Sebastian Gollasch
· 28.12.2013
Heavy Metal aus Holland: Die TNCS (The New Classic Sturdy) 32 AC ist der zweite Stahlverdränger in Linssens neuer Modellreihe „mit Stammbaum“.
Hinter der Abkürzung "TNCS 32AC" unseres Testbootes verbirgt sich ein 10,15 m langer Verdränger der moderneren Version einer "Ur-Linssen". Mit der The-New-Classic-Sturdy-Serie knüpft man im Hause Linssen an das überaus erfolgreiche Design aus der Anfangszeit der Werft an. Die ersten Sturdys in den Jahren 1975 bis 1985 - damals noch St. Jozef Vlets genannt - entstammten der Feder von Jos Linssen, dem Werftgründer.
Mittlerweile werden die Modelle von Linssen-Designer Anne Elsinga gezeichnet. Zwar hält er bei den Außenkonturen an den klassischen Sturdy-Linien fest, aber mit den Jahren hat sich unter Deck und unter der Wasserlinie dennoch eine Menge getan: Erfahrungwerte sind eingeflossen und haben Weiterentwicklungen angestoßen, wie das häufig der Fall ist.
Verwendet werden nach wie vor zwei verschiedene Stahlblechstärken beim Rumpf und Aufbau der Boote: Im Hinblick auf eine hohe Stabilität nimmt man 5-mm-Bleche für den Rumpf, der Aufbau erhält 4-mm-Stärken. Bei Konstruktionen dieser Art sinkt der Gesamtschwerpunkt, wodurch Wankbewegungen und das Krängen verringert werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Selbstaufrichtungskräfte. Diese Eigenschaft wird von der Crew als sicher und sehr seetüchtig empfunden. Bei genauerem Hinsehen ist uns außerdem die gute Verarbeitung und Passgenauigkeit der Holzeinbauten und -türen aufgefallen. Insgesamt gibt es bei der Linssen The New Classic Sturdy 32 AC keine groben Verarbeitungsschnitzer.
Fahren und Manövrieren
Bei der Motorisierung kommt nur der D2-75 von Volvo Penta zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen Vierzylinder-Diesel mit 2200 ccm Hubraum. Gekühlt wird das Aggregat mittels Zweikreiskühlung. Zum Laden der Bordbatterien besitzt der Motor eine 12-V- Lichtmaschine, die maximal 115 A leistet. Die Nennleistung des Volvo Penta von 55 kW wird von einem 2,8:1-übersetzten Getriebe an die Propellerwelle weitergegeben, der montierte Bronzepropeller setzt sie in Schubkraft um.
Gesteuert wird das Boot vom Außenfahrstand auf dem hinteren Deck, wo der Skipper auf einem Linssen-Klappstuhl mit Rücken- und Armlehnen Platz nimmt. Die Einhebelschaltung ist gut positioniert und lässt sich sitzend wie stehend leicht bedienen. Die erhöhte Position des Fahrstandes auf dem Achterdeck ermöglicht eine gute Rundumsicht.
Die Sicherheitsglasscheiben der dreiteilig klappbaren Windschutzscheibe sind nicht getönt und besitzen Scheibenwischer, jedoch keine Waschanlage oder Defroster. Auch vermissten wir einen Kompass an Bord "unserer" Linssen.
Es ist typbedingt, dass Boote wie die The New Classic Sturdy 32 AC aufgrund des Wellenantriebs keine "Manövrierweltmeister" sind. Abhilfe schafft da ein Bugstrahlruder, das in der Luxe- oder Royal -Edition ohne weiteren Aufpreis installiert wird. Ausgestattet mit diesem Helfer, ist das Drehen auf der Stelle in Häfen problemlos möglich. Ohne die Unterstützung des Ruders betragen die Wendekreise mit vorwärts eingelegtem Gang über Steuerbord 1 ½ Bootslängen und über Backbord 1 Bootslänge. In Rückwärtsfahrt fielen die Durchmesser mit 3 Bootslängen verdrängertypisch aus.
