Marino APB 27

Erich Bogadtke

 · 25.02.2013

Marino APB 27Foto: Hans-Günter Kiesel
Marino APB 27

Ein Boot für alle Lagen: Das wandlungsfähige „All Purpose Boat“ (APB) 27 des finnischen Herstellers Marino hat hat viele verborgene Talente.

Marino APB 27Foto: Hans-Günter Kiesel
Marino APB 27
Marino APB 27
Foto: Hans-Günter Kiesel

Stellen Sie sich einmal vor, der Zimmermann, der gerade Ihr Dachgeschoss ausbaut, denkt ernsthaft darüber nach, das dazu benötigte Baumaterial mit Ihrem Boot zu transportieren. Wahrscheinlich würden Sie lautstark protestieren. Kanthölzer, Rigipsplatten und Dämmstoffe auf edlem Teakholz und poliertem Gelcoat, das geht gar nicht. Oder? Und wie geht’s Ihrem Nervenkostüm bei dem Gedanken, Ihr Boot wäre in einem festen Arbeitsverhältnis? Okay, Sie besitzen kein Haus auf einer Insel, und die „echten Seeleute“, die ihre Brötchen auf dem Wasser verdienen, haben bislang kein Interesse an Ihrem Boot gezeigt. Das kann sich ändern.


Das Konzept der Marino APB 27 spricht sowohl Freizeit- als auch Profikapitäne an. Beide notieren solide Konstruktion, erstklassige Verarbeitung, professionelle Installationen, die Tatsache, dass kein Billigzubehör installiert wird und die ausgesprochen sicheren Fahreigenschaften unter dem Stichwort „Gefällt mir.“


Geht’s um die seitlichen Schiebetüren und das Schanzkleid, die bei einem 8-m-Boot alles andere als alltäglich, aber in puncto Bewegungssicherheit kaum zu toppen sind, kommt der spontane Beifall eher aus den Reihen der Profis. Einer Meinung ist man wieder bei der Beurteilung der beweglichen Cockpitrückwand, die umgeklappt Platz schafft und zur Badeplattform wird. Einigkeit herrscht auch bei den elektrischen Schiebedächern und der per Knopfdruck komplett versenkbaren Rückwand des Ruderhauses. Klar, das bewegliche Trio bietet dem Eigner sehr viel „Spielraum“ und verdient nicht zuletzt wegen der soliden Beschläge das Prädikat „nur vom Feinsten“.


Einen Dämpfer erhält die Begeisterung erst beim Blick in die Preisliste. Hier finden Freizeitkapitäne die für sie unverzichtbare Pantry mit Kocher, Spüle und Frischwassertank, die Dusche, den Salontisch und die Polster für die Seitenbänke im Salon in der Zubehörliste. Darüber, ob man die an gleicher Stelle notierte Heizung, Boiler, Ankerwinde, 220-V-Landanschluss und Bugschraube haben muss, lässt sich streiten, Fakt ist jedoch, dass so vor dem Spaß am Wasserskilaufen, Angeln und komfortablen Reisen der mehr oder weniger tiefe Griff ins Portemonnaie steht.

Fahren und Manövrieren

Haben Sie Lust auf einen Benziner? Nein? Auch nicht, wenn der Diesel bei gleicher Leistung (300 PS) stolze 35000 Euro (!) teurer ist? Dagegen sind die rund 15 000 Euro Dieselzuschlag für unseren 250 PS starken mit Duoprop-Z-Antrieb ausgerüsteten Testmotor fast schon ein Schnäppchen. Volvo Pentas D4-260/DPH überzeugt in der Marino APB 27 mit reichlich Drehmoment und einem gut abgestimmten Propellerpaar, das den aufgeladenen Vierzylinder mit dem richtigen Trimm im Volllastbereich mit 3400/min drehen lässt und das 3750 kg schwere Testboot ohne "Senkrechtstart" zügig auf 33 kn beschleunigt.

Getreu dem Motto "Kraft kommt von Kraftstoff" konsumiert der elektronisch gesteuerte Diesel dabei 1,48 l/sm. Auffällig ist, dass die Verbrauchswerte im Drehzahlbereich von 2500/min bis 3400/min sehr eng beieinander liegen. Der gravierende Unterschied liegt in der erreichten Geschwindigkeit. Wer weit kom­men will, setzt sich ein Tempolimit von 28,5 kn und kann damit bei einem Verbrauch von 1,41 l/sm mit einer Reichweite von 175 sm planen. Das ist mehr als BOOTE für diese Bootskategorie fordert. Ein 290-l-Tank macht’s möglich.

In Sachen Rauwasserkomfort heißen die "Tatverdächtigen" Rumpfform, Power-Trimm und Trimmklappen. Stehen die elektrohydraulisch verstellbaren Klappen und der auf die gleiche Art bewegte Z-Antrieb in der richtigen Position, setzt der stark aufgekimmmte Rumpf selbst bei Seegang 3 bis 4 ohne ständig wechselnde Schräglagen und wilde Schaukelei auf allen Kursen weich ein. Kommt beim Fahren gegen Wind und Welle Spritzwasser über, leisten Wischer, Waschanlage und Gebläse auf der ungetönten Scheibe aus Sicherheitsglas ganze Arbeit.

