt sie mit engen Wendekreisen und direktem Umsteuerverhalten in Rückwärtsfahrt. Bei Letzterem darf man etwa 2000/min nicht überschreiten, damit kein Wasser über die Selbstlenzung ins Cockpit drückt. Dieses Problem will die Werft abstellen.
Auf langsamen Touren mit etwa 4,5 kn läuft das Boot passabel kursstabil. Gewichtsverlagerungen beeinflussen nur gering die Kursstabilität. Deutlich spürbar dagegen ist die Krängung, was sich ebenfalls bei schneller Verdrängerfahrt mit etwa 6,5 kn zeigt. Die Sicht durch die gebogene Plexiglasscheibe ist auch bei wenig Speed für Fahrer und Beifahrer in Ordnung. Einschränkung: Bei Regen gibt es serienmäßig keinen Scheibenwischer. Spiegelungen vom weißen Fahrstand stören die Voraussicht mäßig, auf die Instrumente blickt der Fahrer ungetrübt. Dabei sitzt er auf einem weich gepolsterten Sportsitz, der guten Seitenhalt bietet. Schaltung und Steuerrad bedient er sitzend wie stehend gut.
Anschlussleitungen und Schläuche verlegt die Werft in der Wegerung sicher in Schutzrohren; unter der Außenborderwanne sind sie ordentlich gebündelt. Vom Borddurchlass zum Außenborder liegen sie vorbildlich in einem flexiblen Schutzrohr. Gleiche Sorgfalt zeigt die gesamte Bootsverarbeitung. Die Batterien stehen sicher gehaltert in Kunststoffkästen mit Gurten. Der dazugehörige Wahlschalter (1,2 oder both) sitzt ordentlich zugänglich unter der Heckbank. Schmelzsicherungen bringt die Werft neben dem Hauptschalter und an den Wippschaltern am Fahrstand unter. Pluspunkte an der Tankanlage: sicher gehalterter Nirotank mit Potenzialausgleich, gekennzeichneter und gesicherter Tankdeckel. Minus: teilweise nur eine Schraubschelle an den Spritleitungen, kein Absperrhahn und Extra-Spritfilter.
Zur Sicherheitsausrüstung gehören rutschfeste Bodenstrukturen, Handgriffe achtern und an der Badeplattform, Reling, Feuerlöscher und elektrische Lenzpumpe. Die wichtige Handlenzumpe suchten wir auf der Standardliste vergeblich.
Lob: Das Cabrioverdeck mit großen Folienfenstern kostet keinen Aufpreis. Gleiches gilt für Signalhorn und Positionslichter mit Eurozulassung.
Fazit: Die Escapade 600 ist ein gut verarbeitetes Kajütboot, das sich problemlos trailern lässt und nicht nur Fortgeschrittene, sondern auch Einsteiger anspricht.