Das Umsteuern zu beiden Seiten ist nur mit erhöhtem Gasgeben möglich. – Als maximale Hafengeschwindigkeit haben wir 3,7 kn oder 1250/min ermittelt, denn bis zu dieser Marke werden Wellenbildung und Schwallwasser äußerst gering gehalten. Auf freier Strecke legten wir den Gashebel auf den Tisch und loggten eine Höchstgeschwindigkeit von 7,2 kn ein. Der Drehzahlmesser zeigt bei diesem Tempo exakt 2900/min an, hinsichtlich der von Volvo Penta empfohlenen maximalen Drehzahl von 3000/min ein nicht ganz passender Wert. Beim Prüfen der Lautstärke am Fahrstand stieg die Nadel unseres Messgerätes nicht über die 70-dB/A-Marke.
Die errechnete Rumpfgeschwindigkeit beträgt etwa 7 kn und liegt damit nur knapp unter der Höchstgeschwindigkeit.Das Vorankommen auf schnell fließenden Gewässern ist mit der TNCS 32 AC daher wohl eher ein Geduldsspiel.
Der Kraftstoffverbrauch bei 7,2 kn beträgt 2,16 l/sm. Mit dem 240 l fassenden Dieseltank kann so ein Nonstop-Trip von 95 sm bewältigt werden, bis es an die 15-%-Reserve geht. Als ökonomische Drehzahl haben wir 1750/min ermittelt, der Rumpf bewegt sich dabei mit 5,1 kn durchs Wasser, und der Geräuschpegel ist mit 61 dB/A am Fahrstand gering. Man vernimmt quasi nur "den Klang" der Wellen. Verbrauchstechnisch liegt der Volo Penta D2-75 bei dieser Geschwindigkeit bei 0,67 l/sm. Somit muss man erst nach 305 sm nachtanken, um die Reserve zu erhalten.
Zu den Fahreigenschaften der Linssen The New Classic Sturdy 32 AC bei Höchstgeschwindigkeit kann man nur sagen: alles bestens. Die hydraulische Lenkung in Kombination mit dem großen Steuerrad ist in jeder Lage leichtgängig und gut dosierbar. Der Rumpf läuft stabil geradeaus, ein Krängen bei Gewichtsverlagerung konnten wir nicht feststellen.
Lediglich nach einer Änderung des Tempos muss man den Kurs leicht korrigieren. Bei immer enger werdenden Kreisen neigt sich das Boot erst ins Kurveninnere und später wieder heraus. Dieses Verhalten ist nicht als Manko zu sehen. Beim Verreißen folgt der Rumpf schnell und direkt dem Steuerbefehl. Kleinere Geschwindigkeiten beherrscht die Linssen ebenso.
Motor, Tank, Elektrik
Für ausreichend Spannung im 12-V- Bordnetz sorgen bei der 32 AC zwei wartungsfreie 85-Ah-Gel-Batterien, separat gibt es noch eine ebenfalls wartungsfreie 90-Ah-Starterbatterie. Untergebracht sind die drei Spannungsquellen fest verlascht in einer Kiste im Motorraum. Will man die Maschine zum Laden der Batterien nicht starten, kann man Letztere am Steg mittels Landstromanschluss mit 25 m langem Kabel und Automatiklader "wiederaufpäppeln".
Abgesichert ist die 230-V-Anlage bis 16 A, zusätzlich werden ab Werft ein FI-Schutz-Schalter und eine Kontrollleuchte eingebaut. Zur Absicherung und Abschaltung des 12-V-Bordnetzes (per Hauptschalter, der an der Salon-Sitzgruppe angebracht ist) gibt es zusätzlich automatische Hauptsicherungen plus eine separate Sicherung je Verbraucher. Das Bedienpaneel ist unter Deck seitlich am Durchgang in die Bugkabine angebracht und lässt sich gut einsehen und bedienen.