Die hydraulische Lenkung fordert wenig Aufmerksamkeit und bleibt in jeder Situation leichtgängig. Richtig rund – und das ist positiv gemeint – geht es in den mit Tempo 30 gefahrenen Kurven und Kreisen. Die Marino bleibt dabei in normaler Schräglage und neigt nicht zum Einhaken oder Aufschaukeln. Propellerventilation: Fehlanzeige. Mit der gleichen Souveränität absolviert das Boot auch den Slalomkurs, wo sich Crew und Rudergänger, der selbst jetzt nicht zum Schwerstarbeiter wird, ausgesprochen sicher fühlen.

Beim Manövrieren in engen Häfen und Schleusen sorgen neben der schon gelobten Lenkung kleine Drehkreise, die exakte Einhebelschaltung für Gas und Getriebe und eine komfortable Sitzbank für den Wohlfühleffekt. Die Bank lässt sich verschieben und bietet aus­reichenden Seitenhalt. Komplett wird das Rundum-sorglos-Paket mit Bugstrahlruder (Extra) und dem gut ablesbaren Kartenplotter (Standard), in dem Kompass, Sumlog, Echolot und alle wichtigen Motorinstrumente eingebaut sind.

Letztgenannte zeigen in langsamer Verdrängerfahrt 800/min und knapp 4 kn an. Gegen das für Gleiter zwar typische, aber dennoch auf Dauer nervige Gieren hilft Gasgeben. Schon 200/min mehr bringen bei 6 kn die gewünschte Kursstabilität, ohne großen Schwell zu verursachen.

Motor, Tank, Elektrik

Das Loblied des Testers beginnt hier bei der Zugänglichkeit des Motorraums und endet bei dessen Isolierung, die den Schallpegel nicht einmal im Volllastbereich in die Nähe der 85-dB/A-Marke kommen lässt. Solide Fundamente, übersichtlich verlegte und gut gehalterte Kabel, der Dieseltank mit fernbedienbarem Absperrhahn, Filter und Wasserabscheider, getrennte Stromkreise und der leicht erreichbare Batteriehauptschalter zeigen, dass bei der Installation der Technik Fachleute am Werk waren. Wer seine APB 27 mit Pantry, Heizung, Warmwasserboiler und 230-V-Landanschluss ordert, darf davon ausgehen, dass er auch in diesen Punkten bestens bedient wird.

Sicherheit

Das Konzept mit Seitentüren, hoher Schanz, rutschfestem Teakdeck und soliden Handläufen macht die Bewegungssicherheit neben den Fahreigenschaften zum auffälligsten Pluspunkt. Direkt dahinter stehen selbstlenzendes Cockpit, Freibord, Hand- und Automatik-Lenzpumpe, ausziehbare Badeleiter, nicht brennbare Motorraumisolierung und Feuerlöschanlage.

Wohnen, Cockpit und Ausrüstung

Wer draufzahlt, bekommt eine kleine Pantry mit Einflammenkocher und Spüle und einen Salontisch. Was der in den Sitzbänken installierten Küche fehlt, ist Stauraum. Auch die Frage, wohin mit Regenzeug und warmen Sachen, bleibt unbeantwortet. Das Stauraumangebot in Ruderhaus und Vorderkajüte beschränkt sich auf wenige, nicht unterteilte und zum Teil umständlich zu erreichende Fächer unter den Polstern.

Das kann nicht zufriedenstellen. Gleiches gilt für die beiden "Hundekojen" in den Konsolen der Salonsitzbänke. Wer hier zum Schlafen rein- und rauswill, muss klein und gelenkig sein. "Große Leute" übernachten in der Vorderkajüte. Die Polster der V-Koje, unter denen das Pump-WC steht, sind zwar bequem, aber nicht unterlüftet.

Gefühl und Wetterlage bestimmen die Gestaltung von Ruderhaus und Cockpit. Open­Air oder geschlossene Gesellschaft – die beweglichen Rückwände und Schiebedächer machen beides möglich. Teakdeck, sechs solide Klampen, Handläufe, attestierte Positionslaternen, Ankerkasten und eine solide Scheuerleiste, sind Standard und Pluspunkte. Ob die Strategie, unverzichtbare Dinge wie Pantry, Dusche, Tisch und Signalhorn als Zubehör anzubieten und so den Preis auf den ersten Blick attraktiver zu gestalten, die richtige ist, darf bezweifelt werden.

Datenblatt: Marino APB 27

Werft: OY Marino AB/FIN

Typbezeichnung: Marino APB 27

CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer

Material von Rumpf und Deck: Kunststoff

Länge: 8,20 m

Breite: 2,90 m

Verdrängung: 3,20 t

Preis: 182.570,00 €