Für die tägliche Motor-Sichtkontrolle öffnet man den Motorraumdeckel im Salon. Mangels Platzangebot muss man den Tisch, der sonst auf dem Luk steht, auf die Sitzgruppe heben. Im geöffneten Zustand kommt man gut an alle wichtigen Dinge, wie Borddurchlass fürs Kühlwasser, Seewasserfilter, Ölpeilstab, Kraftstofffilter mit Wasserabscheider und Keilrippenriemen, heran. Alle Installationen im Motorraum und unter dem Fahrstand sind gut ausgeführt, Schläuche fest gehaltert und Kabel in Schutzrohr oder Kabelkanälen verlegt.
Sicherheit
Die serienmäßige Sicherheitsausstattung beinhaltet neben einer 5,9-kg-Feuerlöschanlage im Motorraum und der Möglichkeit, die Kraftstoffzufuhr zum Motor vom Salon aus zu unterbrechen, noch eine Notsteuereinrichtung unter dem Bett in der Heckkabine wie auch eine fest montierte und eine flexibel einsetzbare elektrische Bilgenpumpe. Eine manuelle Lenzpumpe, wie BOOTE es fordert, gibt es an Bord der Linssen nicht. Für die Bewegungssicherheit an Deck sorgt das 0,28 m breite Seitendeck in Kombination mit der komplett ums Boot laufenden, stabilen Edelstahlreling und einer Anti-Slip-Struktur.
In der Royal- und Luxe-Edition stattet die Werft den Boden der Plicht, der sonst ebenfalls eine Anti-Slip-Struktur besitzt, standardmäßig mit Teak aus. Sollte einem Crew-Mitglied doch mal ein Malheur zustoßen: Linssen spendiert jeder The New Classic Sturdy 32 AC einen Verbandskasten.
Wohnen und Ausrüstung
Man kann die TNCS 32 in zwei unterschiedlichen Ausführungen bestellen. Einmal als Sedan mit großem Salon und Plicht oder, wie unser Testboot, als AC (Aft Cabin) mit zusätzlicher Achter-
kajüte. Neben der verschiedenen Kojenzahl ist noch die Platzierung des Fahrstandes ein wesentlicher Unterschied der beiden Modelle. Steuert man die AC-Version vom Außenfahrstand, sitzt der Skipper bei der Sedan-Ausführung unter Deck.
Den Salon bei unserer TNCS 32 AC erreicht man über eine Kombination aus Eingangstür und Schiebluk, die sich gut zum Lüften unter Deck verwenden lässt. Der Salon besitzt eine Sitzgruppe für vier Personen; ihr gegenüber angeordnet ist die L-förmige Pantry. Zur Ausstattung gehört eine in die Arbeitsplatte eingelassene Edelstahlspüle, ein 80-l- Kühlschrank und ein dreiflammiger Gasherd. Praktisch: Beim Kochen kann direkt per Schiebefenster gelüftet werden.
Zum Verstauen von Besteck, Geschirr und Nahrungsmitteln stehen zahlreiche Ablagemöglichkeiten in Form von Schubladen und Schränken zur Verfügung. Zur Unterbringung der Reise-Utensilien kann man die Staufächer unter der Salonsitzbank nutzen. In der Eignerkabine gibt es auf jeder Seite des Doppelbettes einen Kleiderschrank und weitere Ablagemöglichkeiten.
Die getrennten Dusch- und WC-Räume vorn sind nur über die Bugkabine erreichbar. In der Dusche angekommen, heißt es für Personen über 1,78 m Größe "Kopf einziehen". Immerhin hat man im WC-Raum noch 3 cm mehr Kopffreiheit. Am niedrigsten, mit knapp 1,60 m Stehhöhe, geht es im WC-Raum der Achterkabine zu. Da bietet der Rest der Kabine deutlich mehr Platz. Auf der 2,00 x 1,45 m großen Koje finden zwei Personen entspannt ihr Nachtlager; das Doppelbett ist mit der gleichen straffen, aber nicht harten Kaltschaummatratze und einem Lattenrost wie in der Bugkabine bestückt.
Werft: Linssen Yachts B.V.
Typbezeichnung: Linssen The New Classic Sturdy 32 AC
CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer
Material von Rumpf und Deck: Stahl
Länge: 10,15 m
Breite: 3,45 m
Verdrängung: 9,00 t
Preis: 211.600,00 €